Hannes Stein / 06.02.2012 / 17:34 / 0 / Seite ausdrucken

Warum ich für die These von der menschgemachten Klimakatastrophe bin

Wie ich aus der Ferne mitbekomme, kippt in Deutschland gerade die Klimadebatte auf die andere Seite. (Siehe hier, hier, hier, hier und hier.) Ich finde das äußerst bedenklich. Mir wäre lieber, das Dogma vom menschgemachten Treibhauseffekt bliebe felsenfest stehen. Warum?

Kurz gesagt: Weil ich—trotz Fukushima, zum Teil aber auch wegen Fukushima—für die Kernenergie bin. (Trotz Fukushima: weil dies eine Katastrophe war, die besser nicht passiert wäre. Wegen Fukushima: die Zahl der Todesopfer aufgrund des Atomunfalls steht weiterhin bei einer runden schwarzen Null.) Mir kommt es so vor, als sei Atomenergie sauber, effizient und sicher. Gewiss nicht hundertprozentig sauber; nicht hundertprozentig effizient; nicht hundertprozentig sicher—was ist das schon?—, aber doch vergleichsweise sauber etc. pp.

Staudämme, nur so zum Beispiel, sind ein brutaler Eingriff in die Ökologie, außerdem verlieren bei jedem Staudammbau hunderte, manchmal tausende Menschen ihre Heimat; und dabei habe ich noch nicht darüber gesprochen, was passiert, wenn so ein Ding birst. Und dann begnügen sich Staudämme immer noch mit der alten, dummen, langsamen Umwandlung von mechanischer in elektrische Energie im Verhältnis 1 zu 1, während ein AKW die Sache locker mit Hilfe von ein paar Gramm Uran erledigt.

Nur so nebenbei: In diesem Punkt bin ich kein Wirtschaftsliberaler. Zu den Aufgaben des Staates gehört, denke ich, die Bereitstellung einer Infrastruktur, und Teil einer ordentlichen Infrastruktur ist im 21. Jahrhundert: Energieversorgung. Dass die Atomwirtschaft auf (enorme) staatliche Zuschüsse angewiesen ist (deswegen funktioniert sie im etatistischen Frankreich so gut), macht sie in meinen Augen also nicht unattraktiv. Schließlich müssen auch Staudämme etc. von der öffentlichen Hand bezahlt werden.

Das Verbrennen von Erdöl, Kohle, Erdgas zwecks Energiegewinnung kommt mir wie etwas aus dem tiefsten 19. Jahrhundert vor. Ich verstehe absolut nicht, warum wir mit diesem Quatsch weitermachen. Außerdem will ich so wenig wie möglich von den Irren in Venezuela, Saudi-Arabien und Russland abhängig sein.

Das beste Argument zugunsten der Atomenergie ist aber nun einmal: die drohende Klimakatastrophe. (Immer wieder schön: dieses Video von Stewart Brand.) Denn wenn aufgrund der Verbrennung von Öl, Kohle, Gas—um von rülpsenden Kühen für diesmal zu schweigen—der weltweite Kollaps bevorsteht, gibt es ja nur diese realistische Alternative: Baut zwei, drei, viele AKWs! Sonnenenergie ist auch was Schönes, aber sie reicht lange nicht aus, um den Bedarf von Industriestaaten zu decken. Und ich denke zwar, dass ich noch erleben werde, wie der erste Fusionsreaktor ans Netz geht—aber das hängt vor allem damit zusammen, dass ich mir vorgenommen habe, sehr lang zu leben.

Wenn die Leute nun aufhören, an den menschgemachten Treibhauseffekt zu glauben, geht das schönste Argument für die Atomkraft flöten. Das fände ich schade. Es könnte im Effekt bedeuten, dass wir noch einmal 100 Jahre auf dem falschen Weg weitermarschieren. Anders formuliert: Es gibt Irrtümer, die für die Menschheit günstige Folgen haben; der Irrtum über die Klimakatastrophe gehört meiner Ansicht nach dazu.

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