Gastautor / 04.04.2012 / 22:12 / 0 / Seite ausdrucken

Was gemacht werden muss: Vom Trugbild des geregelten Stuhlgangs

Christoph Spielberger

Mit Erschütterung und großem Bedauern hat Günter Grass die Veröffentlichung seines Textes „Was gesagt werden muss“ http://www.sueddeutsche.de/n5J388/557180/Was-gesagt-werden-muss.html zur Kenntnis genommen. Denn hierbei handele es sich, so Grass, um eine falsche, verworfene Version, die versehentlich publiziert wurde. Grass beteuert, er sei kein Feind Israels. Die richtige Version lautet: Was gemacht werden muss. Grass wollte ursprünglich ein sehr persönliches Thema in das Gewand von Weltpolitik kleiden, dies sei aber misslungen. Grass’ Thesen sind nicht minder kontrovers: er verteidigt seine fortschreitende Inkontinenz gegen das gesellschaftliche Trugbild des geregelten Stuhlganges. Alles Fäkale unkontrolliert und andauernd zu verlieren ist für Grass Gewohnheit gewesen, und es brachte ihm Ansehen, Erfolg, gar Ruhm. Der Verzicht darauf würde für ihn den Untergang bedeuten. Grass bittet seine Fans die folgenden Zeilen, das Original, im Lichte dieser Erschütterung zu lesen.

Zum besseren Vergleich zunächst die fälschlich publizierte Version:

Was gesagt werden muss

Warum schweige ich, verschweige zu lange,
was offensichtlich ist und in Planspielen
geübt wurde, an deren Ende als Überlebende
wir allenfalls Fußnoten sind.
Es ist das behauptete Recht auf den Erstschlag,
der das von einem Maulhelden unterjochte
und zum organisierten Jubel gelenkte
iranische Volk auslöschen könnte,
weil in dessen Machtbereich der Bau
einer Atombombe vermutet wird.
Doch warum untersage ich mir,
jenes andere Land beim Namen zu nennen,
in dem seit Jahren - wenn auch geheimgehalten -
ein wachsend nukleares Potential verfügbar
aber außer Kontrolle, weil keiner Prüfung
zugänglich ist?
Das allgemeine Verschweigen dieses Tatbestandes,
dem sich mein Schweigen untergeordnet hat,
empfinde ich als belastende Lüge
und Zwang, der Strafe in Aussicht stellt,
sobald er mißachtet wird;
das Verdikt ‘Antisemitismus’ ist geläufig.
Jetzt aber, weil aus meinem Land,
das von ureigenen Verbrechen,
die ohne Vergleich sind,
Mal um Mal eingeholt und zur Rede gestellt wird,
wiederum und rein geschäftsmäßig, wenn auch
mit flinker Lippe als Wiedergutmachung deklariert,
ein weiteres U-Boot nach Israel
geliefert werden soll, dessen Spezialität
darin besteht, allesvernichtende Sprengköpfe
dorthin lenken zu können, wo die Existenz
einer einzigen Atombombe unbewiesen ist,
doch als Befürchtung von Beweiskraft sein will,
sage ich, was gesagt werden muß.
Warum aber schwieg ich bislang?
Weil ich meinte, meine Herkunft,
die von nie zu tilgendem Makel behaftet ist,
verbiete, diese Tatsache als ausgesprochene Wahrheit
dem Land Israel, dem ich verbunden bin
und bleiben will, zuzumuten.
Warum sage ich jetzt erst,
gealtert und mit letzter Tinte:
Die Atommacht Israel gefährdet
den ohnehin brüchigen Weltfrieden?
Weil gesagt werden muß,
was schon morgen zu spät sein könnte;
auch weil wir - als Deutsche belastet genug -
Zulieferer eines Verbrechens werden könnten,
das voraussehbar ist, weshalb unsere Mitschuld
durch keine der üblichen Ausreden
zu tilgen wäre.
Und zugegeben: ich schweige nicht mehr,
weil ich der Heuchelei des Westens
überdrüssig bin; zudem ist zu hoffen,
es mögen sich viele vom Schweigen befreien,
den Verursacher der erkennbaren Gefahr
zum Verzicht auf Gewalt auffordern und
gleichfalls darauf bestehen,
daß eine unbehinderte und permanente Kontrolle
des israelischen atomaren Potentials
und der iranischen Atomanlagen
durch eine internationale Instanz
von den Regierungen beider Länder zugelassen wird.
Nur so ist allen, den Israelis und Palästinensern,
mehr noch, allen Menschen, die in dieser
vom Wahn okkupierten Region
dicht bei dicht verfeindet leben
und letztlich auch uns zu helfen.

