Draußen liegt emailweiß der Schnee, wie in meiner Kindheit in den fünfziger Jahren, als das Klima noch kein Thema war, noch nicht einmal ein inoffizielles. Auch damals war, nach altem abendländischem Brauch, der Planet in Gefahr, aber durch etwas ganz anderes, durch die Atombombe, die im Grunde die Welt im Gleichgewicht hielt.
Die Atombombe war die erfolgreichste Friedensgarantie der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie hat das Allerschlimmste verhindert. Hat sie sich damit nicht verdient gemacht? Stellen Sie sich vor, die Pressekonferenz in Oslo beginnt, und der Sprecher der Jury sagt: Der Friedensnobelpreis geht in diesem Jahr an die Atombombe!
Damals, in meiner Kindheit, in den Fünfzigern, demonstrierte man gegen den Kalten Krieg. Man war links und anthroposophisch, und ließ sich trotzdem von der Vernunft regieren, zumindest im eigenen Kopf. Heute trifft sich die politische Klasse in den Metropolen der Welt in regelmäßigem Abstand, um das Klima zur retten. Den Schnee, den Schnee von gestern.
Angeblich besteht eine bedrohliche Erderwärmungsgefahr. Wenn es aber jetzt doch wieder klassisch kalt ist, bedeutet das in den Worten der Fördergeld-Institute und deren schlagfertigen Sprechern nur einen vorübergehenden, einen flüchtigen Umkehreffekt, gemeint ist gewissermaßen der untere Punkt des Riesenrads.
Im Grunde wollen die uns doch nur die Nerven kitzeln. Wenn es schon nicht gerade Horror ist, was wir erleben, sondern eher Ausdruck hochgeputschter kalter Dummheit, dann will man uns wenigstens in einen Horrorfilm versetzen. Irgendwie muss man uns ja wach halten. Das aber geht nur noch mit ultimativen Krisenmeldungen, dem starken Tobak unserer Tage. Man verkündet uns das Ende der Finanzwelt und der Euro ist praktisch frei von Inflation. Und wieso? Man weiß es nicht. Man muss es auch nicht wissen.
Krise war wohl das häufigste Google-Wort im Jahr 2009. Darüber hinaus ist nicht allzu viel passiert. Oder war es wirklich eine Nachricht, dass ein Schwarzer Präsident der USA wurde? Man hätte es auch anders sagen können. Etwa so: Ein Amerikaner ist in den Vereinigten Staaten Präsident geworden.
Das aber ist ungefähr so, als wäre Necla Kelek Kanzlerin, und nicht Angela Merkel. Würde sich was ändern? Wohl kaum. Und das, liebe Klimatokraten und Klassenlotteristen, ist wirklich beruhigend.
Aber lassen wir die Suggestiv-Fragerei und wenden wir uns den Realien zu. Man versichert uns, es gehe uns schlecht, und schon geht es uns schlecht. Man trägt uns die Botschaft so oft vor, bis wir an sie glauben. Wetten, dass man uns demnächst ein Auto verkaufen wird, dass nicht mehr Kohlendingsbums katalysiert, sondern verbraucht. Genau: Es fährt nicht mit Sprit, es fährt mit CO 2.
Alle Kanäle sind schwarze Kanäle, ruft der Dichter in einer Gesamtauflage von 400 Exemplaren, wo bleibt das Morgenrot? Immerhin, draußen liegt immer noch der Schnee, als hätte ihn Florian Silbereisen herbeizitiert. Wenn das der Schnee wüsste.
Der Schnee? Stimmt, ich bin Schriftsteller. Und damit wahrscheinlich von vornherein, statistisch betrachtet, unter dem Existenzminimum. Aber was ist das Existenzminimum? Ich gehe mittags an den Platz essen. Das ist das Menschenrecht, das ich mir herausnehme.
Alles andere könnte mir am Arsch vorbeigehen, aber es geht mir nicht am Arsch vorbei. Und das ist so, weil ich Schriftsteller bin. Ein Schriftsteller, heißt es, ist jemand, der sich die Gedanken der anderen macht. Was soll man auch sonst machen, in diesen ideenlosen Zeiten, in denen man nicht einmal gegen die Bank spielen kann, ohne einen Gewinngutschein einzusacken?
Es gibt Kollegen, die behaupten, sie würden sich in ihre Figuren hinein versetzen. Ich mache das nicht. Ich versetze mich regelmäßig in die Figur, die ich selbst abgebe. Das ist lehrreich genug, glauben Sie mir. Mit dem Schriftsteller ist es wie mit dem Bundespräsidenten. Er darf reden, aber er hat hier nichts zu sagen.
Und sonst?, fragen Sie.
Achten Sie auf den Schnee, sage ich. Das genügt.
Apropos: In meiner Kindheit gab es noch das Wort Lavoir.