Peter Grimm / 24.08.2016 / 18:00 / Foto: Wissen / 13 / Seite ausdrucken

Obdachlose 1. und 2. Klasse

Verletzt die Stadt Friedrichshafen die Menschenwürde von Obdachlosen? Folgt man dem, was Sabine Wuermeling in einem Brief an den dortigen Oberbürgermeister über das städtische Obdachlosenheim im Wachirweg schreibt, muss das so sein. Diese Schlussfolgerung stammt allerdings nicht von Frau Wuermeling, denn sie hat das Heim nicht voller Schrecken inspiziert, weil sie das Schicksal der heimischen Obdachlosen angerührt hätte. Sie war dort in ihrer Funktion als „Flüchtlingshelferin“. Sie kümmert sich derzeit unter anderm um einen 18-jährigen Gambier. Der junge Mann kam als „unbegleiteter minderjähriger Flüchtling“, fand Aufnahme bei einer deutschen Pflegefamilie, doch da schien er sich nicht wohl zu fühlen, denn er verlangte beim Amt nach einer anderen Unterbringung.

Mittlerweile war er volljährig und da er sich den Mitarbeitern des Jugendamts gegenüber offenbar nicht besonders kooperativ zeigte, kam er in keines der auch für volljährige Zuwanderer möglichen Förderungs- und Betreuungsprogramme. Somit war die Stadtverwaltung für ihn zuständig. Und für sie war der junge Mann zunächst das, was ein wohnsitzloser junger Einheimischer in vergleichbarer Situation auch ist: Ein Obdachloser, der eine Unterkunft benötigt. Und da ist die erste Adresse eine Obdachlosenunterkunft. Zwischen Einheimischen und Zuwanderern machten die Veraltungsmitarbeiter keinen Unterschied. Wie ein Deutscher ohne Wohnsitz sollte auch der junge Gambier in das Heim im Wachirweg einziehen.

Sabine Wuermeling begleitete ihn und war dort über die Zustände so entsetzt, dass sie den jungen Mann nicht dort einziehen lassen konnte, sondern ihn stattdessen zu sich nach Hause nahm. Zum Obdachlosenheim schrieb sie in ihrem Brief: Der Allgemeinzustand des Hauses sei “ein Armutszeugnis”, „eine Situation, die für einen 18 Jahre alten Gambier, der durch die Flucht und die damit verbundenen Gräuel zutiefst traumatisiert wurde, nicht tragbar ist.“ Deshalb fordert die „Flüchtlingshelferin“ eine andere Lösung für ihren Schützling.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“ - und Ausnahmen bestätigen die Regel

Ihren Brief an den Bürgermeister leitete Frau Wuermeling mit nichts geringerem ein, als dem Grundgesetzzitat „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Wenn das Obdachlosenheim als Quartier aber die Würde des jungen Gambiers verletzt, ist es dann nicht auch für deutsche Obdachlose menschenunwürdig? Es gibt doch keine unterschiedliche Menschenwürde für Deutsche und Zuwanderer, oder?

Nun ist Frau Wuermeling aber „Flüchtlingshelferin“ und keine Odachlosenhelferin, weshalb sie die Menschenwürde einheimischer Wohnsitzloser nicht zu ihren Kernaufgaben zählen muss. Und wenn das Haus in einem beklagenswerten Zustand ist, dann tut es auch Not, Alarm zu schlagen. Dass sich die Helferin des jungen Gambiers vor allem um ihren Schützling kümmert, ist ihr nicht vorzuwerfen. Doch man fragt sich unwillkürlich, ob ein Zuwanderer Anspruch auf bessere Hilfe hat als heimische Gestrauchelte oder ob sich nun jemand finden muss, der auch die anderen Obdachlosen aus ihrer unwürdigen Lage befreit.

Die Sprecherin der Stadt Friedrichshafen antwortete auf die Frage einer Lokalzeitung, ob die Unterbringung von jugendlichen Asylbewerbern in einer Obdachlosenunterkunft richtig sei: „Wir sind uns der Problematik durchaus bewusst. Allerdings stehen uns für die Unterbringung obdachloser Personen, als die wir diesen Personenkreis betrachten müssen, nur begrenzte räumliche Kapazitäten zur Verfügung“.

Doch nun kümmert sich aufgrund der Aktivitäten von Sabine Wuermeling wahrscheinlich doch wieder das Jugendamt um den Gambier und ein besseres Quartier für ihn. Einheimische Obdachlose haben dieses Glück nicht. Um sie möchten sich einfach nicht so viele Helfer kümmern und auch politische Zuwendung erfahren sie nicht annähernd in gleichem Maße.

Alle Zitate aus Südkurier hier. 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Peter Grimms Blog Sichtplatz hier

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Leserpost

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Mark Schild / 24.08.2016

Diese Geschichte ist unfaßbar und zugleich typisch für den Irrsinn unserer Gesellschaft im Jahr 2016. Die Politiker, denen ich jahrelang vergeblich auf die Füße getreten bin um etwas gegen die nicht hinnehmbare Zahl von immer mehr ertrinkenden Kindern zu unternehmen, streuen nun selbstgerecht das goldene Füllhorn mit Wohltaten für die Flüchtlinge aus. Mir haben genau diese Entscheidungsträger kalt ins Gesicht gelächelt und auf die schlechte Haushaltslage verwiesen. Es gibt eine Zweiklassengesellschaft von Opfern und aus dem deutschen Prekariat zu stammen ist ein doppelter Standortnachteil.

Rolf Krahmer / 24.08.2016

Ich habe in Nürnberg einen Bekannten, der ein Obdachlosenheim betreibt (24 Betten). Er bekommte für die Übernachtung eines (deutschen) Obdachlosen pro Nacht von der Stadt Nürnberg 9,80€. Ein obdachloser Migrant wird von der Stadt Nürnberg mit 28,90 bis 35,90 € “bedacht”. Ist das nicht nachdenkenswert ? Näheres gerne auf Nachfrage.

Wolfgang Richter / 24.08.2016

Das paßt genauso ins Bild wie z. B. die Justizboni bei Straftaten, die von Personen begangen werden, die einen entsprechend anderen kulturellen Hintergrund haben und Familienehre oder Eigentum anders bewerten als ein Biogermane. Und auch im ÖPV habe ich bisher noch nicht vernommen, daß im Sinne der Gleichbehandlung das Fahren ohne Ticket durch sog. Obdachlose oder sonst Mittellose aus Kreisen der Standortbevölkerung durch Bundesbahngeschäftsführungsorder als zu gestatten geregelt ist. Und wenn die Flüchtlingsbetreuerin schon das Grundgesetz bemüht, meine ich dort irgendwo gelsen zu haben, daß vor dem Gesetz alle gleich sind. Und dann gibts ja auch noch die vielen AntiDiskriminierungsvorschriften, die aber offenbar auch nur in eine Richtung gelten. PS: Hat sich mal jemand bei der Verwaltung die Mühe gemacht, ggf. auch abzugleichen, aus welchen heimatlichen Wohnverhältnissen der so arg Gebeutelte kommt, oder ob seine Befindlichkeiten auf die seiner Betreuerin zurück zu führen sind? Auch könnte jemand rechtlich prüfen, ob ihm für die nach Einladung aus Berlin während der Reise zu ertragenden Unannehmlichkeiten ggf. ein Schmerzens- geld u./o. Schadensersatz aus deutscher Steuerklasse zusteht, der er vermutlich die Reise nicht bequem im Flieger oder auf einem Kreuz- fahrer unternommen hat.

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