Es wird in Sachen Stromversorgung immer enger in Europa. Meines Erachtens ist es nur eine Frage der Zeit, bis es mal richtig rumst in Richtung flächendeckender Blackout.
Zwei Regenerativ-Stromerzeugungsbuckel am Donnerstag und am Samstag (Abbildung) verursachen negative Strompreise. Am Freitag ist die regenerative Stromerzeugung nicht so stark, so dass über Mittag noch ein Preis über 40 €/MWh erzielt wird.
„Zu viel“ regenerativ erzeugter Strom wird auch in Zukunft die Strompreise sinken lassen. Tief Richtung Keller. Bis hinein in den Negativbereich. Je mehr Wind- und Solaranlagen zugebaut werden, desto mehr wird sich das Problem verschärfen. Warum? Zwei für die Stromversorgung unabdingbare Sachverhalte stehen weiterhin ungelöst im Raum. Da ist zum einen die Netzstabilität, die bei einem aktuellen Strombedarf von maximal 80 GW mit fossiler Stromerzeugung in Höhe von 20 GW (Abbildung 1) abgesichert werden muss. Es sind die großen, rotierenden Massen der mit fossiler Energie angetriebenen Stromgeneratoren, die die Netzfrequenz bei den notwendigen 50 Hz stabil halten. Zum anderen ist es die mangelnde Speichermöglichkeit des „zu viel“ erzeugten Stroms. Denn die 20 GW fossil erzeugter Strom sind praktisch immer als Erzeugungssockel vorhanden.
Hinzu kommt die regenerative Erzeugung. Ist diese „zu“ hoch, übersteigt sie zusammen mit dem Fossilstromsockel den Bedarf in erheblichem Umfang. Besteht keine Speichermöglichkeit, fallen die Preise. Das Überangebot bewirkt eine Absenkung des Preisniveaus bis hin in den Negativbereich. Die 30. Woche ist ein schönes Beispiel (Abbildung 2). Dass unsere Nachbarn (Abbildung 3) die wirre, aber leider notwendige Stromerzeugung Deutschlands ausnutzen, um feine Preisdifferenzgeschäfte zu tätigen, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Dass die Schweiz wieder ganz vorne dabei ist, ist klar. Auch Frankreich und Polen sowie alle anderen Nachbarn sahnen ab. Die brauchen sich nur die Wettervorhersage für Deutschland anzuschauen und können dann je nach Wetterlage bereits den Sekt kaltstellen.
Werfen wir noch einen Blick auf Norwegen (geht nur mit SMARD-Daten der Bundesnetzagentur, Agora stellt die Daten noch nicht zur Verfügung), der „Großbatterie“ für Deutschland: Billigen Strom aus Deutschland importieren, um ihn dann wieder teuer zu verkaufen. Da freuen sich auch die Norweger ob der regenerativen Stromerzeugung Deutschlands.
Die Tabelle mit den Werten der Energy-Charts und der daraus generierte Chart liegen unter Abbildung 4 ab. Es handelt sich um Werte der Nettostromerzeugung, dem „Strom, der aus der Steckdose“ kommt, wie auf der Webseite der Energy-Charts ganz unten ausführlich erläutert wird. Der höchst empfehlenswerte virtuelle Energiewende-Rechner (Wie viele Windkraft- und PV-Anlagen braucht es, um Kohle- und/oder Kernkraftstrom zu ersetzen? Zumindest im Jahresdurchschnitt.) ist unter Abbildung 5 zu finden. Ebenso wie der bewährte Energierechner.
Die Charts mit den Jahres- und Wochenexportzahlen liegen unter Abbildung 6 ab. Abbildung 7 beinhaltet die Charts, welche eine angenommene Verdoppelung und Verdreifachung der Wind- und Solarstromversorgung visualisieren. Abbildung 8 enthält ein Video, in dem sich Joachim Weimann zu den Kosten der Energiewende äußert. Das Interview stammt aus dem Jahr 2015, ist dennoch hochaktuell. Ergänzt wird dieser Beitrag durch einen diesmal brandaktuellen Beitrag der HHL Leipzig Graduate School of Management mit Prof. Sinn und Prof. Althammer.
