Ulli Kulke / 26.10.2013 / 20:24 / 1 / Seite ausdrucken

Versinkt Kiribati?

Ganz bestimmte Fragen in der Klimadebatte sind ganz besonders umstritten. Die Argumente sind von beiden Seiten bekannt, werden wie Bälle hin und her geschoben. Zum Beispiel beim Meereis. In der Arktis hat es sich in den letzten Jahrzehnten zurückgezogen, in der Antarktis nicht, da ging es eher in die Gegenrichtung. Niemand würde ernsthaft behaupten, dass die Eisfläche rund um den Nordpol in den letzten 30 Jahren kontinuierlich gewachsen sei (was davor passierte, ist weitgehend unbekannt, aber darum soll es hier nicht gehen).

Die Symbole, die Reizworte sind bekannt: Eisbären, Gletscher, trockene Böden, Waldbrände, Extremwetter, aber auch Erwärmungspause, Climategate, der Flop der Hockeyschlägerkurve, falscher Alarm im Himalaja und so weiter und so weiter.

Und dann kommt immer wieder der Meeresspiegelanstieg ins Spiel. Am liebsten wird er mit untergehenden Südseeinseln bebildert, und dabei taucht dann immer wieder ein Land auf, das ganz besonders gefährdet sei: Kiribati, weit abgelegen irgendwo zwischen Neuguinea und Hawaii, besonders flaches Land, Inseln, die kaum höher als zwei Meter aus dem Pazifik herausragen.

Jetzt wieder, heute in der Süddeutschen Zeitung auf der Titelseite ein längerer Beitrag: Ein Mann aus Kiribati, der viele Jahre mit seiner Familie in Neuseeland lebte, wo seine drei Kinder geboren wurden, will nicht wieder zurück, obwohl seine Aufenthaltserlaubnis abgelaufen ist. Er beantragt für sich und seine Lieben Asyl. Die Begründung: Er könne nicht mehr in Kiribati leben, weil die Inseln untergingen.

Ein Klimaflüchtling beantragt Asyl, „Verfolgt von der Natur“ titelt die Süddeutsche Zeitung, eine Natur, die sich nun offenbar endlich mal rächt, nur an den Falschen. Ein gefundenes Fressen für das Blatt und viele andere vor allem im englischsprachigen Raum, die allesamt sehnsuchtsvoll neue Marksteine im Klimawandel und seinen Folgen suchen, neue Etappen, neue Qualitäten, neue Stufen in der Dramatik. Kiribati, natürlich, das hört sich sowieso an wie Atlantis und die Titanic zusammen. Immer wieder Kiribati, weltweit einschlägig bekannt.

Es ist schon frappierend, wie ausgerechnet ein solcher Inselstaat für den Untergang in den Medien herhalten muss, für den die Wissenschaft genau das Gegenteil ermittelt hat: Die Fläche einer ganzen Reihe von Südseeinseln ist in den letzten sechs Jahrzehnten sehr deutlich größer geworden, und dies gilt ganz besonders für Kiribati, und da nochmal noch „besonderer“ für Tarawa, ein Atoll-Abschnitt, von dem ein Haus jetzt in einigen Blättern in Szene gesetzt wird, weil es so pittoresk nahe am Wasser steht. Leider ist in den Berichten nirgendwo erwähnt, von welchem Atoll Kiribatis der Kläger, Ioane Teitiota, stammt. Womöglich spielt dies auch keine Rolle, weil die Familie sowieso viele Jahre schon in Neuseeland lebt. Tatsache bleibt dennoch, dass die Atollinseln jenes Staates nicht im Meer versinken sondern ganz im Gegenteil wachsen.

Ich gönne der Familie Teitiota ein Leben in ihrer Wahlheimat, wo sie ja offenbar schon länger arbeitet. Was aber nicht angeht, ist, den Fall für den Beweis von Klimawandel und Klimafolgen in Szene zu setzen. Ohnehin zeichnet sich nirgends ab (nicht mal in Bangladesch), dass der Meeresspiegelanstieg bereits größeren Landraub begangen hat, abgesehen von der Versalzung des Trinkwassers, das allerdings auch seit Jahrhunderten registriert und berichtet wird. Es stellt sich aber doch sehr deutlich die Frage, warum als Symbol für den Weltuntergang immer wieder ein Inselstaat herhalten muss, der ganz und gar nicht untergehen will sondern eher aus den Fluten emporsteigt. Und warum man sich nicht wenigstens einen Inselstaat bei dieser Diskussion heraussucht, von dem zumindest nicht erwiesen ist, dass seine Inseln in den letzten Jahrzehnten größer geworden sind. Eine Antwort fiele mir ein: Es interessiert einfach niemand, jeder betet das nach, was sich ihm als Untergangsszenario anbietet. Fragen? Wieso? Wer will denn etwas anderes hören, wir sind uns doch einig.

