Der Jubel ist groß: Der Kläger, der Hartz IV für „ein soziales Verbrechen an Millionen von Menschen“ hält, fühlt sich als Sieger, Katja Kipping von der Linken feiert die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als einen „Festtag für die soziale Teilhabe”, andere sprechen von einem „riesigen Schritt für die Gerechtigkeit“, kurz: wir sind dem Paradies ein Stückchen nähergerückt.
Um Himmels willen – um im Bild zu bleiben. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht das Land von Milch und Honig ausgerufen, sondern die realitätsnahe Präzisierung von Bemessungsgrundlagen gefordert. Außerdem ist es ein Organ der Rechtsfindung, keine Versammlung von Erzengeln, die Gerechtigkeit verkünden.
Doch hierzulande pflegt offenbar jeder gleich in die ganz große Posaune zu tröten, wenn er sein Anliegen plausibel machen will. Zeit wär’s, die heiße Luft aus der Debatte herauszulassen und sich ohne Empörungsfanfaren der Lebenswirklichkeit zu nähern.
Besichtigen wir also ein Dilemma. Sozialleistungen sollen Menschen in einer Notlage helfen, es gibt ein Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum – das ist für jeden Einzelnen und für das Gemeinwesen insgesamt eine vernünftige Sache und friedensstiftend dazu. Dieses Recht hat jedoch seine natürliche Grenze am Vermögen des Staates, es auch durchzusetzen und an der Fähigkeit der Steuerzahler, für die Kosten aufzukommen. Daß die sich damit überstrapaziert fühlen, hat sich herumgesprochen: Wofür noch die Maloche, wenn man sich damit kaum besser steht als mit Staatsknete? Dann erhöhe man doch die Löhne und Gehälter, fordern die Gewerkschaften. Sicher. Damit könnte man Geringverdiener auch gleich beim Sozialamt anmelden.
Doch die Lobbyisten der sozialen Gerechtigkeit unterschätzen den wachsenden Unmut jener gewöhnlich zurückhaltenden Menschen, die man die ganz normalen, durchschnittlichen Steuerzahler nennen könnte. Bei ihnen macht sich das Gefühl breit, daß sie arbeiten und zahlen sollen, damit Parteien und Politiker Verfügungsmasse für jene sozialen Gaben haben, die sich zu Wahlkampfzwecken so gut eignen. Schon jetzt lebt fast jeder zweite Wahlberechtigte von Transfereinkommen, ist also staatsabhängig und damit Objekt der Fürsorge von Politikern, die jede Stimme brauchen. Wo der soziale Gedanke aufhört und die Klientelpolitik beginnt, ist oft ... mehr