Antje Sievers / 07.07.2010 / 10:35 / 0 / Seite ausdrucken

Trotz Minirock fahren die Busse pünktlich

Zum belgischen Burkaverbot liest man dieser Tage allerorten butterweiche einerseits/andererseits Stellungnahmen, die im Wesentlichen eines gemeinsam haben: Ein klares Jein zur Schleierfrage. Man sollte endlich den Mut aufbringen, der Verschleierung von Frauen ein Nein! entgegenzusetzen, so wie man es in Belgien bereits getan hat. Darüber hinaus sollte einheitlich in Europa auch ein Kopftuchverbot an Behörden, Schulen und Universitäten durchgesetzt werden. Und das pseudo-intellektuelle Geseire von der modernen muslimischen Frau als Avantgarde-Feministin unterm Kopftuch sollte man mal als das entlarven, was es ist, nämlich gequirlte Schifferscheiße auf Toast.
Vergessen wir nicht, welche Ideologie letztendlich hinter der Verschleierung weiblicher Körper steckt: Die Dämonisierung der Sexualität.“Ich ficke, wen ich will!” Das sollen—unter anderem - die letzten Worte von Hatun Sürücü gewesen sein, kurz bevor sie von ihrem Bruder in Berlin auf offener Straße erschossen wurde. Das letzte, worüber die muslimische Frau selbst bestimmen darf, ist ihr Körper und ihre Sexualität - mit der Intaktheit ihrer Ehre steht und fällt schließlich die ganze Umma. Ein altes arabisches Sprichwort bringt es auf den Punkt: Wenn ein Mann und eine Frau sich begegnen, ist auch gleich ein dritter dabei - der Teufel. Dieses Denken geht davon aus, dass Männer vierundzwanzig Stunden am Tag und
dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr ihre Triebe nicht kontrollieren können und Frauen dadurch pausenlos der Gefährdung ausgesetzt sind. Die Mittel, diese Triebe im Zaun zu halten, sind rigorose Geschlechterapartheid und das Verschwinden des weiblichen Körpers aus der Öffentlichkeit. Wo er nicht vollkommen zum Verschwinden gebracht werden kann, gehört er wenigstens unkenntlich gemacht—keine nackte Haut, keine Arme und Beine, kein Haar; im schlimmsten Fall, der Burka, nicht einmal mehr menschliche Konturen.
Dass dieser Stoffkäfig eine Tortur für seine Trägerin ist, muss ich hier nicht groß breittreten—da sollte ein Blick auf all die von zahlreichen Stoffschichten verhüllten Frauen und Mädchen reichen, die sich gerade schweißtriefend durch die Sommerhitze quälen. Durch den Anblick unverhüllter weiblicher Reize aber besteht die Gefahr, dass das ganze System zusammenkracht und die Fitna ausbricht—will heißen Chaos und Anarchie. Ayaan Hirsi Ali schildert die absurde Vorstellung von Fitna in ihrer Autobiographie: Männer können nicht
mehr arbeiten, Busse und Autos stoßen zusammen; sogar die Uhren bleiben stehen. Was Hirsi Ali bei ihrer Ankunft in Europa folglich am meisten verwirrte, war, dass die Frauen für muslimische Begriffe praktisch nackt herumliefen und der öffentliche Nahverkehr dennoch mit einer Präzision ablief, von der man in Somalia nur träumen kann. Wo Sexualität rigoros reglementiert, unterdrückt und dämonisiert wird, herrscht zwangsläufig Dauergeilheit, wusste schon Freud: In keiner Sprache wird so häufig das Wort Sex gegoogelt wie auf Arabisch. Das ist die Ideologie, die hinter der Verschleierung von Frauen steckt. Wenn eine Frau sich dieser freiwillig unterwirft, umso schlimmer. Sie sagt ihrer Umgebung nicht nur, seht her, ich bin eine anständige, ehrbare Frau, die ihre Reize verbirgt, damit Männer nicht über sie herfallen; sie sagt damit auch, dass alle, die nicht dasselbe tun, Freiwild sind. Das gilt nicht nur in Kairo oder Bagdad, sondern auch in Hamburg-Mümmelmannsberg, Berlin-Neukölln oder Duisburg-Marxloh.

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