@Detlef Dechant Sehr geehrter Herr Dechant, bei Ihnen hat die Homöopathie-Lobby ganze Arbeit geleistet. Zu Punkt 1: Mit Kügelchen läßt sich enorm viel Geld verdienen, für 5g Zucker 30 € zu verlangen ist eigentlich recht lukrativ. Der Umsatz der Alternativmedizin geht inzwischen in die Milliarden. Zu Punkt 2: Mit dem Umsatz, den die Kügelchenfabrikanten machen, lassen sich schon repräsentative Gebäudekomplexe hinstellen. Für das Geld könnte man eigentlich anständige Arzneimittelprüfungen durchführen, die die böse Pharmaindustrie übrigens hunderte Millionen € pro Medikament kosten.
Sehr geehrter Herr Guidato, mit Ihrem Beitrag tun Sie der Achse des Guten keinen Gefallen. Ihr Beitrag liest sich so, wie wenn etablierte Parteien mal wieder vergeblich versuchen gegen neue politische Strömungen anzukämpfen. Nur kämpft bei Ihnen hier die Schulmedizin gegen eine segensreiche Naturheilmedizin. Ihr Beitrag erinnert mich an einen kirchlichen Frühschoppen vor vielen Jahren bei uns am Ort nach dem sonntäglichen Gottesdienst. Es ging damals auch um das Thema Naturheilkunde. Es war auch ein Mitarbeiter eines nahegelegenen großen Pharmaunternehmens dabei. Er bezeichnete Naturheilkunde nur als Teufelswerk und vom Satan gemacht. Wahrscheinlich hatte er Angst um seine hohen Boni am Jahresende. Ich persönlich bin vor 25 Jahren von der Schulmedizin zur Naturheilkunde gewechselt. Diesen Schritt habe ich bis heute nicht bereut, haben mir die Naturheilkunder (Quacksalber nach Ihren Worten) mit einer profunden schulmedizinischen Ausbildung bereits mehrmals mit Homöopathie geholfen, wo die klassische Schulmedizin außer der Verschreibung teurer aber wirkungsloser Medikamente nicht weiter wusste. Grüsse J. Stieler P.S. Gerne schildere ich Ihnen Details in einem persönlichen Gespräch oder per e-mail.
Die Homöopathie erscheint mir wie dem Autor als Humbug, der nicht von den Krankenkassen finanziert werden sollte. Auch die Kritik an naturheilkundlichen, aber industriell hergestellten Präparaten, finde ich berechtigt. Wir sollten aber nicht übersehen, dass zahllose Schulmedikamente auf Heilpflanzen zurückgehen, zum Beispiel Aspirin, auch Penicillin. Der grundsätzlichen Kritik – naturheilkundliche Mittel sind nicht etwa schon deshalb harmlos, weil sie „Natur“ sind – ist zuzustimmen. Man erinnere sich nur kurz daran, dass auch der Knollenblätterpilz „rein pflanzlich“ ist. „Seit die Menschen nicht mehr religiös sind, glauben sie nicht an nichts, sondern an allen möglichen Unsinn.“ (Chesterton, zitiert nach H. Broder) Dem daraus resultierenden Bedürfnis nach etwas, woran man glauben kann, kommt so manch ein Schulmediziner nach und verteilt wider die eigene Überzeugung schon mal Zuckerkügelchen, um den Patienten nicht an den Heilpraktiker zu verlieren. Der Autor übergeht aber, dass so gut wie jede chronische Erkrankung seelisch überlagert wird und die Schulmedizin hier oft hilflos ist. Oder Medikamente verteilt, die Nebenwirkungen haben, welche man dann mit neuen Medikamenten behandelt – oft genug ein Teufelskreis. Ich erinnere mich an eine Oberärztin, die bei Neuzugängen in der inneren Abteilung häufig als erstes alle irgendwie entbehrlichen Medikamente absetzte. Und siehe da, den Patienten ging es besser. Des weiteren erwähnt der Autor nicht, dass körperliche Erkrankungen seelische Ursachen haben können. Schlicht deshalb, weil körperliche Schmerzen besser erträglich sind als seelische. Wer hier nur den Körper behandelt, verursacht eine Symptomverschiebung, die sich endlos fortsetzt. Der Autor blendet außerdem komplett aus, dass Glaube Berge versetzt und das nicht nur bei besonders leichtgläubigen Zeitgenossen. Wenn mich „Neu-Nichtraucher“ nach unterstützender Akupunktur fragen, setze ich Ohrakupunktur ein – ohne selbst daran zu glauben, aber ohne schlechtes Gewissen. Und zwar deshalb: Als ich Radfahren lernte, rannte mein älterer Bruder neben dem Fahrrad her und hielt den Sattel fest (Stützräder gab’s damals noch nicht). Als ich dann wieder abgestiegen war, sagte meine Freundin zu mir: „Der Peter hat schon lange losgelassen und du bist ganz allein weiter gefahren.“ Hätte sie mir zur Unzeit: „er hat losgelassen!“ zugerufen, wäre ich umgekippt. Entsprechend wirken Homöopathie und Akupunktur. Vielleicht sollte der Satz „Wer heilt, hat recht“ modifiziert werden: „Wer es schafft, die Selbstheilungskräfte zu mobilisieren, hat recht.“
