Karim Dabbouz / 15.03.2022 / 14:00 / Foto: Seth Lemmons / 18 / Seite ausdrucken

Unser Mediensystem: Urteilen statt Debattieren (2)

Die Komplexität unseres modernen Mediensystems verführt Journalisten und Leser mehr und mehr dazu, in einfache Gut-Böse-Schemata zu verfallen – statt wirklich zu argumentieren.

Auch Faktenchecks sind ein gutes Beispiel dafür, wie Inhalte aus sozialen Medien in etablierten Medien als Information behandelt werden. Offensichtlich sind die Faktenchecks dabei selbst bereits Selektion, denn irgendwie müssen die Faktenchecker entscheiden, zu welchen Aussagen, Argumenten, Themen und Behauptungen sich ein Faktencheck aus ihrer Sicht lohnt und zu welchen nicht.

Hier zeigt sich etwas Interessantes, denn offenbar ist Information nicht gleich Information. Eine Information kann auch eine Falschinformation sein, eine irreführende Behauptung oder eine umstrittene These. Vor allem kann Information für das Mediensystem störend sein, sodass es Strategien braucht, um mit den Inhalten, die sich durch neue Technologien dem Mediensystem aufdrängen, zurechtzukommen. Entscheidend ist, dass es diese Information offenbar nicht einfach ignorieren kann.

Darüber hinaus stehen auch Journalisten und Medien im modernen Mediensystem unter ständigem Druck durch Beobachtung, denn auch sie sind abwechselnd Zuschauer, Empfänger und Produzenten. Alles, was sie sagen (oder nicht sagen), kann direkt rezipiert werden und ist dann im Gegensatz zum klassischen Leserbrief für alle anderen einsehbar. Man denke zum Beispiel an den Vorwurf, dass Zeitung A zu Thema B nicht ausreichend berichtet oder dass Journalist Bob etwas vermeintlich Falsches sagt und Journalistin Alice das als klare politische Positionierung auffasst. Man kann sagen, der Journalismus steht heute unter größerer Kontrolle. Er muss präziser sein, kann nicht mehr so einfach nur mit systeminternem Sinn arbeiten, sondern muss seine Inhalte noch mehr als sonst einem Realitätscheck unterziehen. Er muss besser zuhören, mehr wissen, mit unterschiedlichen Experten sprechen, auf die Zuschauer hören, darf sich nicht im Ton vergreifen und so weiter. Das ist Druck.

Das Ordnen von Debatten ist Reaktion auf Komplexität

Wie eingangs erläutert, benötigt eine funktionierende Debatte nicht viel. Nur ein Thema, eine Frage sowie Argumente, mit denen sich die Frage beantworten lässt. Die Debatte braucht außerdem eine Verankerung in der Realität, also in der Welt, wie sie außerhalb der Debatte tatsächlich ist und funktioniert. Je lockerer diese Verankerung im Fundament der Dinge an sich steckt, desto schwieriger wird die Debatte. Sie hat dann keinen Halt, gegen den sie die Argumente prüfen kann. Deshalb ist es so schwierig, über Weltanschauungen oder Glauben zu debattieren.

Faktenchecks zeigen aber gut, dass das Mediensystem auch ungültige Argumente nicht einfach ignoriert, sondern bereitwillig annimmt und verarbeitet. Es investiert dann viel Energie in ein Unterfangen, das Information ordnet. An die Codierung Information/Nichtinformation schließt also ein weiterer Prozess an: ein Ordnungsunterfangen unter Zuhilfenahme von Deutungen. Dieser Prozess ist nicht auf Faktenchecks beschränkt, sondern findet im gesamten modernen Mediensystem statt. Ein gutes Beispiel liefert die Berichterstattung über die private Seenotrettung durch NGOs im Mittelmeer. Wir haben es hier mit einer Frage in der Migrationsdebatte zu tun, die auf einem drängenden Problem fußt, nämlich dass seit 2016 bei der Überfahrt über das Mittelmeer mehr als 14.000 Menschen ertrunken sind.

