Wolfgang Röhl / 26.05.2013 / 13:20 / 0 / Seite ausdrucken

Selektion im Klamottenladen

Zu den mittelschweren Aufregern der vergangenen Woche gehörte die Angelegenheit Abercrombie & Fitch. A&F ist eine Klamottenfirma, die es mit ein paar Marketingtricks geschafft hat, bei jugendlichen fashion victims hochgradig angesagt zu sein. Das Label macht keine Werbung, verkauft seinen Textilschrott nur in eigenen Läden und – jedenfalls für Frauen - lediglich in Größen bis L. Damit gleich klar ist, welche Figuren bei A&F unerwünscht sind. Zudem patrouillieren vor den Türen halbnackte Jungmännerriegen. Sie hindern zwar niemanden direkt, die Läden zu betreten. Aber die pure Präsenz der Waschbrettbauchinhaber wirkt so ähnlich wie die harte Tür, für welche manche Discos berühmt sind. Bestimmte Leute gehen einfach nicht zu A&F. Genau das ist von den Inhabern intendiert.

Schon vor sieben Jahren hatte Firmenchef Mike Jeffries in einer für die USA ungewöhnlichen Offenheit mitgeteilt, sein Unternehmen ziele nur auf coole Kids, nämlich „typisch amerikanische Teenager mit einer tollen Ausstrahlung und vielen Freunden.“ Bestimmte Kunden – etwa solche, die sich eine Michelinmännchenfigur angefuttert haben und den ganzen Tag solo vor der Glotze hocken – möchte A&F nicht bedienen.

In den USA betreibt die Kette über 900 Filialen, in Deutschland drei. Da es auch in Amerika jede Menge Menschen gibt, die mit ihren Leben nichts Besseres anzufangen wissen, als irgendwelche Kampagnen für „Gleichheit“ und gegen „Ausgrenzung“ anzuzetteln, kommt es öfters zu Aktionen gegen A&F. „Neben dem Exklusivitätsgebaren“, hieß es in Medien, „werfen Experten dem Label vor, ein ungesundes Körperbild zu fördern.“ Was einmal mehr belegt, dass mit Experte fast immer ein ahnungsloser Schwachkopf gemeint ist. Denn „ungesunde“ Körper, in physisch-landläufigem Sinne, stecken ja eher in Bekleidungen der Größe XXXL, die A&F gerade nicht führt.

Der Jungschriftsteller Greg Karber, bisher in der amerikanischen Literaturszene nicht aufgefallen, stellte ein Video (http://www.inquisitr.com/661845/abercrombie-fitch-homeless/) auf YouTube. Es zeigt ihn, wie er A&F-Klamotten an Obdachlose verteilt und die Welt auffordert, es ihm gleichzutun. Eine vermeintlich künstlerisch-subversive Aktion, um das Image der Marke zu unterminieren. Gegen „Selektion“ sei die Aktion gerichtet, tönten Unterstützer. Was natürlich irgendwie nach Nazis und Rampe klingen sollte. Karbers Video generierte über sechs Millionen Klicks.

Doch das Gutgetue feuerte alsbald auf den Aktivisten zurück. Die armen Schweine von der Straße verbaten es sich, von dem Windmacher („I’m a writer, performer, video-maker, cultural critic, and entrepreneur“) für seinen Kreuzzug eingespannt und dabei selber diskriminiert zu werden. Und, schwupps, schlug die anfängliche Sympathie der üblichen Moralapostelmedien für den Markenguerrillero in ihr Gegenteil um. Auf der Shitstormliste steht jetzt nicht bloß A&F, sondern auch Karber selber.

Abgesehen von Geschmacklosigkeiten, die selbst ernannten Aktivisten aller Zweige offenbar zwingend zueigen sind – „Peta“-Jünger halten in dieser Disziplin die Spitzenstellung -, zeugt die ganze Chose von einem schwer ramponierten Freiheitsbegriff, wie er sich offenbar zumal in jüngeren Hirnen eingenistet hat. Dass ein Betreiber seinen eigenen Laden selbstverständlich betreiben darf, wie er es mag, sofern sein Geschäftsfeld nicht die Grundversorgung mit Lebensnotwendigem ist, will Gleichstellungs-Fanatikern gar nicht in den Sinn. Warum eigentlich nicht? Ein Steak-House möchte nicht vorzugsweise Veganer bekochen, im Darkroom sind Frauen nicht unbedingt willkommen, am FKK-Strand werden Bekleidete aufgefordert, zügig den Abmarsch zu machen. Und wer im Punker-Outfit zum Wiener Opernball wollte, würde nicht mal dann eingelassen, wenn er ein gültiges Ticket vorweisen könnte.

