Am 11. Februar 2013 blickten 1,2 Milliarden Gläubige ungläubig nach Rom. Joseph Ratzinger, der J.R. aus dem Allgäu, erklärte völlig überraschend seinen Rücktritt als Stellvertreter Gottes. Ob er mit seinem Vorgesetzten darüber gesprochen hat, ist nicht bekannt. Rücktritt von allen Ämtern – ein Vorgang, der in Politik oder Bundesliga zwar gang und gäbe ist, aber im Katholizismus? Päpste treten nicht zurück. Nie! Kenner der Szene hielten im Vorfeld sogar die Abschaffung des Zölibats für realistischer. Ich muss gestehen, selbst ich als Ungläubiger war enttäuscht.
Der Vatikan reagierte für seine Verhältnisse blitzartig. Nach nur drei Wochen fanden sich die Kardinäle in einem Konklave zusammen und berieten über einen möglichen Nachfolger. Ohne den geringsten Kontakt zur Außenwelt. Kein Handy, keine Zeitungen, kein Internet. Sogar ein Störsender wurde eingebaut. Ein Konklave ist demnach eine Art Schwarzes Loch. Von außen hat man keine Chance hineinzusehen und innen ist die Zeit stehengeblieben.
Wer also sollte Benedikts Nachfolger werden? Vielleicht einer, der ein bisschen peppiger ist? Ein Schwarzafrikaner zum Beispiel. Wäre bei seiner Wahl dann eigentlich auch weißer Rauch aufgestiegen? Einige Scherzkekse schlugen sogar Thomas Gottschalk als neuen Pontifex vor. Immerhin sei der Mann gläubiger Katholik, trägt unorthodoxe Klamotten und ist es gewohnt, vor Millionen Menschen Unterhaltungsshows zu moderieren.
Die Wahl von Jorge Mario Bergoglio als die neue argentinische Hand Gottes war eine faustdicke Überraschung. Und schon fast reflexartig fragte sich das gesamte christliche Abendland, wie reformfreudig der Neue denn wohl so sei. Wie steht er zu Themen wie Empfängnisverhütung, Abtreibung oder zu etwas ganz Absurdem: Zu Frauen?
Wird Jorge Mario Bergoglio ein moderner Papst? Ich denke nicht. Denn wer Papst wird, wird ja gerade deswegen Papst, weil er nicht jede Mode, jeden Trend mitmacht. Ein wirklich moderner Papst hätte sich wahrscheinlich auch nicht Franziskus genannt. Sondern Kevin oder Malte.
Wer fordert, die katholische Kirche solle doch gefälligst mit der Zeit gehen, verkrustete Strukturen aufbrechen und endlich Reformen einleiten hat nicht wirklich den Markenkern einer 2000 Jahre alten und bewährten Idee verstanden. Der Katholizismus ist gerade deswegen so erfolgreich, weil er eben kein aufklärerischer Debattierclub ist, der alle paar Jahrhunderte mal schnell seine Meinung ändert. Coca Cola käme schließlich auch nicht auf die Idee, plötzlich an seiner ursprünglichen Rezeptur herum zu panschen.
Ich gebe es zu, persönlich kann ich mit Religionen nicht viel anfangen und Gott ist für mich allenfalls ein tschechischer Schlagersänger. Aber kann ich sehr gut verstehen, warum die Herren im Vatikan so rückwärtsgewandt sind. Es ist schlicht und einfach ihre unique selling proposition. Man geht ja auch nicht zu Manufactum, weil es dort so hippe Klamotten für den Christopher Street Day gibt.
Homo-Ehe, Stammzellenforschung, Frauenquoten – all das wird es mit der katholischen Kirche nicht geben. Der Papst kann sich auch nicht plötzlich hinstellen und bei der Dreifaltigkeit sagen: „Ups, da haben wir uns wohl geirrt ...“ Denn das sind ewig gültige Wahrheiten. Wer von ihm Modernität und Zeitgeist erwartet, ist im falschen Verein. Das mag für weltoffene Katholiken unerträglich sein, andererseits ist es eine klare Positionierung. Wenn tatsächlich die Reformen vollzogen würden, die sich viele Christen erträumen, würde das womöglich zu einem Zusammenbruch des Systems führen. Genau deswegen wird die Kirche immer reaktionär und altbacken bleiben. Wem das nicht passt, der kann ja austreten.
In seiner ersten Predigt sagte Franziskus: „Wer nicht zu Gott betet, betet zum Teufel.“ Nach Auffassung des neuen Pontifex bin ich folglich Satanist. Aber damit kann ich leben. Ich bin ja auch nicht seine Zielgruppe. Und 1,2 Milliarden Anhänger hat noch nicht mal Facebook.
© Vince Ebert