Nun das Original:

Was gemacht werden muss

Warum schweige ich, verschweige zu lange,
was offensichtlich ist und in Therapiegesprächen
geübt wurde, an deren Ende vom Geheilten
nichts bleibt als ein Furz im Wind.
Es ist der Zwang zu geregeltem Stuhlgang,
der meinen, von einem Maulhelden gelenkten
und dem organisierten Jubel geübten
Entäußerungszwang auslöschen könnte,
weil in meiner Umgebung der Bau
einer Stinkbombe vermutet wird.
Doch warum untersage ich mir,
jenen Bereich meines Körpers beim Namen zu nennen,
in dem seit Jahren - wenn auch geheimgehalten -
ein wachsend fäkales Potential verfügbar
aber außer Kontrolle, weil keiner Prüfung
zugänglich ist?
Das allgemeine Verschweigen dieses Tatbestandes,
dem sich mein Schließmuskel untergeordnet hat,
empfinde ich als belastende Lüge
und Zwang, der Strafe in Aussicht stellt,
sobald er mißachtet wird;
das Verdikt ’Inkontinenz’ ist geläufig.
Jetzt aber, weil in meinem Körper,
der von ureigenen Entleerungen,
die ohne Vergleich sind,
Mal um Mal erprobt und mit Reden garniert, eine,
wie es heißt: gut fürs Geschäft, wenn auch
mit flinker Nadel als Wiedergesundmachung deklariert,
weitere Operation im Analbreich
gemacht werden soll, dessen Spezialität
bisher darin bestand, allesvernichtende Haufen
dorthin machen zu können, wo die Existenz
eines freien Gedankens bewiesen ist,
doch aus Befürchtung vor dessen Beweiskraft
mache ich, was gemacht werden muß.
Warum aber schwieg ich bislang?
Weil ich meinte, meine Gewohnheit,
die von nie zu tilgenden Flecken behaftet ist,
verbiete, diese Tatsache als ausgesprochene Wahrheit
meinem Arzt, dem ich verbunden bin
und bleiben will, zuzumuten.
Warum sage ich jetzt erst,
gealtert und mit letzter Rolle Klopapier:
Der geregelte Stuhlgang gefährdet
meine ohnehin brüchig gewordene Wichtigkeit?
Weil noch mehr gemacht werden muß,
was schon morgen fest geworden sein könnte;
auch weil wir - als Deutsche belastet genug -
Zulieferer einer Verstopfung werden könnten,
die voraussehbar ist, weshalb unsere Mitschuld
durch keine der üblichen Abführmittel
zu tilgen wäre.
Und zugegeben: ich muss noch mehr machen,
weil ich der Heuchelei der Schulmedizin
überdrüssig bin; zudem ist zu hoffen,
es mögen sich viele vom Kot befreien,
dem Verursacher aller Gefahr
zum Verzicht auf Stuhlgewalt auffordern und
gleichfalls darauf bestehen,
daß eine unbehinderte und permanente Kontrolle
des medizinischen Personals
und der innerstädtischen Toilettenanlagen
durch eine von mir berufene Instanz
von den Regierungen aller Länder zugelassen wird.
Nur so ist allen, den Urin- und Kotliebhabern,
mehr noch, allen Menschen, die in dieser
vom Wahn okkupierten Region des Körpers
undicht und als Dichter leben müssen
- also letztlich mir - zu helfen.

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