Richard Wagner / 16.07.2010 / 05:35 / 0 / Seite ausdrucken

Ohne Büchnerpreis aber gute Bücher

Der Georg-Büchner-Preis gilt als der wichtigste deutsche Literaturpreis. Er wird von einer Jury der Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung vergeben. Mit dem diesjährigen Preisträger Reinhard Jirgl sind es 59 Schriftsteller, die in den Parnass deutscher Gegenwartsdichtung Eingang fanden.

Im Folgenden nennen wir 13 mittlerweile verstorbene Autoren, die den Darmstädter Kennern entgangen sind. Zu jedem Autor finden Sie eine kleine Literaturempfehlung. Vielleicht ist auch etwas für Ihren Urlaub dabei.

1. Arno Schmidt (1914-1979). Der Heilige Geist der Nachkriegsavantgarde hat eines der ersten und schärfsten Bücher über die Vertriebenen geschrieben, den Kurzroman „Die Umsiedler“ (1953).
2. Hans Henny Jahnn (1894-1959). Von ihm stammt die wahrscheinlich einprägsamste Traumsequenz der deutschen Literatur im 20. Jahrhundert: „Die Nacht aus Blei“ (1956, Erzählung).
3. Gert Ledig (1921 – 1999), Neuerfinder des Kriegsromans in den fünfziger Jahren. Sekundenstil des Luftkriegs. „Vergeltung“ (Roman, 1956) schildert die 69 Minuten eines Luftangriffs.
4. Johannes Bobrowski (1917-1965) war ein christlicher Ostpreuße in der DDR. Der Mann, der aus Tilsit stammte, schrieb u. a. den Roman „Litauische Claviere (1965). Dieser spielt 1936 im Memelgebiet. Litauer und Deutsche stehen sich gegenüber.
5. Gisela Elsner (1937-1992) ist die Mutter des Filmregisseurs Oskar Roehler. Ihr gefeiertes Debüt „Die Riesenzwerge“ (1964), eine Groteske des bundesdeutschen Familienalltags, hat sie später, als DKP- süchtige Bürgertochter nicht mehr übertreffen können.
6. Franz Tumler (1912-1998). Der Südtiroler Schriftsteller ging seinen literarischen Weg vom „Inneren Reich“ zum Nouveau Roman. „Aufschreibung aus Trient“ (Roman, 1965) handelt von einem Autounfall, von einem Mann und einer Frau und von Österreich und Italien in Trient.
7. Jean Amery (1912-1978). Österreicher, Emigrant in Belgien, dort im Widerstand gegen die Nazis, Gestapofolter und Lagerhaft. Lebte später in Brüssel. Freitod. „Über das Altern. Revolte und Resignation (Essay, 1968).
8. Walter Kempowski (1929-2007): „Ich bin konservativ und liberal, und das darf man in Deutschland nicht sein“. Wir empfehlen: „Uns geht’s ja noch gold“ (1972, Roman). Thema: Die Rote Armee befreit Rostock vom Bürgertum.
9. Günter Bruno Fuchs (1928-1977). Ohne ihn hätte es Westberlin als Ort der Literatur nicht gegeben, jedenfalls nicht so. „Krümelnehmer oder 34 Kapitel aus dem Leben des Tierstimmen-Imitators Ewald K.“ (Geschichten, 1963)
10. Hubert Fichte (1935-1986). Ein Beatnik und Hamburger-Kiez-Schriftsteller in Personalunion. 1968 veröffentlichte er „Die Palette“. Der Roman traf den Zeitgeist allemal besser als Dutschkes Parolen und Peter Schneiders Ansprachen.
11. Jörg Fauser (1944-1987) ist der einzige deutsche Schriftsteller, der mit einem Text in die ZDF-Hitparade kam (Der Spieler für Achim Reichel). Ein deutscher Popliterat, und trotzdem authentisch. „Marlon Brando. Der versilberte Rebell. Ein biographischer Essay“. (1978).
12. Rolf Dieter Brinkmann (1940-1975). Der größte deutsche Lyriker seit Benn und Celan. Das muss genügen. „Westwärts 1 & 2“. (Gedichte, 1975)
13. W.G. Sebald (1944-2001). Der Allgäuer, der in England lebte, wurde international schneller bekannt als in Deutschland selbst. Biographie. Gedächtnis. Herkunft, Wahrheit. Politisch, privat. Eine neue literarische Form kommt so ins Deutsche. Der Roman „Austerlitz“ (2001) gilt als sein Meisterwerk.

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