Günter Ederer / 22.12.2014 / 14:16 / 7 / Seite ausdrucken

Pegida - die Frucht der Illusionen

Sich in die Nähe der Dresdner Montagsdemonstrationen zu begeben, ob physisch oder schriftlich heißt, extrem vermintes Gelände zu betreten. Wer sich den Todschlagargumenten anschließt, diese Demonstrationen seien eine Schande für Deutschland – widerwärtig und abscheulich (Justizminister Heiko Maas), bewegt sich innerhalb eines abgesicherten Meinungsfeldes, welches zwar keine direkten Gefahren für die politische Reputation birgt, das aber auch innerhalb eines hochexplosiven Umfelds liegt. Mit dieser Haltung wächst die Dichte und Sprengkraft, die sich da auf den Straßen von Dresden aufbaut.

Wer „diese Sorgen der Menschen ernst nimmt und sich mit der Angst der Demonstranten auseinandersetzen will“ (Innenminister Lothar de Maiziere), läuft Gefahr, als Verharmloser oder sogar als Wegbereiter der Parolen verdammt zu werden, die Deutschland aufschrecken. Die Wucht, mit der mittlerweile die auf 15 000 Teilnehmer angewachsene weitgehend schweigende Demonstration die Nation irritiert, hat bisher gleichzeitig verhindert, die tiefliegenden Ursachen zu erkennen, die eine solche „Bewegung“ auslösen.

Wie einfach wäre es, wenn da Neonazis unter der Führung des mehrfach vorbestraften Lutz Bachmann grölend durch Dresden ziehen würden, mit Parolen: „Ausländer raus“ oder „Juda verrecke“. Selbst die „Pro NRW“ oder „Pro Köln“ Gruppen, die vorgeben gegen die Islamisierung Europas zu kämpfen, aber längst integrierte Deutsche türkischer und arabischer Abstammung bedrohen - auch gegen sie lässt sich schnell eine viel größere Gegendemonstration organisieren. Was die Demonstrationen in Dresden so brisant machen, sind nicht nur die große Zahl der Teilnehmer, sondern auch viele ihre Forderungen, die zumindest vordergründig nicht unvernünftig erscheinen.

Doch es geht inhaltlich drunter und drüber. Die Arbeitnehmer-Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union, die dringend erwünschte Einwanderung von Fachkräften, die Aufnahme von Flüchtlingen, die Illegalen aus aller Herren Länder, Kriminelle aus Europa, ein überfordertes Asylverfahren und eine politische Diskussion zwischen romantischen Wunschvorstellungen und unverhohlener Ausländerfeindlichkeit. Und über dieser unübersichtlichen Gemengelage schwebt der Umgang mit dem Islam. Was immer ich bisher über die Dresdener Demonstrationen gelesen habe, was immer bisher sich an brutaler Ablehnung und großartiger Hilfsbereitschaft für die Flüchtlinge ereignet hat, die politische Kaste der Republik ist immer noch nicht bereit ihre Verantwortung für das, was sich im Land abspielt zu übernehmen, sondern verharrt weiter in den Schützengräben eines Dauerwahlkampfs. Aber nicht die teils hysterischen Distanzierungen von den Pegida-Mitläufern beruhigen die Bürger, sondern ein für die Mehrheit der Deutschen nachvollziehbare Einwanderungsgesetzgebung. Und die war und ist nicht vorhanden.

Eine Auswahl an Erlebnissen über die ungesteuerte Entwicklung Deutschlands zu einem Einwanderungsland, über die ich im ZDF berichten konnte: 1970 in der Außenstelle der Bundesanstalt für Arbeit in Istanbul. Jeden Tag wurden dort 1000 fast ausschließlich Männer für den deutschen Arbeitsmarkt abgefertigt. Ich drehte damals einen Film für die Wirtschaftssendung „Bilanz“ des ZDF. In Reih und Glied standen die Männer in Unterhosen und wurden von deutschen Ärzten begutachtet. Die Kriterien: Fettpolster, Muskulatur und Kaufähigkeit. Wer auch noch die Urinprobe überstand, wurde noch in der selben Nacht Richtung „Alemanya“ geschickt. Wenige Tage, nachdem die Männer ihre oft tausend Kilometer und mehr von Istanbul gelegene Dörfer verlassen hatten, fanden sie sich in deutschen Massenunterkünften in den Fabriken wieder – überzeugt davon, das große Los gezogen zu haben. Sie verdienten an einem Tag, was sie in der Türkei noch nicht einmal im Monat erzielen konnten.

