Von Tim Maxeiner
In der März Ausgabe des Politmagazins Cicero bespricht der deutsche Regisseur Wim Wenders das erfolgreiche Filmepos „Avatar“ (der heute Nacht mit drei Oscars bedacht wurde) seines amerikanischen Kollegen James Cameron. Vielem, was Wenders in seiner Filmkritik anführt, kann ich als gemeiner Zuschauer durchaus zustimmen, aber eines stört kolossal: Es gehört unter deutschen Geistesgrößen scheinbar zwingend dazu, jegliches Thema mit amerikanischem Bezug zu einem ausgiebigen USA-Bashing zu nutzen. Der Obama-Faktor ist offenbar bereits verschlissen und so stimmt Wenders anlässlich von „Avatar“ ein in die ebenso nervende wie einfallslose antiamerikanische Leier. Sein Text mit der Überschrift „Rassenfragen“ erscheint wie ein Vorwand um die eigene tadellose Gesinnung zu demonstrieren.
Der Filmplot von Avatar ist leicht erzählt. Der von der Hüfte abwärts gelähmte Ex-Marine Soldat Jake Sully wird auf den fremden Planeten Pandora geschickt, um dessen Besiedelung vorzubereiten. Mit einem „Avatar“-Körper, den er fernlenkt, hat er wieder die Möglichkeit zu laufen. Während der Erkundung des Planeten und dessen friedfertigen Bewohnern, den Na´vi, verliebt er sich in die Tochter des Stammesführers. Als die Armee Pandora angreift, wechselt Sully die Seiten und führt die Na´vi in den Krieg.
Bis zur Mitte des Films ist für Wenders die Welt noch in Ordnung: „Man kann noch auf alle möglichen Wunder hoffen. Ich jedenfalls. Sonst ginge ich nicht ins Kino“, schreibt er. Doch als dann die Na´vi gegen die menschlichen Angreifer in den Krieg ziehen, reibt sich Wenders „verwundert über diese Gehirnwäsche“ die Augen: „So wird der Film Hals über Kopf doch zu einem Kriegsepos, wie schon alle Star-Wars-Episoden vorher(...)“. Richtig, auch in „Star-Wars“ kämpften zwei Welten gegeneinander, aber „Gehirnwäsche“ sieht anders aus. Zumindest hatte ich nicht das Gefühl, dass irgendjemand im Kino davon betroffen gewesen wäre.
Und das trotz der „Wollt ihr den totalen Krieg“- Rede, die Wenders in den Worten von Jack Sully zu hören glaubt. Spätestens jetzt ist der Beweis geführt und das Urteil darf gefällt werden: „Krieg ist nun letzten Endes doch das einzig Großartige, wovon das große amerikanische Kino noch erzählen will. Oder kann?“ Vom Kino springt Wenders reflexartig zur Politik: „Wenn die Politik dazu (Krieg) wirklich keine Alternative mehr sieht, warum dann nicht wenigstens das Kino?“
Wenders Logik nach zu folgen sind die Macher des amerikanischen Kinos nichts weiter als ein Haufen Colonel Miles und Parker Selfridges (die beiden Avatar-Ober-Bösewichte, die endlich drauflos ballern wollen). Aber die Macher von „Avatar“ sind für ihn nicht nur Kriegstreiber, sondern auch noch geldgeile Kapitalisten. „Schließlich hat er (der Film) 200 Millionen US-Dollar und mehr gekostet und muss das wieder einspielen.“ Was denn sonst? Sind Filme, die ihre Herstellungskosten nicht einspielen vollautomatisch kulturell höher zu bewerten?
Wim Wenders vergleicht die „Maschinerie“ hinter „Avatar“ mit einer „überwältigenden Armee, mit der die Amerikaner (der Zukunft und der Gegenwart) in Pandora einfallen“. Gemeint sind Afghanistan und der Irak. Genauso würden die Amerikaner auch „alle Kinolandschaften und Cineplexe unserer Welt“ stürmen. Ich bezweifle im Gegensatz zu Wim Wenders, ob die Welt ohne die Amerikaner und ihre militärische Stärke eine bessere wäre. Geschichtsbücher dienten mir in der Schule nicht nur als Ruhekissen. Hitler-Deutschland wurde 1945 jedenfalls nicht „radikal gewaltfrei“ besiegt (so hätte Wenders der Avatar-Plot besser gefallen), sondern von der amerikanischen Militär-Maschinerie. Und ganz nebenbei bemerkt: Vor einigen Wochen in Haiti waren amerikanische Flugzeugträger als erste mit wirksamer Hilfe vor Ort.
Zurück zur amerikanischen Invasion unserer Kinos. Selbst wenn überall Wim Wenders Filme (die ich gar nicht mal schlecht finde) gezeigt werden, würden die Besucherzahlen nicht ausreichen um ein modernes Großkino am Leben zu halten (besonders wenn seine Filme radikal gewaltfrei in unsere Kinolandschaft eindringen). Wim Wenders schafft es sogar die gescheiterte Klimakonferenz in Kopenhagen in seiner Avatar-Kritik unterzubringen. An deren Scheitern waren die Amis natürlich auch schuld. Und das „obwohl unser Planet auf dem Spiel steht“.
Hätte „Avatar“ doch eine Utopie erzählt, so Wenders „wären alle begeistert gefolgt“. Da bin ich mir nicht so sicher. Dem Publikum hat der Film nämlich gefallen, zumindest in der Vorstellung, die ich besuchte. Für Wenders steht indes fest: „Krieg scheint leider das einzige Mantra zu bleiben, dessen die meisten Amerikaner (in der Politik wie im Film) noch fähig sind“.