An diesem Sonntag gibt es den ersten DDR-weiten Aktionstag der Oppositionsgruppen. Es gibt zu diesem Zeitpunkt etwa 3000 Oppositionelle, die in hunderten Gruppen im ganzen Land organisiert sind. An diesem Aktions- Sonntag geht es um Solidarität mit Vaclav Havel und anderen inhaftierten Charta 77- Mitgliedern. In dutzenden Kirchen der DDR gibt es Veranstaltungen, auf denen die sofortige Freilassung der politischen Gefangenen gefordert wird. Fast überall wird auch an die politischen Häftlinge der DDR erinnert.In der Zeitung „Sonntag“, dem Blatt für kulturell Interessierte, wird an den 60. Geburtstag von Christa Wolf erinnert. Die Schriftstellerin hat ein hohes Ansehen in Ost und West. Sie hat Schwierigkeiten überstehen müssen, weil einige ihrer Werke zeitweilig nicht gut angesehen waren bei den Politbürokraten. Sie ist aber immer eine Verteidigerin der DDR geblieben. Zu ihrem Bild vom Sozialismus gehörte allerdings Meinungsfreiheit. Deshalb hat sie sich oft für bedrängte Oppositionelle eingesetzt. Nicht nur für Wolf Biermann, gegen dessen Ausbürgerung sie mit ihrer Unterschrift protestiert hat, sondern auch für Unbekannte, wie mich. Als ich 1983 wegen meiner Aktivitäten in der Opposition Berufsverbot bekam, meldete sich Christa Wolf bei mit und fragte, ob sie mir helfen könne. Sie schrieb dann an Politbüromitglieder, die sie persönlich kannte. Sie sollten sich für die Aufhebung meines Berufsverbotes einsetzten.
Sie hatte keinen Erfolg , aber allein ihr Einsatz und ihr Zuspruch tat gut, in einer Situation, in der viele Kollegen nicht wagten, in meine Nähe zu kommen. Übrigens erfuhr ich nach dem Ende der DDR, als ich aus einem anderen Grund die Akten des Büros von Egon Krenz, zuständig im Politbüro für Sicherheitsfragen, dass mein Berufsverbot von ihm persönlich verhängt worden ist. Der Verlag „Neues Leben“, an dem ich damals als Lektorin beschäftigt war, galt als Eigentum der FDJ, der Jugendorganisation des Landes. Inoffiziell gehörte er der SED, was aber erst nach der Vereinigung bekannt wurde. Wenn mir 1989 jemand erzählt hätte, dass ich ein Thema für das Politbüro war, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Immerhin zeigt das, wie ernst uns die Genossen von Anfang an genommen haben.