Von Günter Keil
Politiker erklären jetzt, dass ihnen die Fukushima-Katastrophe die Größe des Restrisikos deutscher Kernkraftwerke klar gemacht hätte. Welch ein Unsinn. Das ist nur dasjenige Risiko, das bei einem richtig ausgelegten, bestens konstruierten und auch später sicherheitstechnisch nachgerüsteten Kraftwerk am Ende übrig bleibt. Bei den japanischen Reaktoren war das bei Weitem nicht der Fall. Es gab dort 6 schwere Fehler: Der Reaktor war auf ein stärkstes Erdbeben von 8,4 ausgelegt – wie es aber schon 1933 auftrat. Es gab keine Sicherheitsreserve darüber – und so übertraf das Beben vom 11.März die Belastungsgrenze des Reaktors um 25%.
Fehler Nr. 2 war die krasse Mißachtung der Höhe eines Tsunamis, denn im Mittel alle 30 Jahre gab es Tsunamis mit Wellenhöhen über 10 m, oft weit darüber. Der Betonwall am Meer hatte 5,7 m – dazu kamen 4,3 m vom höher gelegenen Kraftwerk. Die reale Tsunamiwelle hatte aber 14 m. Damit verbunden war Fehler 3: Die Diesel für die Notkühlung befanden sich im Untergeschoß und dieser Raum war auch nicht gegen Hochwasser abgedichtet. Die Diesel soffen ab, die Kühlung fiel aus. Fehler Nr.4 war die Unterlassung einer Nachrüstung der zu schwachen Druckentlastungs-Leitungen in der US-Konstruktion. Diese können im Falle einer Kernaufheizung durch den Druck von Dampf und Wasserstoff Lecks bekommen, wodurch alles in das Reaktorgebäude gelangen kann. In den USA wurde das erkannt und die Leitungen verstärkt – in Japan nicht. Fehler Nr.5: Weil diese Druckentlastung keine Filter enthielt, konnten radioaktive Aerosole und Partikel entweichen und nach außen gelangen. Deutsche Reaktoren haben diese Filter, die 99,9% zurück halten.
Fehler Nr.6: Der im Reaktorgebäude angesammelte Wasserstoff – siehe Nr.5 – konnte explodieren, weil die japanischen Reaktoren im Gegensatz zu unseren nicht über Rekombinatoren verfügen, die Wasserstoff zu Wasser umwandeln. So kam es zu den Explosionen und zur Verbreitung radioaktiver Substanzen. Deshalb lag das tatsächliche Risiko der Fukushima-Reaktoren um das Zig-Tausendfache über dem theoretischen Restrisiko.
Die in Japan unbegreiflicherweise unterlassenen Maßnahmen sind in deutschen KKW lange verwirklicht. Keinen dieser Fehler und Unterlassungen hätte unsere Reaktorsicherheits-Kommission RSK durchgehen lassen – die übrigens von 2002 bis 2006 von Michael Sailer, Mitglied der Geschäftsführung des Öko-Instituts Darmstadt, geleitet wurde, der heute noch RSK-Mitglied ist.
Unser Autor Dr. Ing. Günter Keil arbeitete bis zu seiner Pensionierung 2002 in leitender Funktion im Bundesforschungsministerium