Gunnar Heinsohn / 21.09.2022 / 13:50 / Foto: Mil.ru / 136 / Seite ausdrucken

Putins Teilmobilisierung: Wofür die einzigen Söhne verheizen?

Schon am 20. September berichtet Igor Sushko über die Panik russischer Mütter, die ihre Söhne – überwiegend einzige Kinder – vor Putin Teilmobilisierung ins Ausland schaffen wollen, aber die Wege verstellt sehen. Obwohl sie sich strafbar machen, dürfte man von ihnen noch hören. 

Erinnern wir uns, dass am 24. Februar nicht nur die Welt, sondern auch Putin vom Krieg überrascht wird. Befohlen hatte er die Invasion mit dem Ergebnis umgehender Kapitulation und anschließender Ausrottung der Aktivisten des Ukrainertums. Seine Erwartung war nicht irrational. Noch nie haben zwei Nationen mit einem Durchschnittsalter von über 40 Jahren Krieg gegeneinander geführt. Noch nie haben zwei Nationen mit einem Kriegsindex von 0,7 miteinander die Waffen gekreuzt.

Auf 1.000 Männer im Alter von 55–59 Jahren folgen nur noch 700 Jünglinge im Alter von 15–19 Jahren (Siehe hier). Beide Nationen haben auch in absoluten Zahlen weniger 15- bis 29-Jährige als je zuvor in den letzten 150 Jahren ihrer Geschichte (Siehe hier und hier). Putin musste also nicht wie 1999/2000 bei seinem Genozid in Tschetschenien (damals mit einem Kriegsindex über 4) erst einmal die jüngeren Brüder der bereits Kämpfenden ermorden lassen, um Russlands demografischen Nachteil auszugleichen. Damals beginnt die Männerfreundschaft mit SPD-Urgestein Gerhard Schröder. 

Die Ukraine hat kaum jüngere Brüder, die vom Mut der älteren inspiriert werden. Es hätte also reichen sollen, drei Viertel des verfügbaren russischen Militärs um die Ukraine aufmarschieren und dann einmarschieren zu lassen, um umgehend mit dem Genozid beginnen zu können. Der war anders als der Krieg – die Massengräber zeigen das – sorgfältig geplant. 

Zu den raren Ausnahmen, dass auch alternde Nationen entschlossen kämpfen, gehören mit Ausrottung bedrohte. Israel steht dafür exemplarisch. Die Ukraine hatte in der Sowjetunion bis 1991 nicht lernen dürfen, dass sie bereits 1932/33 im Holodomor das Opfer eines enormen russisch-bolschewistischen Völkermordes gewesen ist (Seitdem lernt das am Dnepr, nicht jedoch in Russland, jedes Kind. Und wer gelegentlich zweifelt, wird durch frische Massengräber eines Besseren belehrt.).

Es sind also gerade die beträchtlichen Verluste der Ukraine, die den Kampfesmut – und den Zuspruch für die Kiewer Regierung – nicht etwa verringern, sondern stetig steigern. Die Getöteten zeigen, dass vielfach mehr umgebracht würden, wenn man die Waffen niederlegt.  Das verstehen Putins westliche Freunde nicht. Sie reden vom Einstellen der Kämpfe zur Beendigung des Leidens. Die Ukrainer jedoch hören, dass sie sich widerstandslos abschlachten lassen sollen.

Es ist Russland, das aufgrund seiner rund 50.000 Gefallenen und Verstümmelten die Kampfbereitschaft verliert. Ihnen gehört das größte Land der Erde. Niemand bedroht sie mit Krieg oder gar Genozid. Wofür also die einzigen Söhne verheizen? Damit der Führer seine Blamage herauszögern kann? Wie die Imponier-Invasion Putin nicht vor dem Krieg bewahrt hat, kann ihn die Mobilisierung nicht davor schützen, dass er noch aussichtsloser wird. Jede Erweiterung seines Tötungspotenzials ermutigt noch mehr Ukrainer zum Widerstand. 

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Fred Burig / 21.09.2022

@Thomas Szabó :”... Möge der russische Chauvinismus eine noch nie dagewesen Niederlage erleiden!” Und was passiert dann???? Ich halte es für dringend notwendig, zwischen “Russland” und dem “Handeln Putins” schon etwas zu differenzieren! Sonst versteigt man sich wohl noch öfters, derart unbedachte und pauschal- diffamierende Kommentare - wie etwa ihren hier - zu verfassen! MfG

R.Camper / 21.09.2022

@Frank Rotschedl “Was war nochmal das erste Opfer des Krieges?” —- Nicht nur des Krieges, auch der “Pandemie”. Ein paar Bilder von ein Paar LKW in Bergamo, und die ganze Welt dreht durch. Man weiß um die Wirkung von Bildern, da sind Profis am Werk.

S. Andersson / 21.09.2022

@ Manfred Löffert - dem kann ich zustimmen. Hetze, Behauptungen und Propaganda war und ist Dumm. Glaubt auch keiner mehr. Die Medien sind und bleiben unglaubwürdig. Ich weiss das Waffen keinen Frieden schaffen…. Punkt! Es nützt wenigen und schadet sehr vielen. Und wenn interessiert heute noch eine Fahne oder ein Pass?? Gute und nette Menschen gibt es auf der ganzen Welt…

Rex Cramer / 21.09.2022

Sorry, aber für eine realistische Bewertung dieser Situation und potentieller Auswirkungen ist achgut mir zu transatlantisch vernagelt. Da bekommt man von Leuten wie Jacques Baud oder Larry Johnson oder auf “Moon of Alabama” gehaltvollere Informationen. Und weniger Einseitigkeit. Aber das sind als militärische, bzw nachrichtendienstliche (ex-Nato/US) Fachleute bestimmt Putin-Trolle. Sonst würden deren Darstellungen nicht derart diametral dem widersprechen, was man zum Thema u.a. hier und in der wertewestlichen Systempresse vorgesetzt bekommt.

Joachim Krone / 21.09.2022

Nachdem die USA es in Afghanistan nicht geschafft haben (zum zwoten Mal in ihrer Geschichte gegen ein kleines Völkchen), versuchen sie jetzt, Ukrainer und Russen sich gegenseitig ausmorden zu lassen, um dann die Rohstoffe am Weltmarkt verscherbeln zu können. Auf der Universität wurde uns immer von den grossen sowjetischen Wissenschaftlern und Mathematikern erzählt, von der Vernunft und dem wissenschaftlichen Marxismus. Und dann lassen die sich aufeinander hetzen wie Schuljungs! Follow the Science.

Silas Loy / 21.09.2022

Der Autor bezieht sich bei den Angaben zu den russischen Verlusten von 50.000 auf eine ukrainische Quelle. Das russische Verteidigungsministerium spricht dagegen von bisher etwa 6.000 eigenen und 60.000 ukrainischen Verlusten. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen. Zudem stellt er ganz ohne irgendeine Quelle die ungeheuerliche Behauptung auf, dass die Russen in der Ukraine von Anfang an einen Genozid geplant hätten und dies angeblich Massengräber auch beweisen würden. Welche Massengräber? Ein Massengrab ist eine grosse Grube mit einem Haufen Leichen. Die Gräber in Isjum jedenfalls waren normale Einzelgräber von vor allem Kriegstoten mit Kreuz und Namen auf dem städtischen Friedhof. Die haben jetzt die Ukrainer geöffnet und verbreiten medienwirksam Schauerliches.

Günter H. Probst / 21.09.2022

Lieber Gunnar, man lernt nie aus. Wer hätte gedacht, daß bei einem Kriegsindex von 0,7 ein Krieg geführt wird. Allerdings kann es nicht erstaunen, daß die Geheimdienst- und Militärdiktatur Rußland Krieg gegen ein schwächeres Nachbarland führt. Denn einerseits steht das ganz in der Raub- und Mordtradition Rußlands und andererseits ist es Sinn und Zweck eines Militärstaates, Krieg zu führen. Die eigene Bevölkerung, auch wenn es keine überschüssigen Jahrgänge gibt, ist aus der Sicht des Militärs lediglich Rekrutierungsmasse. Und für die Geheimdienste lediglich Spielball für Schikanen, Arbeitslager und Mordexperimente. Da der Mensch in diesem System keine Rolle spielt, ist es auch nicht verwunderlich, daß die gepreßten Soldaten sich dann ganz unsoldatisch als Plünderer, Vergewaltiger und Mörder betätigen. Und die Ukrainer tuen gut daran, ihr Land zu verteidigen, und sich eher nach menschlichen Verhältnissen , und nicht nach den russischen Systemverhältnissen zu sehnen. Als wir damals mit der 32.Brigade im Bereitstellungsraum der Westgruppe der Sowjets gegenüber lagen, wäre ich sehr sauer gewesen, wenn uns unsere Alliierten bei einem Kampf nicht die besseren Waffen geliefert hätten.

Thomas Szabó / 21.09.2022

Um die Mentalität von “Mütterchen Russland” in einem Bild zu veranschaulichen: Der Untergang des U-Bootes “Kursk”. Zu stolz um ausländische Hilfe anzunehmen, lässt sie ihre Söhne verrecken. Der Sprecher der Marine hält eine Ikone hoch und ruft zum Gebet. Putin wurde nachher wiedergewählt! Putins Werk ist vollbracht. Er hat sein Volk mental & moralisch degeneriert. Möge der russische Chauvinismus eine noch nie dagewesen Niederlage erleiden!

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