Rainer Bonhorst / 24.10.2020 / 10:00 / Foto: iihs.org / 27 / Seite ausdrucken

Trump und Biden – diesmal angeschnallt

Wie es scheint, haben Donald Trump und Joe Biden seit ihrer letzten Fernseh-Begegnung ein paar Benimm-Kurse besucht. Nach dem Wirtshaus-Gebrüll der ersten Präsidentschaftsdebatte traten sie diesmal fast wie Gentlemen auf. Das war besonders wichtig für Donald Trump, der beim ersten Durchgang wie ein undisziplinierter Rüpel gewirkt hat. Für Joe Biden war wichtig, dass er diesmal nicht als ein schläfriger Verteidiger antrat, sondern ziemlich wach und streckenweise energisch. Wer hat gesiegt? Noch keiner. Den Sieger gibt’s erst am 3. November.

Dass diesmal neben den persönlichen gegenseitigen Vorwürfen auch das eine oder andere Sachthema ohne Unterbrechungen angeschnitten werden konnte, lag an der energischen Diskussionsführung von Kristen Welker und an der Technik, die es erlaubte, wenn notwendig, den Ton abzudrehen.

Aber weniger entscheidend als die Sachthemen war die Wirkung der beiden Kandidaten. Wer den Umfragen glaubt, sieht Trump in Gefahr, das seltene Exemplar eines Einmal-Präsidenten zu werden. Die erste vor allem für ihn desaströse Debatte hatte diese Gefahr noch erhöht. In der jetzigen Debatte hat er einen wichtigen Teil seiner Reputation als ernsthafter Politiker wiederhergestellt. Der Abwärtstrend, der ihn seit den Corona-Monaten plagt, könnte in eine solide Ebene übergehen. Aber wird das genügen? 

Trumps stärkste Waffe gegen seinen Herausforderer war die immer wieder gestellte Frage: „Warum haben Sie das, was Sie jetzt versprechen, nicht in den acht Jahren gemacht, als Sie Barack Obamas Vizepräsident waren?“ Gefolgt von: „Joe, Sie reden und reden, aber Sie tun nichts.“ Und dann: „Er ist eben ein typischer Politiker.“ Also genau das, was Trump nicht sein will.

„Leute, schauen Sie mich an und schauen sie ihn an“

Biden wirkte wie einer, der die Wahl fast schon gewonnen hat. Er trat selbstsicher wie ein künftiger Präsident auf und machte Trump zum Verteidiger in eigener Sache. Seine stärkste Waffe: die Charakterfrage. „Leute, schauen Sie mich an und schauen sie ihn an.“ Und er meinte: Sie haben die Wahl zwischen einer ehrlichen Haut und einem Lügner und Trickser.

Wie wird sie ausgehen, diese Wahl? Bei den Demokraten träumt man von einem lawinenartigen Sieg. Auch deshalb, weil man bei einem knappen Ergebnis Trumps Drohung fürchtet, juristisch gegen Wahlmanipulationen vorzugehen. Man hofft, nicht nur das Repräsentantenhaus zu sichern, sondern auch den Senat zu holen. Das würde bedeuten: Der Präsident kann durchregieren. Gleichzeitig sitzt vielen Demokraten die Angst im Nacken, der Rückschlag von 2016 könne sich wiederholen, als Hillary Clinton in den Umfragen klar vorn lag, auch die Mehrheit der Wähler gewann und trotzdem nicht genügend Wahlpersonen in den einzelnen Staaten zusammen bekam.

Trump hofft genau auf dieses Wahlsystem, das seit Gründung der USA die einzelnen Bundesstaaten und ihre Wahlmänner, wie sie bis vor kurzem noch genannt werden durften, als Zwischeninstanz zwischen den einzelnen Wählern und dem Präsidenten eingerichtet hat. Trump hofft auch auf eine andere Komplikation des amerikanischen Wahlsystems. Da es im Land keine Meldepflicht gibt, müssen sich die Wähler vorher registrieren lassen, was lästig sein kann und erfahrungsgemäß arme, abgelegen wohnende, meist schwarze Wähler vom Gang zur Urne abhält. Viele dieser Nichtwähler würden die Demokraten wählen, weshalb diese mit großem Einsatz versuchen, ihre schwierige Kundschaft zu den Wahlurnen zu bringen. Gleichzeitig werfen sie den Republikanern vor, durch gezielte Sparmaßnahmen das Wählen für Wahlmuffel noch lästiger zu machen.