Seit dem Kriegsende stellt sich das Migrationsproblem im pazifischen Raum. Polynesier und Mikronesier wollen nach Australien und Neuseeland ziehen. Der Grund: Ein äußerst starkes Bevölkerungswachstum auf den kleinen Inseln, und der daraus resultierende Rückgang der Ressourcen, Verknappung des landwirtschaftlichen Bodens. Insbesondere das Trinkwasser wird knapp. Die kargen Böden der Atolle geben – ganz im Gegensatz zu unserem romantischen Südseebild – nicht genug her, die Tragfähigkeit der kleinen, sehr, sehr schmalen Landstreifen ist überreizt. Das hat mit Klimawandel und Meeresspiegelanstieg nichts zu tun, jedenfalls noch nicht und es zeichnet sich auch wenig ab in dieser Richtung, was wirklich handfest zu belegen wäre.

Es geht um Geld, um Hilfspakete, um Land in Australien und Neuseeland. Deshalb hat sich die AOSIS (Alliance of Small Island States) gegründet, um berechtigterweise für ihre drängenden Interessen bei internationalen Konferenzen zu werben. Aus ihrer Sicht auch verständlich, dass sie das Klima ins Spiel bringen, weil dieses Argument mehr Hilfsgelder locker machen könnte. Unlauter ist es aber, dass all das hierzulande wiederum als Beweis für den dramatischen Meeresspiegelanstieg herangezogen wird, unhinterfragt.

Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes Blog bei der WELT

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Tino Naake / 27.10.2013

Sehr geehrter Herr Kulke, zu dieser Problematik sah ich letztens auch den bisher letzten Teil (auf Youtube), Teil 7 oder 8 glaube ich, der Serie : Zehn unbequeme Wahrheiten über Schellnhuber. Darin wurde genau dieses Thema- Kiribati-  detailliert betrachtet. Sehr interessant waren die Hintergründe (Erdschollenbewegung und ausgelöste Erdbeben) des teilweise Meeresspiegelanstieges dort. Danke zudem an Sie für die immer recht genauen und aktuellen Fakten zum Thema Klimawandel. Und noch eine Frage in eigener Sache: Wo kann man den letzten IPCC Sachstandsbericht in Kurzform nachlesen? Gibt es eine Kurzfassung dazu? Mit freundlichen Grüßen T. Naake

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Ulli Kulke / 30.11.2023 / 12:00 / 45

Beim Thema Klimawandel kühlen Kopf bewahren

Heute beginnt die Weltklimakonferenz in Dubai. Ein guter Anlass, das Buch „Der Mensch-Klima-Komplex“ vorzustellen. Der Autor Hans von Storch ist Insider, hat selbst an Berichten des UN-Klimarates IPCC…/ mehr

Ulli Kulke / 24.04.2023 / 06:00 / 163

Die doppelte Berlin-Blockade – eine bizarre Koinzidenz

Ausgerechnet nur wenige Wochen vorm großen Jahrestag 75 Jahre Berlin-Blockade, mitten in der Vorbereitung dazu, will die „Letzte Generation“ Berlin erneut rundum blockieren. Komplett lahmlegen,…/ mehr

Ulli Kulke / 20.07.2021 / 06:20 / 162

Die unbeantwortete Frage aller Klimafragen

Wie hoch ist eigentlich der menschengemachte Anteil an der Klimaerwärmung? 99 Prozent? 80 Prozent? Die Hälfte, nur ein oder eher zwei Drittel? Keiner weiß es.…/ mehr

Ulli Kulke / 10.02.2021 / 06:00 / 98

Klima: „Langjähriges Mittel” jetzt kürzer!

Die Klima-Angst geht um. Nein, nicht in der Weise, dass die veröffentlichten Temperaturdaten noch schneller in die Höhe schnellen. Im Gegenteil. Die Gefahr heute: Gewisse,…/ mehr

Ulli Kulke / 08.07.2020 / 06:00 / 164

Kulkes Nachhilfe: Der Mohren-Komplex

Eine Nicht-Debatte nimmt ihren Lauf, gewinnt langsam an Schärfe. Und das Ende ist absehbar: Die Mohrenstraße im Zentrum Berlins wird einen anderen Namen bekommen. Die…/ mehr

Ulli Kulke / 19.12.2019 / 06:25 / 101

Inseln versenken mit Claudia Roth

Stell dir vor: Der Sahel ergrünt und die Pazifik-Inseln wachsen. Und keiner geht hin und guckt mal nach. Was haben Claudia Roth und Claas Relotius…/ mehr

Ulli Kulke / 08.03.2019 / 06:25 / 34

Wo das Frauenwahlrecht erfunden wurde

Der 8. März in diesem Jahr ist ein ganz besonderer 8. März. Zum einen, weil er, der „Internationale Frauentag“, nun erstmals als offizieller Feiertag gilt,…/ mehr

Ulli Kulke / 27.01.2019 / 06:27 / 61

Klima: Mit Relotius unter dem Meeresspiegel

Zwanzig Jahre ist es inzwischen her, dass der WWF Deutschland mich bat, für ein voluminöses Coffeetable-Buch („Zu neuen Ufern“) einen langen Essay über die untergehenden…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com