Zu den mittelschweren Aufregern der vergangenen Woche gehörte die Angelegenheit Abercrombie & Fitch. A&F ist eine Klamottenfirma, die es mit ein paar Marketingtricks geschafft hat, bei jugendlichen fashion victims hochgradig angesagt zu sein. Das Label macht keine Werbung, verkauft seinen Textilschrott nur in eigenen Läden und – jedenfalls für Frauen - lediglich in Größen bis L. Damit gleich klar ist, welche Figuren bei A&F unerwünscht sind. Zudem patrouillieren vor den Türen halbnackte Jungmännerriegen. Sie hindern zwar niemanden direkt, die Läden zu betreten. Aber die pure Präsenz der Waschbrettbauchinhaber wirkt so ähnlich wie die harte Tür, für welche manche Discos berühmt sind. Bestimmte Leute gehen einfach nicht zu A&F. Genau das ist von den Inhabern intendiert.
Schon vor sieben Jahren hatte Firmenchef Mike Jeffries in einer für die USA ungewöhnlichen Offenheit mitgeteilt, sein Unternehmen ziele nur auf coole Kids, nämlich „typisch amerikanische Teenager mit einer tollen Ausstrahlung und vielen Freunden.“ Bestimmte Kunden – etwa solche, die sich eine Michelinmännchenfigur angefuttert haben und den ganzen Tag solo vor der Glotze hocken – möchte A&F nicht bedienen.
In den USA betreibt die Kette über 900 Filialen, in Deutschland drei. Da es auch in Amerika jede Menge Menschen gibt, die mit ihren Leben nichts Besseres anzufangen wissen, als irgendwelche Kampagnen für „Gleichheit“ und gegen „Ausgrenzung“ anzuzetteln, kommt es öfters zu Aktionen gegen A&F. „Neben dem Exklusivitätsgebaren“, hieß es in Medien, „werfen Experten dem Label vor, ein ungesundes Körperbild zu fördern.“ Was einmal mehr belegt, dass mit Experte fast immer ein ahnungsloser Schwachkopf gemeint ist. Denn „ungesunde“ Körper, in physisch-landläufigem Sinne, stecken ja eher in Bekleidungen der Größe XXXL, die A&F gerade nicht führt.
Der Jungschriftsteller Greg Karber, bisher in der amerikanischen Literaturszene nicht aufgefallen, stellte ein Video (http://www.inquisitr.com/661845/abercrombie-fitch-homeless/) auf YouTube. Es zeigt ihn, wie er A&F-Klamotten an Obdachlose verteilt und die Welt auffordert, es ihm gleichzutun. Eine vermeintlich künstlerisch-subversive Aktion, um das Image der Marke zu unterminieren. Gegen „Selektion“ sei die Aktion gerichtet, tönten Unterstützer. Was natürlich irgendwie nach Nazis und Rampe klingen sollte. Karbers Video generierte über sechs Millionen Klicks.
Doch das Gutgetue feuerte alsbald auf den Aktivisten zurück. Die armen Schweine von der Straße verbaten es sich, von dem Windmacher („I’m a writer, performer, video-maker, cultural critic, and entrepreneur“) für seinen Kreuzzug eingespannt und dabei selber diskriminiert zu werden. Und, schwupps, schlug die anfängliche Sympathie der üblichen Moralapostelmedien für den Markenguerrillero in ihr Gegenteil um. Auf der Shitstormliste steht jetzt nicht bloß A&F, sondern auch Karber selber.
Abgesehen von Geschmacklosigkeiten, die selbst ernannten Aktivisten aller Zweige offenbar zwingend zueigen sind – „Peta“-Jünger halten in dieser Disziplin die Spitzenstellung -, zeugt die ganze Chose von einem schwer ramponierten Freiheitsbegriff, wie er sich offenbar zumal in jüngeren Hirnen eingenistet hat. Dass ein Betreiber seinen eigenen Laden selbstverständlich betreiben darf, wie er es mag, sofern sein Geschäftsfeld nicht die Grundversorgung mit Lebensnotwendigem ist, will Gleichstellungs-Fanatikern gar nicht in den Sinn. Warum eigentlich nicht? Ein Steak-House möchte nicht vorzugsweise Veganer bekochen, im Darkroom sind Frauen nicht unbedingt willkommen, am FKK-Strand werden Bekleidete aufgefordert, zügig den Abmarsch zu machen. Und wer im Punker-Outfit zum Wiener Opernball wollte, würde nicht mal dann eingelassen, wenn er ein gültiges Ticket vorweisen könnte.
Der Karl Kraus-Epigone Uwe Nettelbeck (1940 – 2007) behielt sich ausdrücklich vor, unerbetenen Interessenten Abonnements auf seinen „Fackel“-Verschnitt „Die Republik“ zu verweigern. Frei zugängliche Medien dagegen können sich ihr Publikum nicht aussuchen. Sollte sich aber mal herausstellen, dass die Achse des Guten wider alle Vernunft und horribile dictu auch von Menschen wie Roger Willemsen, Klaus Staeck, Franz Alt, Antje Vollmer, Richard David Precht, Claudia Roth, Ranga Yogeshwar, Margot Käßmann, Hagen Rether oder Hannes Jaenicke besucht wird (um nur ein paar Kandidaten zu nennen), so kündige ich hiermit an, meine Mitarbeit unverzüglich einzustellen.
Soviel Selektion muss sein.