Als ich vor knapp drei Jahren nach England gezogen bin, brauchte ich für die Einrichtung der Wohnung noch einige Möbelstücke: ein Bücherregal, einen kleinen Tisch und ein paar Stühle. So führte mich der Weg zu einem Londoner IKEA-Markt, der sich in nichts von einer deutschen Filiale zu unterscheiden schien. Auch in England muss man auf dem Weg zu dem nützlichen Kleinkram, den man bei IKEA kurz vor den Kassen findet, durch die Abteilungen für Küchen, Kinderzimmer und Wohnzimmer laufen. Auch gibt es exakt dasselbe Menü im IKEA-Restaurant mit Lachs und Köttbullar an Preiselbeerkompott. Aber etwas schien mir dann doch merkwürdig, denn so billig, wie ich IKEA in Erinnerung hatte, kamen mir die Preise dann doch nicht vor.
Ich nahm also einen IKEA-Katalog mit nach Hause und rief meine Freundin Jenny an. Jenny ist nicht nur ein großer Fan von IKEA, sie lernt seit neuestem sogar Schwedisch (als ob man sich mit Björkudden, Fjörby oder Granås unterhalten könnte). Vor allem aber wohnt Jenny nicht in England, sondern in Dortmund. Also bat ich sie, einmal den deutschen IKEA-Katalog aus ihrem Billy-Regal zu nehmen und für mich durchzublättern, während ich dasselbe mit der englischen Version in London tat. Es war verblüffend. Die Kataloge stimmten in fast allem überein: dieselben Produkte, dieselben Bilder, nur die Beschriftung war natürlich in unterschiedlichen Sprachen. Und die britischen Preise waren in der Tat viel höher. Es wäre für mich wahrscheinlich billiger gewesen, das ganze IKEA-Zeug in Deutschland zu kaufen und dann mit dem Umzugsdienst nach England zu schaffen.
Fast forward. Als wir vor einigen Monaten bei Policy Exchange einen neuen Bericht zur britischen Raumplanung schrieben, suchten mein Koautor Alan W. Evans und ich nach prägnanten Indizien für unsere These, dass sich die im internationalen Vergleich hohen britischen Landpreise unter anderem auch in einem hohen Preisniveau bei Konsumgütern widerspiegeln. Und da fielen mir plötzlich Köttbullar und Billy-Regale ein.
Heureka! IKEA! Von IKEA weiß man schließlich, dass sie inzwischen einen großen Teil ihrer Möbel in Asien fertigen lassen. Es sollte also, zumindest was die Transportkosten betrifft, keinen großen Unterschied machen, ob sie ihre Waren in Deutschland, Frankreich oder eben Großbritannien verkaufen. Auch die Unterschiede bei den Lohnniveaus in diesen Ländern sind nicht so groß (und würden wahrscheinlich im Zweifelsfall gegen Deutschland sprechen). Also beauftragten wir einen Mitarbeiter, sich die internationalen IKEA-Kataloge einmal genauer anzusehen. Praktischerweise sind diese inzwischen alle im Internet verfügbar, so dass wir gar nicht mehr unsere Freunde im Ausland belästigen mussten.
Das Ergebnis der Untersuchung war ganz erstaunlich. Um nur einmal ein besonders krasses Beispiel zu nennen: Die FAKTUM Einbauküche “Tidaholm” (Front in Eiche, ohne Elektrogeräte) kostet laut deutschem Katalog (Seite 19) 1.515 Euro, das entspricht etwa 998 Pfund. Exakt die gleiche Küche gibt es auch im englischen IKEA-Katalog, ebenfalls auf Seite 19: “Tidaholm” solid oak, oak veneer kitchen - 1.635 Pfund. Das heißt, dass englische Verbraucher über 60 Prozent mehr für ein absolut identisches Produkt bezahlen müssen.
Wenn man bedenkt, dass Land für kommerzielle Zwecke in England (außerhalb Londons) durchschnittlich 779.000 Pfund pro Hektar kostet (in London sogar über 2,1 Millionen Pfund), der Durchschnittspreis für Land in Deutschland jedoch nur bei etwa 400.000 Pfund liegt, dann liegt nahe, dass sich die hohen Landkosten am Ende in den Preisen wiederfinden. Und dies könnte zumindest einen Teil der Preisdifferenz zwischen IKEA Deutschland und IKEA England erklären.
Selbstverständlich war IKEA nicht bereit, uns zu diesem Thema Auskunft zu geben, wofür man natürlich Verständnis haben muss. Wer legt schon gerne seine Preispolitik offen? Allerdings haben sie heute Stellung genommen, und zwar in der Times. Wir hatten nämlich eine (etwas gemeine) Presseerklärung herausgegeben, in der wir sagten, dass englische Verbraucher zu hohe Preise bei IKEA bezahlen müssen ... wofür IKEA im Prinzip nicht verantwortlich ist, sondern das Raumplanungssystem, das Land künstlich knapp gehalten hat. Eine IKEA-Sprecherin stellte daraufhin fest: “Planning, availability and the cost of land are some but not all the contributory factors in prices in the UK.” Eben. Genau das haben wir in unserem Bericht gesagt.
So schafft man es mit einem sperrigen, drögen Thema wie der Raumplanung dann doch manchmal, Aufmerksamkeit zu erregen. Und ich freue mich nun schon auf meine neue Rolle als IKEA-Preisexperte von Policy Exchange.