Rainer Bonhorst / 09.12.2021 / 06:10 / Foto: Olaf Kosinsky / 66 / Seite ausdrucken

Olaf Scholz ist eindeutig Retro

Jetzt haben wir tatsächlich einen neuen Bundeskanzler. Sogar einen mit Glatze. Die Geschlechtsumwandlung im Amt ist vollzogen. Wer in diesem Jahrhundert zur Welt gekommen ist, muss im Glauben aufgewachsen sein, das Amt des Regierungschef sei Frauensache.

Buben des Jahrgangs 2005 und jünger dürften sich in 16 Merkel-Jahren darauf eingerichtet haben, dass da eine gläserne Decke über ihnen hängt, die sie wohl kaum durchstoßen werden. Aber jetzt haben sie in Olaf Scholz doch wieder ein Rollenvorbild gefunden: Mit etwas Glück im Unglück kann man es auch als Knabe schaffen.

Wir Älteren wissen natürlich, dass die Merkel-Generation auf den Schultern vieler Vorgänger-Generationen steht. They didn't start the fire, um Billy Joel zu zitieren. Vor Angela Merkel gab es eine Generation Kohl. Die hat sich aus irgendwelchen, vielleicht aus optischen Gründen nicht so genannt. Dabei war Helmut Kohl genauso lange im Amt wie sein Mädel. Und er hat für sie eigens die DDR-Grenze abgeschafft, damit sie ihn im Westen einholen konnte. Nein, man sprach lieber von der Generation Golf, weil damals das Autofahren noch nicht geächtet war. Und weil das Willy Brandt und Helmut Schmidt mit einschloss.

Generation Käfer? Generation Adenauer?

Ich gehöre als lebensälterer Mitbürger noch zur Generation Käfer, obwohl ich damals eine Ente gefahren habe. Generation Adenauer? Hat man auch nicht gesagt. War zu spießig, obwohl die Generation Adenauer auch die Generation Elvis ist. Konrad Adenauer – mit seinen 14 Amtsjahren der Pionier des deutschen Kanzler-Marathons – war zwar kein Elvis Presley-Fan. Aber er hat dafür gesorgt, dass die Bundesrepublik nach Westen, also in Richtung Rock'n'Roll schaute. 

Im Rückblick fällt – um kurz auf den Ausgangspunkt zurückzukommen – natürlich auf, dass Angela Merkel unter Gender-Gesichtspunkten ein Unikat war und Olaf Scholz eindeutig Retro ist. Ein Normalo. Aber fast wäre es gar nicht dazu gekommen. Wenn Annalena Baerbock sich nicht so dämlich angestellt hätte, wäre es zu einem Frauen-Kontinuum an der Spitze der Regierung gekommen. Tja, Künstlerinnenpech. Weil sie den Grünen den Weg ins Kanzleramt vermasselt hat, muss sie zur Strafe nun als Außenministerin Putin und Erdogan besuchen.

Die Frage ist, ob es jetzt eine Generation Scholz geben wird. Wieder 16 Jahre? Wenn Scholz es schafft, sein wackeliges Dreierbündnis volle vier Jahre über die Runden zu bringen, hat er sich einen Orden verdient, den er vielleicht noch nicht hat. Nein, es wird wohl eher eine Generation E-Auto oder eine Generation No Car werden. 

Schmeißt die Kerle raus!

Und hoffentlich eine Generation Regierungswechsel. Der Nachwuchs soll staunend erleben, dass ein Regierungswechsel in einer Demokratie das Normalste von der Welt ist. Schmeißt die Kerle raus, wie die Amerikaner das Kernelement ihrer Demokratie beschreiben. Länger als acht Jahre darf keiner im Weißen Haus verweilen, also höchstens einen halben Merkel beziehungsweise einen halben Kohl.

Nach insgesamt 32 Kohl-Merkel Jahren – mit sieben Schröder-Jährchen dazwischen – darf man wohl so ein klassisches Stück Demokratie wagen. Selbst auf die Gefahr hin, dass es schlechter kommt. Wer wagt, gewinnt nicht immer. Aber wenn es schlechter kommt, dann wäre das Gute daran, dass es schon bald wieder eine neue Regierung gäbe, in der Hoffnung, dass was Besseres nachkommt. Wie in einer richtigen Demokratie.

Jedenfalls haben wir jetzt, man mag es kaum glauben, einen neuen Kanzler. Dass ich das auf meine alten Tage noch erleben darf! 

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Leserpost

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Ludwig Luhmann / 09.12.2021

Diese Regierung wird aus Kommunismussympathisanten und Mitgliedern einer mächtigen neofeudalistischen Sekte gebildet. Demokratie gehört zum “Old Normal”.—- “We should seize this moment to ensure that stakeholder capitalism remains the new dominant model.” - Klaus Schwab

Werner Geiselhart / 09.12.2021

Die neue Regierung wird schon dafür sorgen, dass sie nach der nächsten Wahl weiterwüten darf: Wahlalter 16, Einbürgerung nach 3 Jahren, Nochgleicherschaltung der Medien, Blackouts werden den rechten Kohlefans in die Schuhe geschoben, die das Netz verstopfen, jeden Abend die ÖR-Sendung “Framing um 8” usw. Nein, die Vernunft wird so schnell keine Chance mehr bekommen.