Wenn wir damals durch türkische Dörfer fuhren, wurden unsere Hände mit Rosenöl eingerieben, ein Festmahl zubereitet, und wie Heilsbringer begrüßt. Die Hauptsache, wir verschafften ein paar Männern im Dorf einen Arbeitsplatz in Deutschland. Ein Bürgermeister aus Ostanatolien ist mir bis nach Wiesbaden in die Redaktion nachgereist: Drei Männer in Deutschland und sein Dorf kann einen Lastwagen kaufen, um das Gemüse auf den nächsten Markt zu bringen.

Es war die Zeit, in der wir Filme über unzumutbare Massenunterkünfte in Deutschland drehten. In der die Ankunft der Millionen Gastarbeiter wie Siegesmeldungen verkündet wurden und allen klar war: Die werden nach ein paar Jahren wieder nach Hause gehen. An Einwanderung oder gar an Integration dachte niemand. Dass diese „Arbeitskräftebeschaffung“ auch volkswirtschaftlich falsch sein könnte, wurde weder von den Arbeitgebern, noch von den Gewerkschaften hinterfragt. Denn die über eine Million unbesetzter Stellen konnten nur so bedient werden.
In meinen Filmen zeigten wir türkische Bergwerke, denen alle Facharbeiter von der Ruhrkohle abgeworben wurden und die deshalb die Kohleförderung einstellen mussten. Die Türken wurden bei uns in die hochsubventionierten Bergwerke geschickt, in denen, trotz hoher Löhne, kein Deutscher mehr arbeiten wollte.  Die sterbende Textilindustrie wurde mit Hilfe türkischer Textilarbeiter noch ein paar Jahre künstlich am Leben gehalten. Dafür zeigten wir eine nagelneue Baumwollspinnerei inmitten türkischer Baumwollfelder die still stand, weil die Facharbeiter nach Deutschland abgewandert waren.

Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts machte ich dann wieder Filme in der Türkei. Dieses Mal zeigten wir Unternehmen die von ehemaligen Gastarbeitern gegründet worden waren. Nach der Ölkrise 1973 brachen alle die künstlich am Subventionstropf erhaltenen Arbeitsplätze weg und plötzlich hatten wir Gastarbeiter, die keiner mehr brauchte. Also nahm die damalige Bundesregierung über eine Milliarde Mark in die Hand und half damit rückkehrwilligen Türken bei der Gründung von Unternehmen in ihrer Heimat. Ich erinnere mich an ein Zementwerk in Yozgat, eine Chemiefabrik in Sereflikochisar, ein Bauunternehmen in Istanbul. Aber das waren nur Tropfen auf einen heißen Stein. Die Masse der Gastarbeiter wurde sesshaft. In ihrer ursprünglichen Heimat wechselten Militärputschs mit Wirtschaftskrisen, kaum ein Anreiz zurück in die Arbeitslosigkeit zu wechseln. Hier in Deutschland aber wurden sie vor allen in den Regionen mit sterbenden Zechen, schließenden Stahlwerken und einer zusammenbrechenden Textilindustrie zum Bodensatz einer zähen Arbeitslosigkeit – im Ruhrgebiet bis zum heutigen Tage.

Das Desinteresse an den Lebensumständen der Gastarbeiter aber schlug um in Ablehnung. Sie wurden jetzt vor allem von den Inhabern wenig qualifizierter Jobs als Konkurrenten und damit als Bedrohung wahrgenommen. Eine Politik, die sich dieses Problems angenommen hätte, war aber bei keiner Partei zu finden – außer vielleicht Schlagworte, die auf Wählerstimmen abzielten. Offiziell gab es zwar einen Anwerbestopp, aber der Nachzug von Kindern, Ehefrauen und Neuvermählten, und Asylanten, darunter viele Kurden, sorgten dafür, dass sich die Ghettobildung in einigen Regionen der Republik entwickeln konnte.