Was auch immer an diesen Vorwürfen dran ist: Donald Trump liegt nicht falsch, wenn er den Umfragen, in denen er deutlich hinter Joe Biden liegt, nicht allzu viel Bedeutung beimisst. Mit dem für ihn typischen Selbstbewusstsein kündigte er in der Debatte an, seine Republikaner würden nicht nur ihre Mehrheit im Senat behalten, sondern auch die demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus knacken und für sich zurück gewinnen. Joe Beiden mag angesichts dieser präsidialen Zuversicht trotz der anderslautenden Zahlen seinen Ohren nicht getraut haben. Aber Trump hat mit seiner kessen Aussage genau die Hillary-Clinton-Angst der Demokraten gekitzelt. Nämlich ihre heimliche Sorge, ihr Vorsprung in den Umfragen könne sich am Wahltag wieder einmal als Fata Morgana erweisen.  

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Gerd Weimar / 24.10.2020

@Frances Johnson! Bei aller Liebe, die Sie offensichtlich für Trump empfinden, bleiben Sie fair und das umschließt Sachlichkeit. Die Anschuldigungen mit denen Sie Biden betupfen, treffen dem Grunde nach auch auf Trump zu. (Wobei die Fake News des amtierenden Präsidenten singulär sind und vermutlich auch kaum zu toppen sein werden.) Insoweit herrscht Remis wie es die Schachspieler nennen. Wenn Sie aber weissagen, mit Biden würde Amerika seinen Charakter verlieren, so gestatten Sie mir die Frage, welchen Charakter Sie meinen? Zu den Beleidigungen, mit denen Sie Bidens Sohn beträufeln, schweige ich. Vielleicht sollten Sie noch einmal in Canettis Skript „Das Gewissen der Worte“ stöbern. Oder in seinem Roman „Die Blendung“?

Dov Nesher / 24.10.2020

@Mark Schimmer nicht ganz korrekt. Er hat gesagt, dass Obama und Biden der Grund waren, warum er vor 4 Jahren zur Wahl angetreten ist

Volker Kleinophorst / 24.10.2020

@ M. Wedel “Bonhorst gehört halt zu jenen, die Intellektualität einer Street Smartness vorziehen würden. Kann man doch machen, ist doch erlaubt!” Natürlich darf man gegen Trump sein. Aber eben auch dafür. Ist ja auch (noch) erlaubt. Nur wo Sie bei Stammelgreis Biden und Grinsekatze Harris Intellektualität sehen, bedarf meiner Meinung nach einer Erläuterung. ;)

Carlos Redder / 24.10.2020

Hallo@Herr Weimar. Ist Ihre Einlassung, pointiert mit “Väterchen” Trump eine dezent codierte Anspielung auf die von den US-“Demokraten” (Demokraten = feiner joke, diese Selbstrubrifizierung der Damen Clinton, Harris etc.) fulminant vorangetriebene Mär von der erfolgreichen Trump Wahl seinerzeit, gepampert durch den Russischen Geheimdienst, Putin himself lässt Grüssen? Man verabschiede sich doch mal langsam von diesen kindischen Unterstellungen und schaue mal genauer auf das Biden-Bürschen und seine krummen Touren in der Ukraine. Politik: alles bullshit! Nicht nur in den US.

Volker Kleinophorst / 24.10.2020

@ G. Weimar Auch TDS? Trump Fan ist auch schon ein Argument?

Silas Loy / 24.10.2020

Wer den armseligen Biden wählt, bekommt Harris. So einfach. Entweder sind die Amerikaner zu schlau für diese Charade oder sie müssen eben da durch. Trump ist und bleibt die einzige Wahl. Er hat ein Herz und das am rechten Fleck. Das muss in dieser Situation genügen.

Gerd Weimar / 24.10.2020

Na ja, dass die Trump Fans hier im Forum keine Kritik an ihrem „Väterchen“ Trump hinnehmen wollen, war zu erwarten. Herrn Bonhorst aber ist wieder einmal zu danken, für seine sachliche, recht ausgewogene Analyse.

