Ein ganz ausgezeichneter Artikel. Ich kann mich nicht erinnern eine nur ansatzweise ähnlich gute Analyse schon mal wo gelesen zu haben. “Zu diesen Leitplanken gehört, dass wir einen Weg finden, verfolgten Menschen aus aller Welt Schutz zu bieten, aber dabei muss auch deutlich werden, dass bei dem heutigen Standard der Menschenrechte sicher 2 Mrd Erdenbürger in Deutschland Asyl finden könnten. Hier die Balance zu finden wird nicht einfach.”
Der moderne Sozialstaat hat die Solidargemeinschaften von der (Groß)Familie oder dem Dorf auf die Nation erweitert. Das Asylrecht erweitert nun eine Solidargemeinschaft von der Nation auf die Welt, allerdings nicht völlig unbeschränkt, sondern zunächst noch unter der Klausel, es müsse eine “Verfolgung” vorliegen, bevor jemand Nutznießer einer Solidarität werden kann. Momentan wird allerdings von vielen versucht, diese Klausel dahingehend aufzuweichen, daß das “Leben unter menschenunwürdigen Bedingungen” auch schon ausreichen soll, um die Solidarleistungen, d.h. die Einbürgerung und die daran hängenden weiteren Leistungen zu erhalten… Wenn aber als Nachweis dieser Bedingungen schon ausreichen soll, Bewohner des Kontinents Afrika zu sein, und diesen Eindruck hat man häufig (Stichwort Mittelmeerflüchtlinge), dann ist die resultierende Solidargemeinschaft ja doch auf einmal recht groß geworden. Das ist aus mehreren Gründen kritisch zu sehen. Zunächst einmal stehen, wie auch Günter Ederer anmerkt, die Möglichkeiten und Notwendigkeiten in einem gigantischen Mißverhältnis zueinander… es können bei diesen Ausweitungen die Leistungsträger nicht nur nicht so viel leisten, wie alle theoretisch vorhandenen Leistungsnehmer in Anspruch nehmen würden, sondern noch nicht einmal einen Bruchteil davon. Sehr ernst zu nehmen ist allerdings auch die Tatsache, daß viele Menschen in dieser “Solidargemeinschaft” ganz berechtigt das Gefühl NICHT haben, daß das Prinzip der Reziprozität gilt. Die Bereitschaft der Menschen, an einer Solidargemeinschaft teilzunehmen, kommt ja nicht dadurch zustande, daß die Menschen sich freuen, wenn sie ihre Barmherzigkeit mal so richtig ausleben können, sondern sie kommt dadurch zustande, daß man hilft, weil man weiß, daß einem selber dann auch geholfen wird, wenn Umstände eintreten, in denen das notwendig geworden ist. Und da ist einfach das Gefühl der Menschen hierzulande wohl kaum vorhanden, daß es einigermaßen absehbar einmal der Fall sein könnte, daß sie in eine Lage kommen, die Asylbereitschaft anderer Völker in Anspruch nehmen zu müssen… oder daß andere menschenunwürdige Verhältnisse wie etwa gravierender allgemeiner Wohlstandsverlust hierzulande derart massiv eintreten werden, daß man auf die Aufnahmebereitschaft anderer Weltregionen angewiesen sein wird. Nicht nur scheinen viele zu meinen, daß ein solcher Absturz unwahrscheinlich ist, sondern auch, daß im letzteren Fall, dem des ernsten Wohlstandsmangels, auch die Devise ausreichen würde, die ein ganzes Land nach 1945 befolgte: In die Hände spucken und daran arbeiten, daß die “menschenunwürdigen Verhältnisse” verschwinden. Eine derartige Gemeinschaft, wie sie das Asylrecht jetzt erzwingt, wird also praktisch von vielen Menschen gar nicht als Solidargemeinschaft empfunden (denn “Solidarität ist keine Einbahnstraße”), sondern das Asylrecht macht aus Deutschland ein Art Hilfsverein für Notleidende in der Welt, der sich selber die Regel gesetzt hat, daß es gesetzliche Ansprüche der Notleidenden in aller Welt gibt, Hilfe zu erhalten. Es sollte einleuchtend sein, daß es in diesem Verein zu gravierenden Problemen kommen kann, weil ja alle Menschen eines Landes zu einer Zwangsmitgliedschaft in diesem Verein verdonnert sind… und zwar genau dann, wenn die Zahl derer, die die gesetzlichen Ansprüche auf Hilfeleistungen auch wahrnehmen, plötzlich stark ansteigt. Die Lage spitzt sich zu, wenn dann obendrein noch ein mehr als nur ein ganz seltener Widerwille besteht, diese Hilfeleistungen bestimmten Menschen angedeihen zu lassen, nämlich jenen, bei denen die Hilfeleistenden die eigenen Opfer als besonders groß empfinden… etwa gegenüber Menschen, bei denen der Verdacht nicht so ohne weiteres ausgeräumt werden kann, sie würden die Gesellschaft der Hilfeleistenden auf der Basis fremder religiöser Anschauungen langfristig in eine ungute Richtung verändern (völlig unabhängig davon, ob sie diese Absicht bewußt verfolgen oder nicht). Nun meinen viele Menschen nicht unrichtig, es handele sich hier überhaupt nicht um Hilfeleistungen, denen gar keine Gegenleistungen gegenüberständen… sondern die Aufnahme und Anfangsversorgung wäre ja nur eine Vorstufe, die am Ende einen Mitbürger “erzeugt”, der Steuern bezahlt, der “die Renten für uns bezahlt”, wie es immer so schön heißt, und der sogar schon einen Gewinn durch seine kulturelle Andersartigkeit sein kann, der zwar nicht bezifferbar, aber jedenfalls groß sei. Es wäre aus meiner Sicht zu den beiden sich gegenüberstehenden Denkweisen vieles weitere zu sagen, aber aus Platzmangel laß ich es mal. Fazit wäre aber: Zwischen den beiden sich gegenüberstehenden Positionen müsste es eine Diskussion geben. D.h. die unterschiedlichen Positionen müssten überhaupt erstmal erläutert werden können, ohne daß der einen Seite ständig mit der Anklage “Ausländerfeind” oder Schlimmerem über den Mund gefahren wird. Wir sind aber momentan von der Möglichkeit einer solchen offenen Diskussion leider sehr weit entfernt. Dies wird den inneren Frieden absehbar, auf längere Frist gesehen, nachhaltig stören, und es ist sogar durchaus denkbar, daß es auch zu Gewalttaten aus der Gruppe Menschen heraus kommen wird, die sich andauernd und systematisch in eine benachteiligte Situation versetzt fühlt, indem man ihre als berechtigt gefühlten Vorstellungen immer nur verunglimpft. Man kann allerdings ziemlich sicher sein, daß es in solchen Fällen nicht dazu kommen wird, daß die üblichen Verdächtigen mit der gewohnten Sensibilität auf die Suche nach gesellschaftlichen oder anderen nichtpersönlichen Gründen für die Untaten gehen werden, sondern die Diagnose “Wahnsinnige” steht ja schon jetzt felsenfest.
Ich hoffe die Moralkeule schwingenden Gutmenschen der Politik lese Ihren Artikel.
Exzellenter Artikel, durchdacht von der 1. bis zur letzten Zeile. Danke!
Vielen Dank für den guten Kommentar, Herr Ederer. Ja, wir brauchen eine gesteuerte Zuwanderung und eine offene (!) gesellschaftliche Verständigung über unsere Werte - als Grundlage für eine vernünftige Zuwanderungspolitik. Ich bin kein Stammleser der “Achse des Guten”, ganz im Gegenteil stehe ich vielen Beiträgen kritisch bis ablehnend gegenüber. Doch ich freue mich, dass so differenzierende Aussagen zur Zuwanderung hier einen Platz haben.
Das dumme an Pegida ist es wird friedlich demonstriert, ohne Waffen ohne Gewalt. Linke Demonstrationen die grölend und zerstörerisch durch die Strasse ziehen, nimmt man zur Kenntnis. Andersdenkende, die die landläufige Meinung nicht vertreten, nimmt man auch ohne Krawall sehr genau war und man muss was dagegen tun. Nur was? So wie es im Grundgesetz steht, so demonstriert man in Dresden, keinen Ansatzpunkt um mit Polizei einzugreifen. Also muss die Politik zu diffamierenden Aussagen kommen, wie “kruder Haufen”, oder “eine Schande für Deutschland”. Was kommt als nächstes, “Kriminell” oder “Verbrecher”? Wer keine Argumente hat muss sich eben so helfen. Ist es nicht immer so gewesen das man durch diese Art der Argumentation die Rechten erkannt hat? So wurde es jedenfalls immer gesagt, von wem? Na von den Politikern.
“[...] die politische Kaste der Republik ist immer noch nicht bereit ihre Verantwortung für das, was sich im Land abspielt zu übernehmen”. In einer repräsentativen Demokratie mit GroKo ist das zu erwarten. Verantwortung übernehmen hieße Fehler eingestehen. Das ist wie Mikado: alle haben Fehler gemacht, Regierung wie grüne Opposition: Fehlentwicklungen wurden bewußt gefördert oder sogar erst aktiv ermöglicht. Aber wer sich zuerst bewegt, Fehler eingesteht, selbstkritisch eine Neuausrichtung überlegt, der wird abgestraft und muß den Ring der Macht verlassen. Niemand weiß das besser als Kanzlerin und Wirtschaftsminister. Niemand wird sich zuerst bewegen. Deswegen ist Pegida wichtig, unabhängig von inhaltlichem Durcheinander und rechtsextremen Flecken: 15.000 Personen sind mehr als jede übliche Gut-Gegendemo. 15.000 kann kein Qualitätsmedium wegschweigen. 15.000 pauschal als Nazis zu verunglimpfen, kann selbst Ministern auf die Füße fallen. Und dadurch vielleicht wieder Dynamik in einen völlig erstarrten deutschen Politikprozeß bringen.
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