Während sich die ehemaligen Gastarbeiter aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union weitgehend integrierten, wuchsen die Probleme mit den Ghettos, mit Türken, Arabern und Einwandern aus Russland immer stärker. Es gab Klassen in Schulen, in denen die eine Hälfte der Kinder türkisch und die andere Russisch sprach. Zwei Deutsche oder besser gesagt: Deutschsprechende, waren übrig geblieben. Wie soll da eine Integration in die deutsche Gesellschaft möglich sein. Wer musste sich da wohl wem anpassen? Irgendwann in den späten 80er Jahren wurde dann endlich von einer notwendigen Einwanderungspolitik geredet. Aber während die einen – vor allem die Grünen - gleich von doppelter Staatsangehörigkeit und einer weitgehend großzügigen Vergabe der deutschen Staatsangehörigkeit ohne Bedingungen forderten, hatten es die Konservativen schwer, sich damit abzufinden, dass Deutschland zu einem Einwanderungsland geworden war.

Die erschreckende Zwiespältigkeit wurde ab Mitte des letzten Jahrzehnts deutlich, als Flüchtlinge des Balkankrieges abgeschoben wurden. Es war im Sauerland, wo wir Zeugen wurden, wie Familien, die sich voll in die deutsche Gesellschaft integriert hatten, nachts abgeholt wurden, zum Autobahnparkplatz an der A 44 gefahren wurden, wo sie alles was mehr als 20 Kilo wog zurücklassen mussten, dann mit einem Bus zum Flughafen Münster/Osnabrück gefahren wurden und ab ging es in den Kosovo oder nach Mazedonien.

Kinder wurden aus der Schule geholt, Handwerker mussten Aufträge ablehnen, weil ihr Mitarbeiter abgeholt worden war. Kollegen und Schulkameraden protestierten, der Bürgermeister von Arnsberg schaltete sich ein und versuchte die Abschiebungen zu verhindern. Nichts half. Der damalige Innenminister von NRW Fritz Behrends war nicht zu sprechen. Hier waren Kriegsflüchtlinge, die sich zehn Jahre nichts hatten zuschulden kommen lassen, die gezeigt hatten, dass sie sich integrieren wollten, und sie wurden abgeschoben. Gleichzeitig ist es nicht möglich, Kriminelle, Islamextremisten und Jugendliche mit ellenlangen Strafregistern aus dem Land zu schaffen. Wer soll das verstehen?

Wenn die CSU sagt: „Wer betrügt, der fliegt“, dann wird unterstellt, mit solchen Parolen würde die Fremdenfeindlichkeit geschürt. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Eine für Bürgerinnen und Bürgern nachvollziehbare Einwanderungs-, Flüchtlings- und Asylgesetzgebung ist nötig, damit Sprüche der Rattenfänger von Rechtsaußen und die nationalkonservativen Deutschtümler nicht stille oder offene Zustimmung erhalten. Es geht auch längst nicht mehr darum, zwischen Deutschen und Zuwanderern zu unterscheiden. Es geht darum, dass gesetzestreue, friedliche Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in einem komplexen Industriestaat zusammen leben und seinen Wohlstand erhalten und mehren. Meine sämtlichen Nachkommen haben einen Migrantenhintergrund. In unserem Dorf in Rheinhessen leben Menschen aus allen Teilen Europas und allen Kontinenten. Aber gegen Kriminelle, egal woher sie kommen, gegen Faulenzer mit und ohne deutschen Pass, gegen gewaltbereite Religionsfanatiker, da sind wir uns alle einig. Und alle wollen auf einen Weihnachtsmarkt und nicht auf einen Wintermarkt und alle gehen singend am St. Martinstag durch die Dorfstraßen und nicht an einem „Sonne-Mond-und Sternentag.“ Und es ist und war kein Tema, mittellosen Neubürgern aus dem Balkan zum Beispiel, die hier gestrandet sind, sofort mit allem zu helfen, was sie benötigen.

Wenn heute schon in vielen Städten mehr Kinder in der Schule einen Migrationshintergrund haben, als „reinrassige“ Deutsche, dann brauchen wir doch keine Debatte mehr führen, ob die Nation bunter wird. Wir müssen aber dringend Regeln schaffen, die diesem neuen Menschengemisch in der Mitte Europas Leitplanken bietet, die von einer überwältigenden Mehrheit begrüßt und von einer großen Minderheit wenigstens akzeptiert werden. Einen Bodensatz von Rassisten wird es immer geben.
Zu diesen Leitplanken gehört, dass wir einen Weg finden, verfolgten Menschen aus aller Welt Schutz zu bieten, aber dabei muss auch deutlich werden, dass bei dem heutigen Standard der Menschenrechte sicher 2 Milliarden Erdenbürger in Deutschland Asyl finden könnten. Hier die Balance zu finden wird nicht einfach. Mit den heutigen Vorstellungen wird das nicht gehen – gerade nicht, bei der Aufnahme von „Wirtschaftsflüchtlingen“.

