Die Bundesregierung hat eine der schlimmstmöglichen Entscheidungen getroffen, die man sich in Deutschland vorstellen kann. Sie will die Steuern senken.
Diese Nachricht ist im ganzen Land mit großer Betroffenheit aufgenommen worden. Die Oppositionsparteien hatten schon vorher dringend abgeraten, den Bürgern mehr Geld in der Tasche zu lassen. Desgleichen die Arbeitgeber. Auch sie warnten vor Steuererleichterungen für ihre Angestellten. Zwar bringen sie ein gewisses Verständnis dafür auf, wenn die Unternehmen selber deutlich verringerte Energiesteuern zahlen dürfen. Direkte Steuererleichterungen für die Bürger lösen bei ihnen aber das gleiche Entsetzen aus wie bei den Sozialdemokraten, Grünen und Linken.
Ja, schöner noch: Die Mehrheit der Bürger selbst wehrt sich ebenfalls nach Kräften gegen die Zumutung, ihnen mehr Netto vom Brutto in der Tasche zu lassen. Offenbar fürchten wir, dass wir das Geld nur in die Kneipe oder in die Boutique tragen, während der Staat unsere Steuergelder so exzellent für die Rettung des Verschwenderstaates Griechenland einsetzt.
Aber wird für diese edle Aufgabe noch genug Geld in der Staatskasse sein, wenn 80 Millionen Bundesbürger im nächsten Jahr jeweils rund zehn Euro mehr als bisher zur eigenen freien Verfügung behalten dürfen? Droht uns nicht eine dramatische Zuspitzung der eigenen Schuldensituation, wenn eine ganze Milliarde Euros zurück ans Volk fließen? Müssen wir uns darauf einstellen, dass Deutschland demnächst nicht mehr Griechenland retten kann sondern sich selbst retten muss?
Noch ist es nicht so weit. Aber uns droht weiteres Ungemach. Der berühmt-berüchtigte Finanzprofessor Paul Kirchhof, der vor einigen Jahren schon einmal die Nation mit der Idee verschreckt hat, unser Steuersystem zu vereinfachen, hat sich wieder gemeldet. Er schlägt vor, jeder, der mehr als 20000 Euro im Jahr verdient, solle 25 Prozent zahlen und nur Geringverdiener sollen gar nichts zahlen.
Man hat seine Idee sofort mathematisch widerlegt - mit dem Hinweis, es gehe doch nicht an, dass für reich und arm die gleichen Steuern zahlen. Konventionelle Mathematiker weisen zwar darauf hin, dass 25 Prozent von 20000 Euro nur 5000 Euro sind, während 25 Prozent von einer Million 250000 Euro sind. Was ein Unterschied von 245000 Euro ist. Aber diese klassische Form der Mathematik hat in der Politik keine Geltung. In der Politik sind 25 Prozent 25 Prozent – basta. Diese Form der Mathematik, auch Polimathik oder Voodoo genannt, ist eng verwandt mit der Rechnungsart, die der Autofahrer anwendet, der immer für 50 Euro tankt und damit die Preiserhöhungen beim Benzin unterläuft.
Also: Professor Kirchhofs Zumutung eines einfachen Steuersystems hat bei uns keine Chance. Und ob uns demnächst wirklich Steuersenkungen drohen, ist auch noch nicht gewiss. Vielleicht siegt ja doch noch die Vernunft und der Staat behält brav unser Geld und belästigt uns nicht weiter mit dem Ansinnen, uns etwas davon zurückzugeben.