Eines der prominentesten Argumente gegen diese Arbeit der NGOs lautet wie folgt: Die Anwesenheit von Rettungsschiffen im Mittelmeer sorgt dafür, dass mehr Menschen die unsichere Überfahrt und damit den Tod riskieren. Das Argument stützt sich natürlich auf eine Prämisse, die lautet: Die private Seenotrettung hat einen Pull-Effekt. Genau hier ließe sich das Argument angreifen. Um das Argument zu entkräften und damit den Standpunkt pro Seenotrettung zu stärken, bräuchte man nur die Prämisse zu widerlegen. Journalismus kann das leisten oder zumindest weitere Fragen stellen.

Entscheidend ist, dass dieses Argument haltungsagnostisch ist. Es steht nicht eindeutig für eine bestimmte Position in der Migrationsdebatte, also pro Migration oder contra Migration. Im Mediensystem wird es aber so behandelt. 2018 veröffentlichte die Zeit einen Artikel, in dem ein Pro und Contra der privaten Seenotrettung gegenübergestellt wurden. Kurz darauf entschuldigte sich die Redaktion für den Beitrag – wohl auch, weil es in Folge des Artikels zu großer Empörung gekommen war. Statt das Argument zu entkräften, reagierten viele Journalisten sowie andere Nutzer in sozialen Netzwerken mit Empörung. Statt also tatsächlich zu debattieren, wurde das Argument einer vermeintlichen Haltung zugeordnet. Die Autorin des Artikels müsse migrationsfeindlich sein oder billige den Tod von unschuldigen Menschen. So als sei das Äußern von Argumenten an sich ein eindeutiger Beweis dafür, auf welcher Seite jemand steht.

Ein anderes Beispiel finden wir in der Klimadebatte. Hier stellt sich die Frage, wie die Energieversorgung aus erneuerbaren Energiequellen in Zukunft sichergestellt werden soll, wenn diese Energiequellen abhängig vom Wetter sind und somit schwanken. Der Antwort auf diese Frage ließe sich journalistisch mit weiteren naturwissenschaftlichen und technischen Fragen näherkommen. Eine solche Debatte findet aber kaum statt. Dass es in der Klimadebatte überhaupt eine große Reihe an naturwissenschaftlichen und technischen Fragen zu beantworten gibt, das Thema also äußerst komplex ist, das spiegelt das Mediensystem nicht wider. Stattdessen werden Argumente, die der Debatte zuträglich sind, geordnet und zwar wieder in ein binäres Schema: pro oder contra Klimaschutz.

Sandbox für journalistisch-aktivistisches Wunschdenken

Dieses Ordnungsunterfangen im Mediensystem ist der Versuch, Informationen zu verarbeiten, die störend wirken. Der Prozess verläuft dabei nicht auf der Ebene der Debatte, also mit Argumenten, die sich in der Realität bewähren, sondern auf der Metaebene. Er nutzt Zuordnungen der Form: Aussage A ist gleichbedeutend mit Haltung H. Auf diese Weise kommen auch journalistische Kommentare zustande, deren Argumentation hinausläuft auf die Form: „Aussage A offenbart Haltung H und ist somit abzulehnen.“ Es erklärt außerdem, wie es sein kann, dass im Journalismus mit Begriffen wie „Klimaleugner“ oder „Coronakritiker“ gearbeitet wird:

Die Debatte verlässt den Boden der Realität und verlagert sich auf die Metaebene, die geprägt ist von Form-, Gefühls- und Haltungsfragen. Wichtig ist hier nicht, ob ein Argument eine Frage beantworten kann, sondern wo dieses Argument zu verorten ist, wie es geäußert wird, von wem es (sonst noch) geäußert wird oder aus welchen angeblichen Gründen es geäußert wird. Argumente sind nicht einfach, sondern sie sind, was sie angeblich bedeuten.

Wir beobachten hier etwas, das der Kommunikationswissenschaftler Stefan Weber als Autopoietisierung des Journalismus bezeichnet, womit der Kreis zur Luhmannschen Systemtheorie wieder geschlossen wäre: Journalismus reproduziert sich selbst, indem er sich zunehmend auf sich selbst bezieht, statt sich mit der Welt da draußen zu befassen. Journalisten schreiben über Journalisten, YouTuber sprechen über Politiker, Politiker twittern über Journalisten, woraufhin Journalisten wieder über twitternde Politiker schreiben oder über Journalisten, die ebenfalls über Politiker schreiben, dabei aber die falschen Worte benutzen.