So wird eine der Leitplanken festlegen müssen, wie viele Menschen wir pro Jahr aufnehmen können, woher sie kommen dürfen und welche Qualifikation sie mitbringen. Auf keinen Fall darf das dazu führen, dass wir nur gutausgebildete Menschen ansaugen, die in ihren Heimatländern auch dringend gebraucht werden und wir eine Sozialselektion betreiben.

Auch wenn das zurzeit gerade von den „Nichtregierungsorganisationen“ die ein viel großzügigeres Asylrecht fordern gerne verdrängt wird: Es ist auch eine viel stärkere Diskussion notwendig, in der wir bald zu Ergebnissen kommen müssen, in der wir festlegen, wie wir mit Staaten umgehen, die die Flüchtlingswellen auslösen. Am Beispiel Syrien wird das deutlich: Die Menschen, die sich unter Lebensgefahr zu uns retten, wären gerne in ihrer Heimat geblieben. Aber als ihr Diktator anfing Bomben auf die Städte zu werfen, hat sich der Westen zurückgehalten. Mittlerweile wird die Bevölkerung zwischen Terroristen und einer Terror-Regierung aufgerieben.  Ist es wirklich genug, hunderttausende Vertriebene aufzunehmen, oder wäre es nicht an der Zeit, eine europäische Eingriffsarmee zu bilden, die solche verbrecherische Gewaltherrscher aus dem Amt jagt?

Im Irak haben die Amerikaner den Diktator Saddam Hussein beseitigt, in Libyen vor allem die Franzosen Muammar al-Gaddafi. In beiden Staaten wird gekämpft, Stämme untereinander, Schiiten gegen Sunniten. Ist das eine Begründung dafür, das Assad-Regime ungebremst gegen seine Bürger wüten zu lassen? Zu einer Asyl- und Flüchtlingspolitik gehört auch wieder eine Justierung der Werteskala der Demokratien. Und davon sind wir meilenweit entfernt. Auch das spüren die Pegida-Mitläufer. 

Zu diesen Leitplanken gehört ein uneingeschränktes Bekenntnis zu unseren Grundrechten. Religiöse und traditionelle Gepflogenheiten können nicht dazu führen, dass unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit die Entwicklung Europas von der Aufklärung über die Französische Revolution bis zur Gleichberechtigung der Frau alles wieder in Frage gestellt wird. Selbst Ansätze einer parallelen islamischen Rechtsprechung muss zur Ausweisung der Betroffenen führen. Wir sind es auch den Flüchtlingen aus Staaten des Nahen und Mittleren Ostens schuldig, dass sie hier nicht von einer Fatwa – einem Tötungsbefehl – bedroht werden, dass Frauen die selbstbestimmt leben wollen, der Schutz verwehrt wird, weil es die Tradition oder Religion ihrer Vorfahren verlangt.

Zu den Leitplanken der Einwanderungs- und Ausländerpolitik gehört auch eine Überprüfung unserer Beziehungen zur Türkei des Recep Tayyip Erdogans, der sich zu einem autoritären intoleranten Islamförderer entwickelt. Als wir vor 40 Jahren die Einwanderung der Türkei ankurbelten, gab es in dort eine strenge Trennung zwischen Staat und Religion. Frauen mit Kopftüchern waren so gut wie nicht zu sehen, die Moscheen kaum besucht. Über Jahrzehnte waren dadurch auch die offiziellen Gesprächspartner der Türkei laizistisch orientiert. Eifernde Imame in Deutschland liefen Gefahr bei einer Rückkehr nach Anatolien verhaftet zu werden. Einige der damals religiösen Führer erhielten bei uns politisches Asyl, weil gegen sie in der Türkei ein Haftbefahl vorlag. Vielleicht erinnern sie sich noch an Metin Kaplan, den selbst ernannten Kalifen von Köln.

