Rüdiger Stobbe / 10.10.2023 / 11:30 / Foto: Doenertier82 / 3 / Seite ausdrucken

Woher kommt der Strom? 39. Analysewoche 2023

Der Betrag, der in der kompletten KW 39 für Importstrom gezahlt wurde, beläuft sich auf gut 135 Millionen Euro netto. Rein rechnerisch sind die Importe für Deutschland CO2-frei, aber das ist eine Mogelpackung, weil sie keiner Form der Stromerzeugung zugerechnet werden.

Der Montag der 39. Kalenderwoche 2023 zeichnet sich durch drei Stunden Stromimport (14,1 GW) am frühen Morgen aus, der Deutschland nichts kostet. Am frühen Abend hingegen, um 19:00 Uhr, werden für 11,6 GW 379,70 €/MWh fällig. Das macht insgesamt 4,4 Mio. € und entspricht einem guten Viertel der Gesamtimportkosten dieses Tages in Höhe von 16 Mio € netto. Trotz der drei Stunden Stromimport zu 0 €/MWh am Morgen.

Der Betrag, der in der kompletten KW 39 für Importstrom gezahlt wurde, beläuft sich auf gut 135 Mio. € netto. Der mittlere Importpreis lag bei 116 €/MWh, der mittlere Strompreis bei 106 €/MWh (Eigenerzeugung Deutschland) und der mittlere Exportstrompreis lag bei 74 €/MWh (wenig Nachfrage/Überangebot).

Drei Quartale des Jahres 2023 sind vergangen. Wir werfen einen genaueren Blick auf die bisherigen statistischen Werte des Jahres. Mit Wirklichkeit haben diese Zahlen nur teilweise etwas zu tun. Das liegt an der Tatsache, dass ab 16. April 2023 der Stromimport massiv angestiegen ist und die Werte dadurch erheblich verfälscht werden. Warum? Die insgesamt 13,433 Terawattstunden netto, die aus dem Ausland zu einem Preis von gut zwei Milliarden € netto importiert wurden, sind rechnerisch für Deutschland CO2-frei. Sie werden keiner Form der Stromerzeugung zugerechnet. Sie bewirken dadurch, dass eben gut 13,4 TWh Strom in Deutschland nicht fossil erzeugt werden muss. Das verbessert selbstverständlich das Verhältnis der regenerativen Stromerzeugung zum fossil erzeugten Strom. Der Anteil der „Erneuerbaren“ steigt prozentual-statistisch. Umgekehrt verhält es sich mit dem CO2-Ausstoß im Zeitraum. Der sinkt selbstverständlich, weil weniger Strom fossil erzeugt wird.

Die separate Betrachtung des Zeitraums 16.4.2023 bis 1.10.2023 verdeutlicht den Sachverhalt. Die für eine erfolgreiche Energiewende so wichtigen Werte verbessern sich nochmals gegenüber der Gesamtjahresbetrachtung. Das liegt ausschließlich am „neutralen Stromimport“. Faktisch ändert sich weltweit durch Deutschlands „gute Werte“ nichts, wie ein Blick auf den Strom-Import-Mix für diesen Zeitraum belegt. CO2-Ausstoß und konventionelle Erzeugung finden nur woanders statt.

Was in den letzten beiden Abschnitten erläutert wurde, ist unseren Politikern und den meisten Journalisten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht bekannt. Was macht die Fachwelt? Die Fachwelt wird sich hüten, die Tatsachen auf den Tisch des Hauses zu legen. Dann droht „Liebesentzug“ der Geld- und Machtgeber. Wir werden es in den Jahresanalysen Anfang 2024 sehen. Da werden die „Fortschritte“ bei der Energiewende trotz Kernkraftausstieg besonders hervorgehoben werden.

Wochenanalyse

Montag, 25.9.2023 bis Sonntag, 1.10.2023Anteil Wind- und PV-Strom 37,4 Prozent. Anteil regenerativer Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 51,5 Prozent, davon Windstrom 19,4 Prozent, PV-Strom 17,9 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 14,1 Prozent.

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Wochenvergleich zur 39. Analysewoche ab 2016.

Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zur 39. KW 2023: Factsheet KW 39/2023 – ChartProduktionHandelswocheImport/Export/Preise, CO2Agora-Chart 2030Agora-Chart 2040.

Jahresüberblick 2023 bis zum 1. Oktober 2023 

Daten, Charts, Tabellen & Prognose zum bisherigen Jahr 2023Chart 1Chart 2ProduktionStromhandelImport/Export/Preise/CO2Agora 2030Stromdateninfo Jahresvergleich ab 2016

Tagesanalysen

Was man wissen muss: Die Wind- und PV-Stromerzeugung wird in unseren Charts fast immer „oben“, oft auch über der Bedarfslinie angezeigt. Das suggeriert dem Betrachter, dass dieser Strom exportiert wird. Faktisch geht immer konventionell erzeugter Strom in den Export. Die Chartstruktur zum Beispiel mit dem bisherigen Jahresverlauf 2023 bildet den Sachverhalt korrekt ab. Die konventionelle Stromerzeugung folgt der regenerativen, sie ergänzt diese. Falls diese Ergänzung nicht ausreicht, um den Bedarf zu decken, wird der fehlende Strom, der die elektrische Energie transportiert, aus dem benachbarten Ausland importiert.