Max Wedell / 24.10.2020

Ich kann wie Dov Nesher auch nicht die vielen Leute verstehen, darunter auch einige Trump-Anhänger, die Kristen Welker eine unparteiliche Diskussionsführung bescheinigten. Es kam viel öfter vor, daß sie nach Trumps Äußerungen Biden noch kurz ein Antwortrecht einräumte als umgekehrt. Als Resultat hatte Biden bei den meisten Themen das letzte Wort. Bestimmte Themen, bei denen die Trump-Regierung Erfolge erzielt hatte, kamen nicht oder nur am Rande vor (etwa die Mittelostpolitik). Welker aber war verantwortlich für die Themenauswahl. Die Voreingenommenheit Welkers zu Lasten Trumps mag nicht eklatant gewesen sein, aber sie war vorhanden. - Trump hat sicher ein verbessertes Bild abgegeben, aber für mich als Trump-Anhänger war das nicht ausreichend. Er hat m.E. die Aussagen Bidens nicht wirksam genug entkräftet. Zum Beispiel beim Corona-Thema hätte er das “Trump hat 220.000 Tote auf dem Gewissen”-Narrativ deutlicher ad absurdum führen müssen. Für klar denkende Menschen ist es ein absurdes Narrativ, aber Trump muß ja die Leute überzeugen, die nicht klar denken können. Sein wieder und wieder gebrachter Hinweis auf seine Politik der Unterbindung von Einreisen aus Risikogebieten ganz am Anfang der Pandemie war da nicht ausreichend, denn es müsste jeder wissen, daß nur ein Infizierter ausreichen kann, der “durchkommt”, um genau dasselbe Endergebnis massenhafter Infektionen zu bekommen. Und dieser “eine” kann unmöglich verhindert werden. Und dann brachte er natürlich immer noch auch den einen oder anderen Klopper (Ablenkungen, Versimplifizierungen usw.), der mich in die Tischkante beißen ließ vor Verzweiflung. Unnötig! @Stefan Riedel: Ich finde, Sie sind unfair gegenüber Bonhorst. Sicher, Bonhorst hat eine mild-negative Distanz zu Trump, aber das ist in Ordnung und nicht gleich schon der übliche Trump-Haß-Zwang (engl. Trump Derangement Syndrome). Bonhorst gehört halt zu jenen, die Intellektualität einer Street Smartness vorziehen würden. Kann man doch machen, ist doch erlaubt!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Rainer Bonhorst / 25.04.2024 / 14:00 / 6

Scholz und Sunak – ein spätes Traumpaar

Sie passen gerade gut zueinander: Ihre Länder stecken im Krisen-Modus und sie sind letztlich nur noch Regierungschefs auf Abruf. Er kam spät nach Berlin, aber…/ mehr

Rainer Bonhorst / 17.04.2024 / 10:00 / 31

​​​​​​​Die Bayer(n)-Revolution

Rekordmeister Bayern muss den Meistertitel an Bayer abgeben. Ein Menetekel für die Politik? Wie wird es weitergehen? San mir net mehr mir? Ist rheinisch das…/ mehr

Rainer Bonhorst / 12.03.2024 / 17:00 / 9

Die Kate-Krise oder viel Lärm um nichts?

Ein Familienfoto der Royals ist schon kurz nach Erscheinen als ungelenke Bildmanipulation entlarvt worden. Medialer Wirbel dank Photoshop! Ist Englands königliche Familie eine Fälscherbande? Wenn ja, dann keine…/ mehr

Rainer Bonhorst / 08.03.2024 / 12:00 / 19

Bye bye Nikki, hello Oldies

In den USA duellieren sich Biden und Trump um den Einzug ins Weiße Haus. In diesem Alter würde man in Deutschland weniger auf Karriere als…/ mehr

Rainer Bonhorst / 22.02.2024 / 14:00 / 26

Kamala gegen Nikki – ein Traum

Statt der beiden betagten Kontrahenten Joe Biden und Donald Trump wünsche ich mir eine ganz andere Konstellation im Kampf um das Amt des US-Präsidenten. Man…/ mehr

Rainer Bonhorst / 13.02.2024 / 12:00 / 39

Gendern im Fußball? Fans zeigen rote Karte!

Wie woke soll der Fußball sein? Oder genauer: Wie viele Geschlechter soll der Fußball kennen? Es wird Zeit, mal wieder auf den Fußballplatz zu gehen.…/ mehr

Rainer Bonhorst / 12.02.2024 / 12:00 / 35

Giorgia Meloni als Mamma Europa?

Georgia Meloni beginnt in Europa eine wichtige Rolle zu spielen. Die Politik hält sich mal wieder nicht an die ideologischen Vorgaben deutscher Medien.    Ja, darf…/ mehr

Rainer Bonhorst / 04.02.2024 / 14:00 / 33

Gedanken beim Demo-Gucken

Im Grunde haben wir ja Glück, dass in Deutschland die Verhältnisse so klar sind. Wir haben keine dunkelhäutigen Politiker in Berlin, die die Frechheit besitzen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com