Wer sich am letzten Sonntag zufällig auf die Homepage von Martin Schulz verirrt hatte, der fand dort an erster Stelle eine Stellungnahme des Präsidenten des Europaparlaments zu der «Initiative gegen Masseneinwanderung», über die am gleichen Tag in der Schweiz abgestimmt wurde. «Martin Schulz warnt Schweizer vor einem ‹Ja›».
Die Meldung bezog sich auf ein Interview, das Schulz der NZZ gegeben hatte. Darin lobt er die Qualität der Debatte, die höher sei «als in anderen Ländern», äussert aber auch Kritik: «In der Schweiz gibt es offen fremdenfeindliche Parolen und Leute, denen man lieber nicht begegnen würde. Ich lese Organe der Blocher-Presse, die vor Fremdenfeindlichkeit strotzen.» Wobei er es unterliess, die «Organe der Blocher-Presse» beim Namen zu nennen.
Als dann kurz nach 17 Uhr das Ergebnis der Abstimmung feststand, muss Martin Schulz grade im Stau ohne Netzverbindung gesteckt haben. Oder die Entscheidung der Schweizer, die seine Warnung einfach ignoriert haben, hatte ihm die Sprache verschlagen. Der Mann, der demnächst Präsident der EU-Kommission werden möchte, schwieg wie ein mumifizierter Pharao in seiner Pyramide.
Schulz, der es vom Bürgermeister der Gemeinde Würselen bei Aachen bis an die Spitze der EU geschafft hatte, ist ein jovialer Rheinländer, der jede Hand ergreift, die sich ihm entgegenstreckt, und auf jede Schulter klopft, die seinen Weg kreuzt. Er kann nur Politik. Seine Warnung an die Schweizer, auf keinen Fall mit einem Ja zu der «Initiative gegen Masseneinwanderung» zu stimmen, versteht er nicht als eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates, so etwas ist für ihn europäische Innenpolitik.
Denn Europa ist weder ein Staatenbund noch ein Bundesstaat, es ist eine Korporation, die eine eigene «Identität» entwickeln soll. Und wenn sich dann ein kleines Bergvolk den Anweisungen der Brüsseler Zentrale widersetzt, muss es eben mit Konsequenzen rechnen.
Möglicherweise wird Martin Schulz demnächst auf dem Weg in den Süden einen Bogen um die Schweiz machen. Noch schlimmer wäre nur, wenn seine Heimatgemeinde Würselen beschliessen würde, Schweizern und Lesern der Blocher-Presse den Eintritt zum örtlichen Spassbad Aquana zu verwehren.