Das ist heute anders. Botschaft und Konsulate der Türkei repräsentieren heute einen zunehmend religiösen Staat, der sich immer weiter von den westlichen Vorstellungen einer Demokratie entfernt und der auch massiven Einfluss auf seine in Deutschland lebenden Staatsbürger nimmt. Ist es wirklich im Interesse der in Deutschland lebenden Menschen, gerade der nicht religiösen Türken, wenn wir Erdogan-Anhängern zu ihrem türkischen, auch noch einen deutschen Pass geben und sie damit Einfluss auf die Gesetzgebung unseres Landes nehmen können? Für mich ist das ein falsches Signal – die doppelte Staatsangehörigkeit führt zu doppelten Loyalitäten und wird unweigerlich zu gravierenden Spannungen in der Gesellschaft führen. Das hat nichts mit Deutschtümelei zu tun, denn es geht hier nicht um die Geburtsdeutschen, sondern um all die Menschen, die sich für dieses Land entschieden haben, weil sie unseren Rechtsstaat dem Chaos ihrer früheren Heimat vorziehen - den lohnt es sich zu verteidigen.

Die ganze Problematik der Gewalt und innerislamischen Kriege in den Staaten, in denen der Koran auch die Gesetze bestimmt will ich hier nicht behandeln. Das wäre eher ein eigenes Buch, als nur ein Beitrag in der Achse. Aber nach meinen Erfahrungen vom revolutionären Iran, über dem Wahabitenreich der Saudis, zu den Christenverfolgungen in Indonesien und Malaysia lassen im Umgang mit dem Islam in Deutschland nur einen Schluss zu: Wir müssen ohne Abstriche darauf bestehen, dass die Menschen, die hier leben und auch noch die deutsche Staatsangehörigkeit beanspruchen, verlangen, dass sie uneingeschränkt unser Grundgesetz akzeptieren. Für Interpretationen, die sich aus dem Koran und damit der Scharia ableiten gibt es keinen Spielraum. Wer mit dieser Klarheit experimentiert, darf sich dann nicht beschweren, wenn Pegida nur ein Vorspiel noch ganz anderer Spannungen in Deutschland wird. Und das hat mit unserem Staat oder mit Deutschtümelei nichts zu tun. Diese Spannungen gibt es zurzeit in fast allen europäischen und Einwanderungsstaaten – von Australien bis Schweden, der Schweiz bis Kanada.

Ja die Politik ist gefragt, damit Pegida nicht zu einer „unerwünschten Volksbewegung“ führt. Aber gefragt ist eine von den Bürgern mitgetragene Einwanderungsgesetzgebung, nicht wohlfeile Sprüche, die sich in der Ablehnung der Dresdner Demonstrationen überbieten. Das verführt dann schlichtere Gemüter zu abstrusen Überhöhungen , wie sie der für unterhaltsame Sprüche zuständige Berufstalker Markus Lanz in einer seiner letzten Sendungen sinngemäß unterbrachte: „99% der Mohammedaner sind weltweit die friedliebendsten Menschen der Welt.“  Ich weiß nicht, in welcher Welt er lebt, in der realen Welt am Jahresende 2014 sicher nicht.

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Till Benz / 24.12.2014

Ein ganz ausgezeichneter Artikel. Ich kann mich nicht erinnern eine nur ansatzweise ähnlich gute Analyse schon mal wo gelesen zu haben. “Zu diesen Leitplanken gehört, dass wir einen Weg finden, verfolgten Menschen aus aller Welt Schutz zu bieten, aber dabei muss auch deutlich werden, dass bei dem heutigen Standard der Menschenrechte sicher 2 Mrd Erdenbürger in Deutschland Asyl finden könnten. Hier die Balance zu finden wird nicht einfach.”