Eine große Menge Strom wird im Sommer über Tag mit PV-Anlagen erzeugt. Das führt regelmäßig zu hohen Durchschnittswerten regenerativ erzeugten Stroms. Was allerdings irreführend ist, denn der erzeugte Strom ist ungleichmäßig verteilt.

Montag, 25. September 2023: Anteil Wind- und PV-Strom 44,0 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 57,1 Prozent, davon Windstrom 24,2 Prozent, PV-Strom 19,9 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 13,0 Prozent.

Über Tag lässt die Windstromerzeugung massiv nach. Die Strompreisbildung.

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 25. September ab 2016.

Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zum 25.9.2023: ChartProduktionHandelstagImport/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten, Agora-Chart 2030Agora-Chart 2040

Dienstag, 26. September 2023: Anteil Wind- und PV-Strom 25,5 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 40,0 Prozent, davon Windstrom 5,0 Prozent, PV-Strom 20,5 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 14,5 Prozent.

Windflaute. Deutschland benötigt am Morgen und Frühabend dringend Strom und bekommt ihn zu happigen Preisen. Da nutzt auch der „Billig“strom über die Mittagsspitze nichts.

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 26. September ab 2016.

Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zum 26.9.2023: ChartProduktionHandelstagImport/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten, Agora-Chart 2030Agora-Chart 2040

Mittwoch, 27. September 2023: Anteil Wind- und PV-Strom 28,3 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 42,4 Prozent, davon Windstrom 9,4 Prozent, PV-Strom 18,9 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 15,0 Prozent.

Weiterhin Flaute. Erst ab 18:00 zieht die Windstromerzeugung wieder an. Die Strompreisbildung.

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 27. September ab 2016.

Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zum 27.9.2023: ChartProduktionHandelstagImport/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten, Agora-Chart 2030Agora-Chart 2040

Donnerstag, 28. September 2023: Anteil Wind- und PV-Strom 39,2 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 52,4 Prozent, davon Windstrom 21,7 Prozent, PV-Strom 17,5 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 13,3 Prozent.

Ab 6:00 Uhr sinkt die Windstromerzeugung. Die Strompreisbildung

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 28. September ab 2016.

Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zum 28.9.2023: ChartProduktion, HandelstagImport/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten, Agora-Chart 2030Agora-Chart 2040

Freitag, 29. September 2023: Anteil Wind- und PV-Strom 43,0 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 56,1 Prozent, davon Windstrom 30,9 Prozent, PV-Strom 12,1 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 13,0 Prozent.

Die Windstromerzeugung zieht zum Vorabend stark an. Ab 20:00 Uhr ist kein Stromimport nötig. Das Preisniveau sinkt erheblich.

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 29. September ab 2016.

Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zum 29.9.2023: ChartProduktionHandelstagImport/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten, Agora-Chart 2030Agora-Chart 2040

Samstag, 30. September 2023 Anteil Wind- und PV-Strom 41,7 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 56,6 Prozent, davon Windstrom 24,7 Prozent, PV-Strom 17,0 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 14,9 Prozent.

Die Windstromerzeugung lässt über den ganzen Tag verteilt nach. Die Strompreisbildung.

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 30. September ab 2016.

Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zum 30.9.2023: ChartProduktionHandelstagImport/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten, Agora-Chart 2030Agora-Chart 2040

Sonntag, 1. Oktober 2023: Anteil Wind- und PV-Strom 39,7 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 56,2 Prozent, davon Windstrom 19,5 Prozent, PV-Strom 20,2 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 16,5 Prozent.

Von 12:00 bis 15:00 Uhr ist kein Stromimport notwendig. Die Strompreisbildung am bedarfsarmen Sonntag mit Negativpreisen im Kleinstformat.

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 1. Oktober ab 2016.

Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zum 1.10.2023: ChartProduktionHandelstagImport/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten, Agora-Chart 2030, Agora-Chart 2040

 Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einem kurzen Inhaltsstichwort finden Sie hier. Noch Fragen? Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de. Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe und Peter Hager nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr. 

 

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Thea Wilk / 10.10.2023

Lieber Rüdiger Stobbe, ich habe eine Bitte und einen Vorschlag. Ich schlage vor, statt “Erneuerbare” in Anführunsgzeichen endlich andere Worte zu benutzen, z.B.: die neuen Unzuverlässsigen -  bei erster Erwähnung in einem Text. Im weiteren Text dann immer nur: die Unzuverlässigen.—- Gastautor Jens Kegel hat am 19.11.2022 hier auf der Achse darüber geschrieben: “Positiv aufgeladene Worte wie „Umweltpartei“, „Aktivisten“ ... werden längst für oft ganz andere Ziele missbraucht, sollen verschleiern. Wer solche vom politischen Gegner vorgegebene Worte akzeptiert oder gar selbst verwendet, stärkt ungewollt die Gegenseite.”

Thomas Szabó / 10.10.2023

Je mehr “erneuerbare” Energie, desto höher der Preis? Schließlich zahlt man bei Überproduktion & Unterproduktion gleichermaßen drauf?

Gus Schiller / 10.10.2023

Wie viele Kugeln Eis kann man für 135 Mio. Euro kaufen? Frage an Ex-Minister Trittin.

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