All das findet statt in einem modernen Mediensystem, das klarzukommen versucht mit Komplexität und Informationen, die störend wirken, da sie an Bekanntes anschließen wollen, aber irgendwie nicht so recht zum Bekannten passen. Möglicherweise erklärt dieser Selbstbezug des Journalismus auch, weshalb so viele Menschen den Eindruck haben, der Journalismus würde lügen oder falsch informieren: Da er sich ständig auf sich selbst bezieht und große Teile der Welt außen vor lässt, erscheint er Zuschauern als Sandbox für journalistisch-aktivistisches Wunschdenken, das mit der Lebensrealität „draußen“ kaum etwas zu tun hat. Und weil diese Zuschauer sich das nicht gefallen lassen, kommentieren sie sich online in Rage, werden damit selbst zu Medienproduzenten, über die sich der Journalismus selbst dann wieder ereifern kann.

Fazit

Es zeichnen sich drei Entwicklungen ab:

  1. Das moderne Mediensystem ist so vielfältig wie noch nie. Es ist kein abgeschottetes System, sondern durchlässig. Wir alle können Teilnehmer sein und zwar als stille Zuschauer oder aber als produzierende Rezipienten, auf deren Informationen sich klassische Medien beziehen.
     
  2. Je besser die Möglichkeiten, uns ausgiebig und wahrheitsgemäß über jedes nur erdenkliche Thema zu informieren, desto komplexer die Aufgabe der Meinungsbildung und desto größer ist unser Drang, Ordnung zu schaffen. Da wir angesichts der Flut der Informationen häufig überfordert sind, schaffen wir Ordnung über die Metaebene. Hier zählen statt Argumenten Haltung, Gefühl, Gruppendenken.
     
  3. Ordnung schaffen wir am einfachsten durch ein binäres Schema, also Freund/Feind, gut/böse oder richtig/falsch.

Für die Meinungsvielfalt hat das natürlich Konsequenzen. Wenn ein Argument oder auch nur die Nähe zu einem Argument in ein solches binäres Schema eingeordnet wird, dann ist der Negativwert dieses Schemas (böse/Feind/falsch) unsagbar. Es ist zwar Information, aber es ist falsche oder unerwünschte Information – und zwar selbst dann, wenn das Argument valide ist und einen Beitrag zur Problemlösung leisten könnte. So werden letztlich auch die Träger dieser Argumente zu Trägern negativer Information und damit zu Personen, über die man sich zwar ereifern darf, die aber selbst nicht mitreden sollen.

Teil 1 finden Sie hier.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus: „Sag, was Du denkst! Meinungsfreiheit in Zeiten der Cancel Culture“ von Thilo Spahl (Hrsg.), 2021, Edition Novo. Hier bestellbar.

 

Weitere Anmerkung

(1) Stefan Weber: „Was können Systemtheorie und nicht-dualisierende Philosophie zu einer Lösung des medientheoretischen Realismus/Konstruktivismus-Problems beitragen?“ in Siegfried J. Schmidt / Gebhard Rusch (Hg.): „DELFIN – 1997: Konstruktivismus in der Medien- und Kommunikationswissenschaft“, Suhrkamp 1997, S. 212–217.

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Leserpost

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Klaus Keller / 15.03.2022

Was sagen die Anthropologen dazu? Früher mussten wir sehr schnell erkennen wer Freund und wer Feind ist. Darauf sind wir konditioniert. In der modernen Welt gibt es sicherlich einige Kulturtechniken die diesen Prozess verändert haben. Vor einigen Jahren las man eine Zeitung und schrieb vielleicht einen Leserbrief. Man könnten meinen das die direkten Reaktionsmöglichkeiten heutiger Technologien dazu führen das wir wie früher schnell die Keule schwingen und später darüber nachdenken. Zurückrudern tut niemand gerne aber wenn man die wütende Herde vor sich hat flüchtet man lieber. Der nicht ganz so mutige zieht also seine Aussage zurück. Wer hemmungsloser schreit gewinnt dann. Primaten im Zoo verhalten sich ähnlich, andere Tiere wahrscheinlich auch. Wir leben mit unseren Programmen aus der Steinzeit im 21. Jahrhundert.