Der Karl Kraus-Epigone Uwe Nettelbeck (1940 – 2007) behielt sich ausdrücklich vor, unerbetenen Interessenten Abonnements auf seinen „Fackel“-Verschnitt „Die Republik“ zu verweigern. Frei zugängliche Medien dagegen können sich ihr Publikum nicht aussuchen. Sollte sich aber mal herausstellen, dass die Achse des Guten wider alle Vernunft und horribile dictu auch von Menschen wie Roger Willemsen, Klaus Staeck, Franz Alt, Antje Vollmer, Richard David Precht, Claudia Roth, Ranga Yogeshwar, Margot Käßmann, Hagen Rether oder Hannes Jaenicke besucht wird (um nur ein paar Kandidaten zu nennen), so kündige ich hiermit an, meine Mitarbeit unverzüglich einzustellen.

Soviel Selektion muss sein.

 

 

 

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Wolfgang Röhl / 03.03.2024 / 10:00 / 68

Ist Peak Woke schon erreicht?

Zeitgeist-Buster Alexander Wendt (Foto oben) untersucht, wie es zum Aufstieg der Moralbourgeoisie und ihrer Glaubenssätze kommen konnte. Und ob der Scheitel der Erwecktenschwemme mittlerweile überschritten ist. Wer…/ mehr

Wolfgang Röhl / 17.12.2023 / 10:00 / 56

„Mikroaggression“: 50 Jahre Bullshit-Bingo

Während auf Straßen und in Schulen reale Gewalt explodiert, gehen akademische Linksradikale mit einem verstaubten Gewaltkonstrukt auf Weißen-Bashing. Mittels sogenannter Mikroaggressionen würden angeblich Marginalisierte ausgegrenzt,…/ mehr

Wolfgang Röhl / 02.12.2023 / 06:15 / 81

Den Schuss nicht gehört. Deutschland im Krimiwahn

Ohne Krimi geht der Deutsche nie ins Bett. Verrückt: Je stärker die reale Kriminalität steigt, desto lieber lassen sich Menschen von fiktiven Krimistoffen oder Podcasts…/ mehr

Wolfgang Röhl / 11.09.2023 / 06:15 / 104

Salvador Allende: der unsterbliche Kult um einen Dilettanten

Vor 50 Jahren versuchte ein linker Politiker, ein relativ wohlhabendes Land im Hauruckverfahren zu transformieren. Von seinem Experiment in den Staatsbankrott kann man ein paar…/ mehr

Wolfgang Röhl / 26.03.2023 / 10:00 / 18

Von Gräbenbuddlern und Brückenbauern

Cora Stephan hat den dritten Teil ihrer Geschichte deutscher Verhältnisse veröffentlicht. „Über alle Gräben hinweg“ beschreibt die Geschichte einer deutsch-schottischen Freundschaft in der Zeit zwischen…/ mehr

Wolfgang Röhl / 13.11.2022 / 12:00 / 42

Wo, bitte, geht’s zum Film?

Es wird dunkler in Deutschland, auch in meteorologischer Hinsicht. Zeit, auf Vorrat ein paar spannende Filme aus dem Fernsehen abzuspeichern. Das Angebot ist groß. Aber…/ mehr

Wolfgang Röhl / 19.06.2022 / 06:00 / 99

Wo ist eigentlich das Vollweib hin?

Fernsehfilme mit erdigen Wuchtbrummen à la Christine Neubauer fuhren einst Traumquoten ein, Ratgeber zum Thema „Vollweib“ waren Bestseller. Doch jetzt wurde das dralle Heteroweib im…/ mehr

Wolfgang Röhl / 08.05.2022 / 06:25 / 91

„Schwarz bitte groß schreiben, weiß klein und kursiv“

Manche Verlage beschäftigen neuerdings Sensitivity Readers. Freischaffende Zensoren, die Manuskripte scharf auf Rassismus, Sexismus und Postkolonialismus checken. Beim kleinsten Verdacht auf falsche Gesinnung schlagen sie Alarm.…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com