Markus Mertens / 09.12.2021

Zustimmung. Das finde ich gut, dass das auf einer unabhängigen Seite steht. Ja, es besteht die Chance auf Re-Demokratisierung. Die quasi-Schwesterseite von achgut,  “Tichys Einblick”, tut sich sehr schwer damit. Die sind sehr CDU-affin und wollen nicht wahrhaben, dass die als CDU als Ganzes, also nicht nur das Merkel-Lager, zur Entwicklung in den letzten Jahren beigetragen hat. Wir müssen Scholz die Chance geben.

Markus Koller / 09.12.2021

Skylla geht, Charybdis kommt, wenn auch mit Glatze. Bienenwachs in den Ohren wird uns bzw. diese Nation nicht retten. Man mag es kaum glauben, aber in vier Jahren kann man auch im geschleiften Deutschland noch viel kaputt machen. Jetzt haben wir also einen Kanzler, der tief in diverse Finanzskandale verstrickt ist, eine Außenministerin der außer Hochstapelei und Diebstahl geistigen Eigentums keine andere Kompetenz nachzuweisen ist, einen Gesundheitsminister, der als sog. Experte nicht nur in der aktuellen Pandemie ein sehr zweifelhaftes Bild abgab - den Rest des Kabinetts spare ich mir - Rettung nach deren Regierungsarbeit mag ich mir kaum erhoffen, ein Blick ins Parlament und die Politikschiks der zweiten Garnitur genügt.

Paul Brusselmans / 09.12.2021

Heute 8 Uhr, Treffen mit dem französischen Aussenminister. Mit «Hello, I am the new one», stakt sie in den Raum. Einen dezenten Hinweis, deutsch oder französisch zu sprechen, schiebt sie mit der Bemerkung zu sein: «English is the language of the Völkerlaw». Schliesslich belehrt, wählt sie deutsch. «Darf ich Ihnen ein Glas Champagner anbieten?» «Haben Sie Bionade?» Verwunderung, aber einer ihrer Begleiter hat ein Fläschen dabei. Ein Saaldiener öffnet für sie das Fläschen. «Ein PoC, die haben hier noch etwas zu lernen», flüstert sie.  «Gut, also ich bin die Annalena. Ich war nie im diplomatischen Dienst, das erlaubt einen frischen Blick auf alles Internationale. Aber ich hab mich schon auf der Tagung des Kreisverbandes Hannover der Grünen für Internationales interessiert. Wir hatten ja die EXPO und dann auch Gäste aus Palästina.». Höflich begrüsst sie der französische Aussenminister. «Ich habe schon einmal zwei Botschaften: Deutschland will die SeaWatch 5 und 6 in Calais stationieren, und wir bieten Ihnen Windstrom an, wenn Sie die Atommeiler abschalten. Na ist das nix?» Versteinert schaut der Aussenminister seinen Dolmetscher an. «Bist Du betrunken, was dolmetschst Du da Jacques?» raunzt er seinen Dolmetscher an. «Die reine Wahrheit», erwidert er.  Stirnrunzeln seitens Seiner Exzellenz. Sein tiefes Schweigen interpretiert sie schon als Nachdenken und Zustimmung. «Na, das ging ja fix, so». Kurz ein Austausch der Geschenke, ein Lastenfahrrad hier, ein französisches Trampolin da. «Ich hoffe, es passt in ihr Zugabteil», bemerkt der Botschafter. Ein kurzer Dank; «So ich muss wieder, nach Brüssel zum Europaparlament, wir sehen uns ja bei den Vereinigten Nationen in Washington». «Ich glaube, das Eis ist gebrochen». Ein guter Tag.

Claudius Pappe / 09.12.2021

Auf ” mit Gottes Hilfe ” hat er ja schon verzichtet. Beim nächsten mal heißt es dann:.............................Allah möge dich beschützen

Hans Meier / 09.12.2021

Die Koalition unter Kanzler Olaf Scholz wird versuchen die Krise zu managen in der sich die frustrierte Bevölkerung vorfindet, der die bisherige Politik größte Probleme bereitet. Es braucht neue Perspektiven, die vormaligen sind durch bescheuerte, hektische Politik ohne Sachverstand zerstört. Die allgemeine Sehnsucht nach unbeschwerter Freiheit, sich sicher und mit Respekt, als normaler Bürger, der Wertschätzung durch einen neuen politischen Stil erfährt, ist dringend angesagt. Die Zeit der hysterischen Übertreibungen, im politischen Rausch haben nichts Gutes, aber einen „schweren Kater“ gebrochener Versprechen verursacht. Die von ständigen Enttäuschungen verärgerte Stimmung in der Bevölkerung wird nicht verfliegen. Die Regierung braucht das brave Volk um im Amt zu bleiben, daran kommt auch die neue Führungs-Riege nicht vorbei. Das kann auch die Journaille ändern.

Stephan Bender / 09.12.2021

“Olaf Scholz ist eindeutig Retro”—- Mag sein, aber er ist nicht der Einzige, der in den wilden Zeiten mit Augenmaß standgehalten hat: Hat denn schon jemand ernsthaft Henryk Broder für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen?

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