Gridradar berichtet von einer UECT-Netzaufspaltung am 24.7.2021:
Am 24.07.2021 um 16:36 Uhr (CEST) kam es zu einer Abtrennung der Iberischen Halbinsel vom europäischen UCTE-Stromnetz. An unserer Messstation in Lleida (nördl. Spanien) sank die Netzfrequenz auf bemerkenswerte 48,66 Hz, in Malaga (südl. Spanien) sank die Frequenz auf 48,99 Hz ab – immerhin ein Frequenzunterschied von ca. 340 mHz! Der Abstand zur Nennfrequenz von 50 Hz betrug also ca. 1,4 Hz. Weiterlesen
Es wird in Sachen Stromversorgung immer enger in Europa. Meines Erachtens ist es nur eine Frage der Zeit, bis es mal richtig rumst in Richtung flächendeckender Blackout. Dann hat niemand etwas gewusst. Was u.U. auch richtig ist. Denn mit „Wissen“ ist es unter unseren Energiewende-Abschaltern wohl nicht so weit her. Nur: Lernen wollen sie auch nicht. Und wenn, dann nur auf die harte Tour. Eben mit Stromausfall und allem Drum und Dran.
Beachten Sie bitte unbedingt die Stromdateninfo-Tagesvergleiche ab 2016 in den Tagesanalysen. Dort finden Sie die Belege für die im Analyse-Text angegebenen Durchschnittswerte und vieles mehr. Der Vergleich beinhaltet einen Schatz an Erkenntnismöglichkeiten. Überhaupt ist das Analysetool stromdaten.info mittlerweile ein sehr mächtiges Instrument der Stromdatenanalyse geworden.
Tagesanalysen
Montag, 26.7.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 39,69 Prozent, davon Windstrom 6,99 Prozent, Solarstrom 19,35 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 13,35 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Montag, wenig Windstromerzeugung, mäßige PV-Stromerzeugung. Die zwei üblichen Stromlücken. Das Preisniveau ist hoch. Die konventionellen Stromerzeuger, tun alles, um dieses Niveau zu halten. Nur wenn die Preise ohnehin sind, erzeugen sie Pumpspeicherstrom. Dann lohnt es sich. Der Handelstag.
Dienstag, 27.7.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 43,52 Prozent, davon Windstrom 12,27 Prozent, Solarstrom 18,71 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,54 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Dienstag, die Windstromerzeugung zieht etwas an, die PV-Stromerzeugung bleibt mäßig. Aber: Die Stromlücken werden kleiner. Deutschland importiert hochpreisig, exportiert billiger. Aber noch ist alles im grünen Bereich. Die Konventionellen verdienen gut. Unsere Nachbarn auch. Der Stromkunde in Deutschland zahlt.
Mittwoch, 28.7.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 53,81 Prozent, davon Windstrom 26,43 Prozent, Solarstrom 14,61 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,77 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Mittwoch, die Windstromerzeugung zieht über Tag ordentlich an. Dennoch bleibt auch heute noch die berühmte Vorabendstromlücke, die teuer geschlossen werden muss. Noch teurer allerdings ist der Strom am Vormittag. Die Konventionellen fahren die Erzeugung ganz langsam herunter. Der Handelstag. Die Schweiz exportiert heute ausschließlich Strom nach Deutschland. Schneller kann man Geld, richtig Geld, nicht verdienen.
Donnerstag, 29.7.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 72,83 Prozent, davon Windstrom 43,32 Prozent, Solarstrom 18,22 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,29 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Donnerstag, viel zu viel Windstrom. Trotz mäßiger PV-Stromerzeugung kommt es zum Stromüberangebot. Folge Preisverfall bis hin zum Bonus, der von 13:00 bis 15:00 Uhr den Stromabnehmern mitgegeben werden muss. Die konventionelle Stromerzeugung dient nur der Netzstabilität. Bis zum Abend. Da winkt Gewinn für alle (außer dem Stromkunden. Der zahlt nur). Ab 19:00 Uhr werden wieder über 90 €/MWh aufgerufen.
Freitag, 30.7.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 65,59 Prozent, davon Windstrom 27,23 Prozent, Solarstrom 23,54 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,82 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Freitag, heute wird es nicht ganz so schlimm. Die Windstromerzeugung lässt über Tag nach. Die Sonnenstromerzeugung ist kräftig. Natürlich gibt es zwei Stromlücken. Über Mittag fallen die Preise. Aber nicht richtig null. Bei 40 €/MWh ist Schluss. Wer deckt sich mit Strom ein und speichert/nutzt ihn? Dass zum Abend der Strom richtig teuer bezahlt werden muss, ist selbstverständlich. Da lohnt die Stromerzeugung per Pumpspeicher.