Werner Arning / 15.03.2022

Unsere Journalisten in den „freien“ Medien erinnern eher an Vertreter der Heiligen Römischen Inquisition als an Journalisten. Es geht ihnen darum, ein Urteil zu sprechen und nicht darum, der Wahrheitssuche mittels ehrlicher, kontroverser Diskussion die Ehre zu erweisen.

Walter Weimar / 15.03.2022

“Unser Mediensystem:” da haben wir es wieder! Es ist wohl Ihr Mediensystem, aber nicht meines. Also niemals unser! Auch wenn das Mediensystem mafiös aufgebaut ist. Sogar Schutzgeld wird erpresst. Ich zahle für was, was ich weder nutze noch brauche.

Karsten Dörre / 15.03.2022

Ich bin der Meinung, das westliche System geht dem Untergang entgegen. Kennzeichen sind zunehmende Auseinandersetzungen wegen Nichtigkeiten, fehlende Lösungen, fehlende Realpolitik. Nicht von ungefähr kommen immer öfter nähere Einschläge finanzieller und wirtschaftlicher Verluste. Die Menschheitsgeschichte ist voll von Kriegs- und weniger Friedensphasen. Zerstörung macht Platz für Neues. Europa hat seit 1945 nichts Gravierendes erlebt. Viel zu lange wird dem Fantasieland von ewigen Frieden gehuldigt. Natur und Evolution kennen keinen Krieg, aber auch keinen Frieden. Wir glauben, Mensch sei höher entwickelt als die Natur und könne Natur beherrschen, schützen, verteidigen, befrieden. Womöglich Raubtiere zu Vegetarier umerziehen. Der neue Mensch als universal tierliebend, pazifistisch und ökologisch lebend ist ein Ziel ohne Boden und Substanz.

Harald Unger / 15.03.2022

Eine soziologische Vorlesung aus der guten, alten Zeit? Heute steht das GAFAT-Kartell an der globalen Spitze und entscheidet nach Gutdünken seiner CEOs, was im Mainstream der untergehenden Bürgerlichen Epoche noch gewusst, gedacht und gesagt werden darf. Wer da nicht spurt, wir ruckzuck de-monetarisiert und kriminalisiert. Dabei sollte man sich vom derzeit aufgeführten Theater um die Russland-Sanktionen nicht täuschen lassen. In Sachen Wirklichkeitsverbiegung und Verfolgung Andersdenkender, ist kein Unterschied zwischen Putin, Xi, der Biden-Junta und dem GAFAT-Kartell. Das putineske, blutige Sockenpuppentheater dient lediglich als Ablenkung und Vorwand, der $-basierten Weltwirtschaft, nach dem China-Virus, den endgültigen Todesstoß zu versetzen. Insbesondere soll der Petrodollar als Leitwährung abgelöst werden. Während sie im Land des Lächelns das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht kriegen. Läuft alles perfekt.

Horst Jungsbluth / 15.03.2022

Dass mit den Medien in Deutschland vieles nicht stimmt, das haben insbesondere (West) Berliner Bürger spätestens mit dem Start des SPD/AL-Senats 1989 bemerkt, als etliche Leser andere darauf aufmerksam machten, dass man eher durch manchen Leserbriefen informiert wird, als durch redaktionelle Meldungen von Zeitungen, Zeitschriften und Sender. Nur ein krasses, schier unglaubliches Beispiel, das Wahlen beeinflusste und den von der SED gewollten Senat zur Macht verhalf. Das kommunistische Blättchen “Die Wahrheit” wartete am 10. September 1988 mit einem reißerischen Beitrag auf, dass es in Westberlin eine katastrophale Wohnungsnot gäbe und die “TAZ” sprang sofort mit Zahlen zur Seite, die das belegen sollten, die aber letztendlich genau das Ganze als riesige Lüge entlarvte. Alle!!! Medien machten nun diesen Schwindel mit und der inzwischen etablierte rot-grüne Senat verfolgte nach einem Strategiepapier, dass den Missbrauch von Verwaltungsvorschriften zum Zwecke der Destabilisierung forderte, mit einer plump gefälschten!!! ZweckentfremdungsVO unbescholtene Bürger wie Verbrecher. Diese kriminelle staatliche Kampagne, die nur eingebettet war in ähnliche,  beruhte auf einer puren statistischen Bereinigung der Westberliner Bevölkerung nach der Volkszählung 1987.  Um die nicht vorhandene Wohnungsnot nun zu kaschieren, nahm Berlin mit 124.000 Flüchtlingen aus Ex-Jugoslawien mehr auf, als F und GB zusammen, obwohl die Stadt restlos pleite war, riss Tausenden von Häusern ab!!! und plötzlich pries der RB Wowerereit einen Leerstand!!! von 150.000 wie einen Erfolg seiner Politik. Es ging damals, also noch vor dem “Mauerfall zur falschen Seite” um die militärische Besetzung Westberlins durch NVA und Stas, wobei die Stasieinflussagenten aus hohen Positionen agierten und die Medien wohl unter Kontrolle hatten.  Beim SFB heute RBB sorgte IM Ludwig alias Dirk Schneider, deutschlandpolitischer Sprecher der Grünen dafür, dass dieser Sender auf Kurs blieb.

