Unsere letzten Kernkraftwerke werden abgeschaltet, In Schweden wurde einst zwar der Atomausstieg beschlossen, aber die Kraftwerke blieben am Netz. Und jetzt denkt man an einen Ausbau der Kernenergie.
Schon lange, bevor Greta Thunberg geboren wurde, war Schweden ein Land, das ökologisch vorbildlich aufgestellt war. In der EU gilt Schweden als Vorkämpfer der Energiewende. Sehr oft wird Schweden den Deutschen als Vorbild empfohlen, wobei auf den 80-prozentigen Anteil der Erneuerbaren an der Stromproduktion verwiesen und vom schwedischen Atomausstieg gefaselt wird.
Kann Schweden für Deutschland wirklich ein Vorbild sein? Dazu muss man sich den schwedischen Strommix und die politischen Konstellationen einmal genauer ansehen. Schweden erzeugt seinen Strom mit 13 Gramm CO2 pro Kilowattstunde preiswert (18 Cent/kWh) und überaus klimafreundlich. Deutschland zum Beispiel bläst für die gleiche Leistung 406 Gramm CO2 in die Luft, hat aber dafür exorbitante Preise (31 Cent/kWh).
Was ist der Grund für dieses energetisch-ökonomische Wunder? Der Löwenanteil von Schwedens erneuerbarer Energie kommt aus Wasserkraft – über 41 Prozent des schwedischen Stroms. Dazu kommen 30 Prozent CO2-freie Kernenergie und 10 Prozent Wind.
41 Prozent Wasserkraft sind sehr viel, aber diese Energiequelle ist in Schweden, geografisch bedingt, wie in Deutschland (Wasserkraft-Anteil 3,5 Prozent), kaum noch ausbaubar.
Obwohl die Schweden schon 2010 aus der Kernenergie aussteigen wollten, sind in Schweden sechs Kernkraftwerke in Betrieb und erzeugen über 30 Prozent des schwedischen Stroms. Die Einstellung der schwedischen Bevölkerung zur Kernenergie hat sich in den letzten Jahren stark geändert, über 60 Prozent der Schweden sind heute „pro Atomkraft“ eingestellt. Daher haben die schwedischen Kernkraftwerke auch unbegrenzte Laufzeitverlängerungen bekommen.
Zum schwedischen Strommix trägt die Windenergie mit etwa 11 Prozent bei. Ganze 5 Prozent kommen aus thermischen Kraftwerken. Solarenergie spielt in Schweden verständlicherweise kaum eine Rolle.
Lieber ein Kernkraftwerk als Windräder
Nun müssen die deutschen Anti-Atom-Politiker Robert Habeck, Sven Giegold und ihre Gesinnungsgenossen aber ganz gefasst sein. Ihre Reihen bröckeln. Dieser Tage berichtete SVT Nyheter: „Energiministern öppnar för ny kärnkraft“ (Energieminister öffnet sich für die neue Kernkraft). Schwedens neuer Energieminister Khashayar Farmanbar sagt in einem Interview mit dem Svenska Dagbladet, dass die Kernenergie in Schweden noch lange eine wichtige Rolle spielen wird und dass sie nicht vorzeitig abgeschaltet wird.
Nach Ansicht von Khashayar Farmanbar ist der Bau neuer Kernreaktoren in Schweden sinnvoll. Er sagte in Richtung der Wirtschaftsunternehmen: „Ich habe deutlich gemacht, dass es bereits drei vorbereitete Standorte gibt, wenn jemand heute in neue Kernkraftwerke investieren will". Es handelt sich um Standorte, an denen schon heute Reaktoren stehen. Es gibt dort bereits Stromleitungen, und es besteht kein wirtschaftlicher oder steuerlicher Unterschied zwischen Investitionen in Kernenergie oder Windkraft. Es gibt auch keinen rechtlichen Unterschied.
„Ich würde sagen, dass das politische Risiko bei der Kernenergie geringer ist als bei der Windenergie, wo jede Gemeinde Nein sagen kann", sagt Farmanbar gegenüber Svenska Dagbladet.
Um das zu verstehen, muss man wissen, dass Strom nur einen Anteil von 25 Prozent am Primärenergieverbrauch eines Landes hat. Schwedens Primärenergie soll aber bis 2045 frei von fossilen Brennstoffen sein. Ein großer Teil der Energie, die derzeit aus Benzin und Diesel gewonnen wird, muss dann mittels CO2-freien Stroms umgewandelt werden, was zu einem massiven Mehrverbrauch an Elektroenergie führen würde. Gleichzeitig werden die heute in Betrieb befindlichen Kernreaktoren zu diesem Zeitpunkt fast 60 Jahre alt sein und in die Jahre kommen. Khashayar Farmanbar eröffnet daher die Option, neue Reaktoren zu bauen.
Viele neue Kernreaktoren, die derzeit entwickelt werden, sind kleiner als die heute in Betrieb befindlichen, es handelt sich um kleine modulare Reaktoren (SMR).
Zukunft für neue Reaktoren
Nach den derzeitigen Rechtsvorschriften in Schweden kann jedoch nur ein neues Kernkraftwerk als Ersatz für jedes alte, das abgeschaltet wird, gebaut werden. Auf die Frage, ob die Gesetzgebung geändert werden muss, um den Bau weiterer neuer Reaktoren zu ermöglichen, antwortet Khashayar Farmanbar, er wolle zunächst prüfen, wer bereit ist, in den neuen Typ kleiner Kernreaktoren zu investieren. Selbst Ministerpräsidentin Magdalena Andersson hat in einer Anhörung im Parlament Anfang Dezember erklärt, dass es den Betreibern freisteht, in Schweden Kernkraftwerke zu bauen. Bei der Anhörung wurde sie unter anderem vom Vorsitzenden der Moderaten Sammlungspartei Ulf Kristersson unter Druck gesetzt, der den Weg für einen Ausbau der Kernenergie ebnen will.
In einem Interview in der SVT-Sendung "30 Minuten" hat der führende schwedische Wirtschaftsboss Jacob Wallenberg bereits gesagt, dass er einen Bedarf an schwedischer Kernenergie sieht und bereit ist, in Zukunft neue Reaktoren mitzufinanzieren, wenn die Politiker in dieser Frage am gleichen Strang ziehen.
Der deutschen Politik, besonders den werten Herren Habeck und Giegold, möchte ich zwei Binsenweisheiten mit auf den Weg ihrer Erkenntnis geben:
„Geisterfahrer ist immer der, dem alle anderen entgegen kommen“.
„Der Kluge unterscheidet sich vom Dummen dadurch, dass er jeden Fehler nur einmal macht“.
Darauf einen guten Rutsch ins neue Energiejahr 2022, ohne Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen.