Gunnar Heinsohn / 02.03.2022 / 08:06 / Foto: Imago / 188 / Seite ausdrucken

Putin verrechnete sich mit dem kampflosen Sieg und steht nun mitten im Krieg

Dass Putin an die schnelle Kapitulation Kiews und das Überlaufen der ukrainischen Truppen wirklich geglaubt hat, belegt ein am Samstag, den 26. Februar bereitgestellter und nicht schnell genug gelöschter Triumphtext der staatlichen Nachrichtenagentur RIA-Novosti. Die pakistanische Frontier Post hatte sie beizeiten entdeckt und mit einem Screenshot gesichert.

Ein Propaganda-Autor namens Petr Akopov verkündet – nach einem offensichtlich schusslos erwarteten Spaziergang am 24. und 25. Februar – Moskaus Sieg. Er verwendet Originalton Putin. Die „nationale Demütigung“ durch Verlust der Ukraine im Dezember 1991, diese „furchtbare Katastrophe und unnatürliche Zerrissenheit“, sei endlich überwunden. Putin habe ganz allein „ohne einen Tropfen Übertreibung eine große historische Verantwortung übernommen, um die Lösung der ukrainischen Frage nicht künftigen Generationen aufzuhalsen“. Nun werde die Ukraine „reorganisiert, wiederhergestellt und in ihren natürlichen Zustand als Teil der russischen Welt zurückgeführt“.

Putin erleidet täglich mit rund 1.300 Mann so viele Gefallene wie Breschnew im Afghanistan-Krieg von 1979 bis 1989 in einem ganzen Jahr. Der verheerende Eindruck der geopferten einzigen Söhne bei seinem vergreisenden Volk gipfelt in der bizarren, ja verzweifelten Aufforderung an Google, die russischen Todeszahlen nicht mehr zu veröffentlichen. Die kennt aber jeder Russe genauso gut wie jeder Ukrainer. Hier in Danzig arbeiten über 40.000. Mit den direkt Benachbarten kommt es kaum noch zum Begrüßen, weil sie nicht nur nach Hause telefonieren, sondern auch Freunde und Verwandte in Russland rund um die Uhr informieren.

Gleichzeitig gibt es Interviews mit russischen Rekruten, die mit lustigen Manöverwochen in den Krieg gelockt und umstandslos mit Erschießung bedroht wurden, als sie sich über den lebensgefährlichen Betrug beschwerten. Beide Seiten können nicht lange kämpfen, aber die angegriffene mag nicht nur an die Freiheit, sondern auch an den Holodomor denken, der 1932 seinen Höhepunkt erreicht und bis heute der größte Genozid durch menschengemachten Hunger geblieben ist.

 

Gunnar Heinsohn hat 1993 an der Universität Bremen Europas erstes Institut für vergleichende Völkermordforschung aufgebaut und bis 2009 geleitet.

Foto: Imago

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Gerd Maar / 02.03.2022

@Franz Klar: wir wissen ja auch wer hier bis zuletzt zum Fuehrer im Kreml haelt- die Sympathisanten einer Splitterpartei die so aehnlich klingt wie der Vorname vom Groefaz.

Burkahrt Berthold / 02.03.2022

Lieber Herr Heinsohn, gibt es eine Quelle für die russischen Verluste? Meinen “Verluste” nur die Gefallenen oder schließen sie Verwundete, Gefangene (und ggf. Desertierte?) ein. Die von Ihnen genannte Zahl wäre schon sehr hoch und passt nicht recht zu den sonstigen Nachrichten - die aber ihrerseits unzuverlässig wirken. So erscheint im Moment selbst bei den Versuchen, die Tatsachen zu beschreiben, alles möglich und nichts überprüfbar. Was uns zu einer gewissen Zurückhaltung ermutigen sollte.

Klaus Keller / 02.03.2022

Vorschlag zur Vermeidung toter Zivilisten: Man sollte Freiwillige die in die Ukraine reisen und kämpfen wollen, wegen akuter Eigen.- und Fremdgefährdung in psychiatrische Kliniken einweisen. Wenn die Region wieder befriedet ist, kann man sie wieder entlassen. Wie ich die Bundesregierung im Moment einschätze, wird sie ihnen Waffen in die Hand drücken und die faz wird den patriotischen Triebtätern weiterhin zujubeln. Das Problem auch des politischen Triebtäters ist der Kontrollverlust, den man daran erkennen kann das die Leute sogar das eigene Leben aufs Spiel setzen wollen und das auch noch großartig finden. Profis mit ausreichend Distanz denken immer auch an die Eigensicherung.

Gabriele Schäfer / 02.03.2022

Frage: Wer ist von Ihnen direkt am Kampfgeschehen?  Antwort: Niemand !  Wenn ich die Klitschko-Brothers mit Helm sehe,  wird mir übel.  Noch eine Frage: Haben die einen teuren „ Exklusiv-Vertrag“ mit der B…....Zeitung?

Hans-Peter Dollhopf / 02.03.2022

Dieter Kief / 02.03.2022 : “Joe Biden in einer Ansprache an das amerikanische Volk: ‘Putin kann machen was er will, wir stehen fest an der Seite des Iran.’” - - - Wie geil! ;)))) Keine Fakenews von RT, um jeden Widerstand zwecklos scheinen zu lassen?

Steffen Huebner / 02.03.2022

Auf die kolportierten Zahlen zu Verlusten angesprochen, meinte der Militärstratege des österreichischen Bundesheeres, Bruno Hofbauer auf Servus- TV: Besonders mit Zahlen solle man vorsichtig umgehen.  Bestandteil jeder Kriegsführung sei schon von Beginn an die Propaganda und man müsse schon sehr sorgfältig über mehrere Quellen recherchieren, was wahrscheinlich sei und was nicht.

G. Böhm / 02.03.2022

@ Frank Brox an K. Kaden: Ihre Argumentation mag aus Ihrem persönlichen Blickwinkel zunächst logisch erscheinen, sie ist es nur eingeschränkt. Wir diskutieren hier überwiegend als absolute Laien und haben z. B. hinsichtlich der geltenden UN-Charta Null Kennung, von der ‘Kriegstechnik’ schon gar nicht. So zynisch und abstoßend dies scheinen mag, auch in diesem Handwerk gibt es Regeln. Eines der bekanntesten Werke ist das von C. von Clausewitz ‘Vom Kriege’. In Abhandlungen zu globalen Wettbewerbstrategien in der Wirtschaft insbesondere aus dem Amerikanischen und entsprechender Think Tanks wird auf solche Fundstellen reflektiert (auch Wirtschaft ist ‘Krieg’).  - Zu Ihrem Argument: In die Kunst des Krieges (aus dem Chinesischen) heißt es dazu: ‘Am besten wird das gesamte Land eingenommen, ohne es zu zerstören.’. Der nichterwartete flächige Angriff kann je nach Strategie und Taktik aus militär-theoretischer Sicht durchaus sinnvoll sein. AUSDRÜCKLICH möchte ich anmerken, daß ich mit den flachen Hinweisen KEINERLEI Wertungen oder ‘Verteidigungen’ dieser oder jener Seite vornehme. Noch eine marginale Anmerkung: Wenn man aufmerksam den Diskutanten vor der UN-Vollversammlung und im UN-Sicherheitsrat, auch dem Vertreter der USA, zuhört, dann wird überwiegend von einem ‘nichtprovozierten’ Angriffskrieg gesprochen und die folgende Verurteilung auf diesen begründet. Mit diesem Terminus sollte man sich gleichfalls völlig neutral ohne jegliche Scheuklappen auseinandersetzen dürfen (praktisch wie vor einem Gericht, wo beide Seiten zu hören sind). - Ergo: Insgesamt nur ein Gedankeneinwurf als Hinweis. | Komisch finde ich einen Nebensatz von Lindner, der in einer PK anmerkte, daß die jetzig kurzfristig beschlossenen Gegenmaßnahmen finanztechnischer Art wochenlang vorbereitet wurden.

Hans-Peter Dollhopf / 02.03.2022

Kostas Aslanidis / 02.03.2022 : “Das einzige was die NATOunterstuetzer koennen, ist beleidigen, weil Argumente ihnen ein Fremdwort ist, von sachlichkeit und hoeflichkeit ganz zu schweigen.” - - - Was war das denn für eine Projektion! ;))))

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