Arne Ausländer / 15.03.2022

Viele halten das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes für ein mittelalterliches Relikt. Es wurde aber erst beim 1. Vatikanischen Konzil in den 1870er Jahren festgeschrieben, in einer Zeit, die wir für aufgeklärt und wissenschaftlich halten. Zu dieser Wissenschaft rechneten damals aber nicht wenige den Antisemitismus. Dazu war es die Zeit von Madame Blavatsky und der Theosophie, die weite Kreise derer in Bann schlug, die sich für die Elite jener Zeit hielten. Viele Linien von damals durchziehen das Geschehen bis heute.—Heute haben wir eigentlich alle nötigen technischen Mittel für nahezu idealen Journalismus. Allerdings liegt dieser nicht im Interesse der Mächtigen und von nach Machtstrebenden, denn die sind weit mehr an der Manipultion der Menschen interessiert. Auch hier wird an der Perfektion der nötigen technischen Basis gearbeitet. Darüberhinaus werden seit Jahren PR-Strategien wie die Neudefinition von Begriffen angewandt. Wollen wir eine freie Kommunikation erhalten bzw. wieder gewinnen, muß uns klar sein, welche Kräfte gezielt dagegen arbeiten.

Rainer Niersberger / 15.03.2022

Entscheidend duerfte der zutreffende Hinweis auf die Weltanschauungen oder den Glauben sein. Indem Alles zu den entsprechenden Fragen umfirmiert wird, ist es zwingend argumentativ und faktisch uns greifbar und zugleich affektiv hochwirksam. Die Kategorien schrumpfen zwangslaufig auf Glaubens - oder Weltanschauungsinstrumente zusammen. Zugleich bedienen die Medien damit eine (vorher erzeugte) psychokognitive Verfasstheit, die jegliches Denken durch Emotionen im allerweitesten Sinne, eher Affekte, Impulse und den absoluten Drang, sich immer wohl - oder gut zu fuehlen, ersetzt hat.  Denken, eigentlich vor allem bei komplexen Sachverhalten zwingend, ist bekanntlich mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden, die es zu vermeiden gilt. Da hilft bereits die Simplifizierung und Reduktion in Form der gefuehligen Gut/ Böse-Kategorien. Nebenbei bedient die “Umstellung” von der Bewertung eines (komplexen) Sachverhalts auf die Frage, wer ist der Taeter, ohnehin vorhandene Dispositionen. Zahlreiche Vertreter des weiblichen Geschlechts beurteilen nicht die Tat als solches, sondern den Taeter und sein ihm zugeschrieben Motiv, das wiederum von bestimmten Merkmalen oder Narrativen abhängt. Es kommt nicht auf das “, was”, sondern auf das “wer” an und dieses “wer” wird nicht rational untersucht, sondern limbisch und dann nachträglich narrativ rationalisiert. Es kommt nicht auf den Tatbestand z. B. der Vergewaltigung oder eines Mordes, an, sondern wem er vorgeworfen wird, spaetestens bei der Frage der Bestrafung, denn es geht nicht um Recht, sondern um das “gute Gefuehl”. Dazu braucht es keine besonderen kognitiven Leistungen. Und die Medien erzeugen und bedienen zugleich, wobei sie natuerlich nach ihrer jeweiligen Zielgruppe differenzieren. Feminine oder Feminisierte (re) agieren auch medial anders als die Restbestände des Masculinum.

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