Samstag, 31.7.2021: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 72,97 Prozent, davon Windstrom 42,57 Prozent, Solarstrom 17,93 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,47 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Samstag, wenig Bedarf, viel Windstrom, zum Glück nur mäßiger PV-Strom. Dennoch, der zweite Regenerativstrombuckel der Woche, der die Preise in den Negativbereich (11:00 bis 16:00 Uhr) rauschen lässt. Die Konventionellen halten die 20 GW. Bis zum Abend. Da kann wieder Geld verdient werden. Von wem?
Sonntag, 1.8.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 56,24 Prozent, davon Windstrom 21,48 Prozent, Solarstrom 17,83 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 16,93 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Sonntag, der Wind lässt nach, die Solarkraft auch. Der Bedarf ist sehr gering. Die Konventionellen machen das Übliche. Halten die Netzstabilität und drehen zum Abend ein wenig die Pumpspeicher auf. Das Preisniveau ist insgesamt das tiefste der Woche. Wer macht gute Geschäfte?
Peter Hager aus Lauf an der Pegnitz hat sich mit der Ladesäulenproblematik beschäftigt:
Das Dilemma mit den öffentliche Ladestationen
Durch die hohen Subventionen der Bundesregierung sind seit Mitte 2020 die Verkaufszahlen der E-Autos (BEV) sehr stark gestiegen (Bestand zum 30.06.2021: 457.799 PKW). Ebenfalls stark nachgefragt ist der Bundeszuschuss für den Einbau privater Lademöglichkeiten (seit November wurden über 500.000 Anträge gestellt).
Dagegen hält der Zubau öffentlicher Ladestationen – erforderlich für längere Fahrten sowie für Besitzer ohne eigene Lademöglichkeit – nicht entsprechend Schritt. Zum Halbjahr 2021 gab es gemäß Bundesnetzagentur insgesamt 45.369 öffentlich zugängliche Ladepunkte (6.493 Schnelllader und 38.876 Normallader) wobei sich die Neuinstallationen im Jahr 2021 auf dem Niveau von 2020 bewegen.
Gemäß der Leitstudie Ladeinfrastruktur im Auftrag des BMVI sind bis 2030 zwischen 440.000 und 843.000 öffentliche Ladepunkten erforderlich, wobei die größte Rolle das Parken am Straßenrand sowie auf öffentlichen Parkplätzen spielt.
Auch hier gilt: Ohne Subventionen sind die öffentlich zugänglichen Ladestationen bzw. Ladepunkte derzeit zumeist nicht rentabel wie Forscher der RWTH Aachen in einem Untersuchungsbericht veröffentlichten. Gründe sind insbesondere die hohen Investitionen sowie die geringe Auslastung der Ladepunkte sowie die langen Belegungszeiten, d.h. über die reine Ladezeit hinaus.
Ob das von den RWTH-Forschern vorgeschlagene „Teilen privater Ladestationen“ – die rechtlichen Rahmenbedingungen hierzu gibt es bisher nicht – auf große Resonanz stößt, ist stark zu bezweifeln. Seitens des VDA und des BDEW wird der verstärkte Bau von öffentlichen Ladepunkten von der Politik eingefordert, denn bisher sind es meistens Haushalte mit höherem Einkommen, die ein E-Auto kaufen und die hohe Förderung gerne „mitnehmen“.
Ein Breiteneinsatz der E-Mobilität steht und fällt mit den Lademöglichkeiten im unmittelbaren Wohnumfeld von Mehrfamilienhäusern, d.h. an der Straße oder auf deren Parkplätzen, aber auch bei Tiefgaragen oder Mietgaragen, die meistens keinen Stromanschluss besitzen. Das bedeutet hohe Investitionen innerhalb weniger Jahre in die Infrastruktur – dazu zählen auch der Ausbau der überwiegend unterirdisch verlegten Niederspannungs- und Mittelspannungsnetze –, die sich ohne Subventionen nicht rechnen werden.
Zu berücksichtigen sind zudem:
+ der Strompreis – Deutschland hat bereits heute die weltweit höchsten Haushaltsstrompreise
+ woher kommt im Jahr 2030 der zusätzliche Ladestrom von 40 TWh/Jahr für die anvisierten 14 Millionen E-Autos (BEV und Plug-in-Hybrid) – denn mit dem vorgezogenen Kohleausstieg werden es die „Erneuerbaren Energien“, werden es Wind und Sonne allein nicht im Entferntesten liefern können. Damit dürfte die E-Mobilitätswende wie schon die Energiewende scheitern.
Noch Fragen? Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de. Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr.
Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.
Rüdiger Stobbe betreibt seit über fünf Jahren den Politikblog http://www.mediagnose.de.