Mit den Jahren deutlich lebensweiser geworden kann ich jetzt nach Jahrzehnten gut damit umgehen, wenn sich jüngere Menschen irren, sie wissen es nicht besser. Schlecht akzeptieren kann ich aber nach wie vor, wenn man sich mit etwas angelesenem und selektivem Faktenwissen - und über mehr verfügt man als junger Mediziner(?) nicht - zum Richter aufschwingt. Hinterfragen, kritisieren, da wo Sie es wissen und können auch korrigieren, ja. Aber an ihrem anmaßenden Stil sollten Sie dringend arbeiten, Herr Kollege. Natürlich gibt es viele Auswüchse in der Medizin, keine Frage. Natürlich gibt es eine Reihe obskurer Dinge, die korrigiert gehören, einige werden im Beitrag aufgezählt. Es gibt aber auch eine Dominanz des Wirtschaftlichen, gegenüber begründeten medizinischen Faktoren, die beispielsweise zu unverhältnismäßig vielen operativen Eingriffen führt, die nicht oder nur bedingt indiziert sind. Es gibt etwa die unbegrenzte “Freiverkäuflichkeit” von Medikamentengruppen, wie etwa NSAR, die zu einer großen Zahl irreversibler Nebenwirkungen mit excessiven Kosten führen. Es gibt das “unlogische” System der Finanzierung, in dem zwangsweise Geld von Allen in Form von Beiträgen eingesammelt und anschließend rein privatwirtschaftlich weiterverteilt wird, was natürlich einen gewaltigen Sog im Topf erzeugt, der medizinisch nicht begründbar ist. Mit der Erfahrung von mehr als 40 Jahren als Arzt ließen sich zig Beispiele aufzählen, die die Scharlatanerie in der Medizin belegen, wobei nicht nur Esoteriker, Geistheiler, Hexen und ähnliches anzuführen wären, sondern durchaus auch einige, nicht wenige Entwicklungen der Schulmedizin, die ich in den Jahrzehnten erleben durfte.
Ich gebe dem Autor in vielen Punkten Recht, aber ein bisschen differenzierter muss man die Dinge schon betrachten. Naturheilkunde kann Schulmedizin hie und da durchaus sinnvoll ergänzen, deshalb heißt sie auch Komplementärmedizin. Nehmen Sie Weihrauch, der zum Einsparen (nicht zum Ersatz) von Kortison gegen Hirnödeme eingesetzt wird. Durch diese ergänzende Maßnahme bleiben dem Patienten viele Nebenwirkungen des pharmakologischen Präparats Kortison erspart. Ein guter Schulmediziner weiß solche Dinge richtig zu nutzen. Ansonsten muss man klar sagen : Die meisten Leiden gehen von selbst wieder weg, mit Schulmedizin oder ohne. Und das Hohelied auf die Pharmaindustrie kann ich nicht uneingeschränkt teilen. Alles was, die gegen Erkältung anbieten, können Sie genauso in die Tonne stampfen wie die Mittel der Homöopathie. Der Unterschied zu esoterischen Quacksilbern besteht nur darin, dass Arzneimittel in der Gesellschaft einen größeren Vertrauensvorschuss besitzen. Freiverkäuflich sind die überflüssigen Erkältungsmittelchen aber auch.
Der 30-jährige wohl überwiegend als Forscher tätige Autor hat unter naturwissenschaftlichem Aspekt hinsichtlich belegbarer Wirkung oder Nebenwirkung vermutlich recht. Medizin ist aber nicht nur Naturwissenschaft sondern auch praktische Heil- und Menschenkunde. Natürlich ist eine Krebstherapie mit Homöopathie bei rein rationaler Betrachtung vermutlich Unsinn und ggf auch fahrlässig, falls wirksame Behandlungen unterlassen werden. Allerdings sind Menschen oft wenig rational, Patienten wie Behandler. Und nicht jedes Symptom ist überhaupt körperlich objektivierbar. Bei vielen Zuständen helfen eben auch Zuckerkügelchen, sei es weil Besserung von selbst eintritt oder wegen des Placeboeffektes. Oft ist auch ein Arzt die Droge und das verabreichte Mittelchen mit Bedeutung aufgeladener Aspekt von Beziehung und Hoffnung. Und so mancher Patient, der natürlch wegen Beschwerden zum Arzt geht, dürfte durchaus enttäuscht sein, wenn er diesen ohne Verschreibung verlassen müsste.
Sehr geehrter Herr Dr. Guidato, nun stimme ich Ihnen ja in nahezu allen Punkten zu, bin aber schon sehr darüber irritiert, dass jemand, der sich an der Ruhr-Uni Bochum mit “medizinischer Grundlagenforschung” beschäftigt, fälschlicherweise “Akkupunktur” statt “Akupunktur” schreibt. Mit freundlichen Grüßen Dr. Claudius Böck
Sehr geehrter Herr Guidato, da kämpfen Sie gegen Windmühlenflügel. Es ist umgekehrt: die Leute wählen politische Entscheidungsträger, die für sie die Zuckerkügelchen und Nadeln als Krankenkassenleistung durchbringen und dem “endlich” das Siegel der Seriösität verleihen. Mir scheint, dass sich inzwischen kaum noch ein Arzt dem entziehen kann, will er den Patienten nicht verärgern. Als ich letztens beim Arzt war, waren die Nadeln auch bei ihm im Angebot. Er ließ das Thema aber schnell etwas peinlich berührt fallen, als er merkte, dass ich die Sache so wie Sie sehe (“Pferdepisse”).
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