Max Wedell / 23.12.2014

Der moderne Sozialstaat hat die Solidargemeinschaften von der (Groß)Familie oder dem Dorf auf die Nation erweitert. Das Asylrecht erweitert nun eine Solidargemeinschaft von der Nation auf die Welt, allerdings nicht völlig unbeschränkt, sondern zunächst noch unter der Klausel, es müsse eine “Verfolgung” vorliegen, bevor jemand Nutznießer einer Solidarität werden kann. Momentan wird allerdings von vielen versucht, diese Klausel dahingehend aufzuweichen, daß das “Leben unter menschenunwürdigen Bedingungen” auch schon ausreichen soll, um die Solidarleistungen, d.h. die Einbürgerung und die daran hängenden weiteren Leistungen zu erhalten… Wenn aber als Nachweis dieser Bedingungen schon ausreichen soll, Bewohner des Kontinents Afrika zu sein, und diesen Eindruck hat man häufig (Stichwort Mittelmeerflüchtlinge), dann ist die resultierende Solidargemeinschaft ja doch auf einmal recht groß geworden. Das ist aus mehreren Gründen kritisch zu sehen. Zunächst einmal stehen, wie auch Günter Ederer anmerkt, die Möglichkeiten und Notwendigkeiten in einem gigantischen Mißverhältnis zueinander… es können bei diesen Ausweitungen die Leistungsträger nicht nur nicht so viel leisten, wie alle theoretisch vorhandenen Leistungsnehmer in Anspruch nehmen würden, sondern noch nicht einmal einen Bruchteil davon. Sehr ernst zu nehmen ist allerdings auch die Tatsache, daß viele Menschen in dieser “Solidargemeinschaft” ganz berechtigt das Gefühl NICHT haben, daß das Prinzip der Reziprozität gilt. Die Bereitschaft der Menschen, an einer Solidargemeinschaft teilzunehmen, kommt ja nicht dadurch zustande, daß die Menschen sich freuen, wenn sie ihre Barmherzigkeit mal so richtig ausleben können, sondern sie kommt dadurch zustande, daß man hilft, weil man weiß, daß einem selber dann auch geholfen wird, wenn Umstände eintreten, in denen das notwendig geworden ist. Und da ist einfach das Gefühl der Menschen hierzulande wohl kaum vorhanden, daß es einigermaßen absehbar einmal der Fall sein könnte, daß sie in eine Lage kommen, die Asylbereitschaft anderer Völker in Anspruch nehmen zu müssen… oder daß andere menschenunwürdige Verhältnisse wie etwa gravierender allgemeiner Wohlstandsverlust hierzulande derart massiv eintreten werden, daß man auf die Aufnahmebereitschaft anderer Weltregionen angewiesen sein wird. Nicht nur scheinen viele zu meinen, daß ein solcher Absturz unwahrscheinlich ist, sondern auch, daß im letzteren Fall, dem des ernsten Wohlstandsmangels, auch die Devise ausreichen würde, die ein ganzes Land nach 1945 befolgte: In die Hände spucken und daran arbeiten, daß die “menschenunwürdigen Verhältnisse” verschwinden. Eine derartige Gemeinschaft, wie sie das Asylrecht jetzt erzwingt, wird also praktisch von vielen Menschen gar nicht als Solidargemeinschaft empfunden (denn “Solidarität ist keine Einbahnstraße”), sondern das Asylrecht macht aus Deutschland ein Art Hilfsverein für Notleidende in der Welt, der sich selber die Regel gesetzt hat, daß es gesetzliche Ansprüche der Notleidenden in aller Welt gibt, Hilfe zu erhalten. Es sollte einleuchtend sein, daß es in diesem Verein zu gravierenden Problemen kommen kann, weil ja alle Menschen eines Landes zu einer Zwangsmitgliedschaft in diesem Verein verdonnert sind… und zwar genau dann, wenn die Zahl derer, die die gesetzlichen Ansprüche auf Hilfeleistungen auch wahrnehmen, plötzlich stark ansteigt. Die Lage spitzt sich zu, wenn dann obendrein noch ein mehr als nur ein ganz seltener Widerwille besteht, diese Hilfeleistungen bestimmten Menschen angedeihen zu lassen, nämlich jenen, bei denen die Hilfeleistenden die eigenen Opfer als besonders groß empfinden… etwa gegenüber Menschen, bei denen der Verdacht nicht so ohne weiteres ausgeräumt werden kann, sie würden die Gesellschaft der Hilfeleistenden auf der Basis fremder religiöser Anschauungen langfristig in eine ungute Richtung verändern (völlig unabhängig davon, ob sie diese Absicht bewußt verfolgen oder nicht). Nun meinen viele Menschen nicht unrichtig, es handele sich hier überhaupt nicht um Hilfeleistungen, denen gar keine Gegenleistungen gegenüberständen… sondern die Aufnahme und Anfangsversorgung wäre ja nur eine Vorstufe, die am Ende einen Mitbürger “erzeugt”, der Steuern bezahlt, der “die Renten für uns bezahlt”, wie es immer so schön heißt, und der sogar schon einen Gewinn durch seine kulturelle Andersartigkeit sein kann, der zwar nicht bezifferbar, aber jedenfalls groß sei. Es wäre aus meiner Sicht zu den beiden sich gegenüberstehenden Denkweisen vieles weitere zu sagen, aber aus Platzmangel laß ich es mal. Fazit wäre aber: Zwischen den beiden sich gegenüberstehenden Positionen müsste es eine Diskussion geben. D.h. die unterschiedlichen Positionen müssten überhaupt erstmal erläutert werden können, ohne daß der einen Seite ständig mit der Anklage “Ausländerfeind” oder Schlimmerem über den Mund gefahren wird. Wir sind aber momentan von der Möglichkeit einer solchen offenen Diskussion leider sehr weit entfernt. Dies wird den inneren Frieden absehbar, auf längere Frist gesehen, nachhaltig stören, und es ist sogar durchaus denkbar, daß es auch zu Gewalttaten aus der Gruppe Menschen heraus kommen wird, die sich andauernd und systematisch in eine benachteiligte Situation versetzt fühlt, indem man ihre als berechtigt gefühlten Vorstellungen immer nur verunglimpft. Man kann allerdings ziemlich sicher sein, daß es in solchen Fällen nicht dazu kommen wird, daß die üblichen Verdächtigen mit der gewohnten Sensibilität auf die Suche nach gesellschaftlichen oder anderen nichtpersönlichen Gründen für die Untaten gehen werden, sondern die Diagnose “Wahnsinnige” steht ja schon jetzt felsenfest.

