Unlängst saß Günter Wallraff, der Meister der verdeckten Vereinfachung, wieder einmal an einem dieser öffentlichen Orte der Schamlosigkeit, die man heutzutage irrführend Talk-Show nennt. Auf die Spontan-Frage der Moderation, wie er denn die fünfziger Jahre erlebt habe, antwortete er knapp: „Als Mief!“
Mief? Wir haben uns erlaubt eine Shortlist zusammenzustellen:…
1951 Simone de Beauvoir, Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau (Rowohlt, Hamburg)
1952 Unterzeichnung des Israel-Vertrags („Wiedergutmachungsabkommen“) in Luxemburg
1953 Wolfgang Koeppen, Das Treibhaus (Der erste große politische Roman der Bundesrepublik)
1954 Weltmeister
1955 Erste documenta in Kassel
1956 Günther Anders, Die Antiquiertheit des Menschen
1957 Hans Werner Henze, Nachtstücke und Arien nach Gedichten von Ingeborg Bachmann für Sopran und Orchester. Uraufführung bei den Donaueschinger Musiktagen
1958 Die Ludwigsburger Zentrale Stelle zur juristischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus wird eingerichtet
1959 Rosen für den Staatsanwalt. Filmsatire von Wolfgang Staudte über einen Juristen mit NS-Vergangenheit
1960 Paul Celan erhält den Büchner-Preis
(„Der Prozess der Geschichte ist ein Verbrennen“, lautet das Motto von Koeppens „Treibhaus“. Der Satz stammt von Novalis.)