Matthias Strickling / 23.12.2014

Ich hoffe die Moralkeule schwingenden Gutmenschen der Politik lese Ihren Artikel.

Thomas Bonin / 22.12.2014

Exzellenter Artikel, durchdacht von der 1. bis zur letzten Zeile. Danke!

Michael Kraus / 22.12.2014

Vielen Dank für den guten Kommentar, Herr Ederer. Ja, wir brauchen eine gesteuerte Zuwanderung und eine offene (!) gesellschaftliche Verständigung über unsere Werte - als Grundlage für eine vernünftige Zuwanderungspolitik. Ich bin kein Stammleser der “Achse des Guten”, ganz im Gegenteil stehe ich vielen Beiträgen kritisch bis ablehnend gegenüber. Doch ich freue mich, dass so differenzierende Aussagen zur Zuwanderung hier einen Platz haben.

Reiner Schöne / 22.12.2014

Das dumme an Pegida ist es wird friedlich demonstriert, ohne Waffen ohne Gewalt. Linke Demonstrationen die grölend und zerstörerisch durch die Strasse ziehen, nimmt man zur Kenntnis. Andersdenkende, die die landläufige Meinung nicht vertreten, nimmt man auch ohne Krawall sehr genau war und man muss was dagegen tun. Nur was? So wie es im Grundgesetz steht, so demonstriert man in Dresden, keinen Ansatzpunkt um mit Polizei einzugreifen. Also muss die Politik zu diffamierenden Aussagen kommen, wie “kruder Haufen”, oder “eine Schande für Deutschland”. Was kommt als nächstes, “Kriminell” oder “Verbrecher”? Wer keine Argumente hat muss sich eben so helfen. Ist es nicht immer so gewesen das man durch diese Art der Argumentation die Rechten erkannt hat? So wurde es jedenfalls immer gesagt, von wem? Na von den Politikern.

Heinrich Rabe / 22.12.2014

“[...] die politische Kaste der Republik ist immer noch nicht bereit ihre Verantwortung für das, was sich im Land abspielt zu übernehmen”. In einer repräsentativen Demokratie mit GroKo ist das zu erwarten. Verantwortung übernehmen hieße Fehler eingestehen. Das ist wie Mikado: alle haben Fehler gemacht, Regierung wie grüne Opposition: Fehlentwicklungen wurden bewußt gefördert oder sogar erst aktiv ermöglicht. Aber wer sich zuerst bewegt, Fehler eingesteht, selbstkritisch eine Neuausrichtung überlegt, der wird abgestraft und muß den Ring der Macht verlassen. Niemand weiß das besser als Kanzlerin und Wirtschaftsminister. Niemand wird sich zuerst bewegen. Deswegen ist Pegida wichtig, unabhängig von inhaltlichem Durcheinander und rechtsextremen Flecken: 15.000 Personen sind mehr als jede übliche Gut-Gegendemo. 15.000 kann kein Qualitätsmedium wegschweigen. 15.000 pauschal als Nazis zu verunglimpfen, kann selbst Ministern auf die Füße fallen. Und dadurch vielleicht wieder Dynamik in einen völlig erstarrten deutschen Politikprozeß bringen.

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