Macht Merz den Kurz?

Der Wiener Wahltriumph von Sebastian Kurz setzt die CDU unter Strom. Einerseits freut man sich über den spektakulären Erfolg der Schwesterpartei. Andererseits zeigt dieser, was der CDU derzeit fehlt. Das Lager der Konservativen und Wirtschaftsliberalen in der Union fühlt sich bestärkt in der Meinung, die Union brauche endlich einen Kurswechsel und einen entsprechenden Kanzlerkandidaten. „Das ist eine Steilvorlage für Friedrich Merz”, raunt ein Vorstandsmitglied. Der Erfolg sei auf ein markantes mitte-rechts Profil zurückzuführen.

Merz selber erkennt das Momentum und schickt am Wahlsonntag als einer der Ersten bereits um 17.45 Uhr via Twitter eine Gratulation mit Fingerzeig nach Wien: „Herzlichen Glückwunsch an den österreichischen Wahlsieger @sebastiankurz! Es hat sich einmal mehr gezeigt: Mit klarem Profil kann eine bürgerliche Partei auch wieder Mehrheiten gewinnen.” AKK twittert zehn Minuten später eher unterkühlt: „Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit auf europäischer Ebene.”

Von der CSU bis zum Wirtschaftsrat wird der Wahlsieg in Wien als eine Ermunterung verstanden, den „grünlich-mittigen Merkel-AKK-Kurs” der CDU zu korrigieren und wieder „mehr Kante” zu zeigen. Nur so könne man – wie Österreich zeige – die Rechtspopulisten zurückdrängen. „Wir müssen mehr Kurz wagen”, verkündet Alexander Mitsch, Bundesvorsitzender der Werte-Union: „CDU und CSU müssen sich die inhaltliche Neuausrichtung der ÖVP zum Vorbild nehmen. Nur mit einer konsequenten bürgerlichen Politik für mehr innere Sicherheit und mehr Wirtschaftswachstum, dafür aber weniger illegaler Migration, weniger staatlicher Regulierung und weniger Steuern, werden CDU und CSU wieder zu alter Stärke zurückfinden.”

Die Merkelianer in der CDU sehen den ÖVP-Kurs unter Sebastian Kurz – insbesondere seine demonstrative Bekämpfung der illegalen Zuwanderung und seine zwischenzeitliche Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ – dagegen skeptisch. Zwischen den Lagern kommt daher dem NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet besondere Bedeutung zu. Der liberale Laschet galt bislang eher als AKK zugeneigt, doch seit der unabgestimmten Personalrochade mit Ursula von der Leyen und AKK, ist neue Distanz spürbar.

Frontalattacke auf die die grüne Greta-Hysterie

Und so hört man innerhalb der CDU mit spitzen Ohren, dass auch Laschet den österreichischen Wahlsieger Sebastian Kurz nun als Vorbild empfiehlt: „Er hat seine Themen gehabt, er ist bei seinen Themen geblieben, er hat nicht den politischen Gegner beschimpft, sondern für seine Ideen geworben”, gibt Laschet in Berlin zu Protokoll und empfiehlt mit unmissverständlichem Hinweis auf die Merz-Rhetorik: „Ich glaube, das brauchen wir: klare Ideen, kurze Sätze und prägnante Botschaften.” Das könne auch für die CDU ein Erfolgsrezept sein. CSU-Chef Markus Söder ist ohnedies ganz auf Kurz-Linie und hofft, dass die CDU mit diesem Impuls aus Wien neuen Mut zu mehr Profil entfaltet.

Die Debatte konzentriert sich nun auf die K-Frage. Offiziell hat Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Vorsitzende noch den ersten Zugriff auf die Kanzlerkandidatur. Doch die schlechten Umfragewerte für die CDU wie für AKK als Person lassen in der Union die Zweifel wachsen, ob sie selber überhaupt antreten wolle. Da die Umfragen für Friedrich Merz höhere Zustimmungswerte zeigen, bleibt er trotz seiner knappen Niederlage auf dem CDU-Parteitag im Dezember Kandidatenkandidat.

Er gilt vielen als die mögliche Verkörperung eines kraftvollen Comebacks der Union. Gerade weil er zu Angela Merkel und der Großen Koalition in Distanz steht, sehen ihn viele – insbesondere die vielen Mittelständler in der Union – als ihren Wunschkandidaten. Er platziert regelmäßig kantige Analysen, die das konservative Bürgertum erfreuen – so die Frontalattacke auf die die grüne Greta-Hysterie und den Umweltpopulismus.

Laschet (als Chef des größten CDU-Landesverbands) und Söder (als CSU-Vorsitzender) kommen ab sofort in die Schlüsselrolle der Königsmacher. Gegen ihren Willen werden weder AKK noch Merz Kanzlerkandidaten. Da die SPD – insbesondere nach einer abermaligen Desasterwahl in Thüringen – die Große Koalition zum Jahresende platzen lassen könnte, wird innerhalb der Union die K-Frage nun intensiv beratschlagt. Laschet muss sich seine eigenen Ambitionen dabei möglichst lange offen halten, schon weil das sonst seine Rolle als NRW-Ministerpräsident schwächen würde (wie man weiland bei Hannelore Kraft hat verfolgen können). Andererseits dürfte er einer der ersten sein, der im Falle einer herbstlichen Regierungskrise in Berlin infolge von SPD-Fluchtversuchen, seinen Kandidaten ausruft. Die Lobesrede auf Kurz ist daher ein Fingerzeig, und zwar auf Merz.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European

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Leserpost

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Andreas Müller / 03.10.2019

Es ist bemerkenswert, wenn ein stellvertretender CDU-Vorsitzender formuliert, man brauche klare Ideen und prägnante Botschaften. Wie schön, daß jemand draufkommt, daß Intelligenz nicht schaden kann - übrigens kann auch Sprachkultur begeistern sowie ein Erscheinungsbild, bei dem man nicht als erstes an die Altkleidertonne denkt. Sebastian läßt grüßen.

Jochen Lindt / 03.10.2019

Tut mir leid, ich kann den Mann nicht ausstehen und klicke jetzt weg. Bis dann.

Peter Sticherling / 03.10.2019

Der MERZ hat sich einst von Merkel wegbeißen lassen, ließ die Finger von d er Politik und übte sich erfolgreich im Geldverdienen. Politisch hat der MERZ nichts mehr drauf. Und auf wen sollte er sich stützen? Auf die total durchgrünte CDU?

Wolfgang Richter / 03.10.2019

@ Heiko Stadtler—Nach Gasprom zukünftig noch Blackrock? Germoney im Ausverkauf durch seine Politdarsteller.

K.Rasch / 03.10.2019

Muss nochmal schreiben: Ich habe mir gestern die Rede von Boris Johnson auf dem Konservativen-Konvent gestern angesehen. Was für ein Redner, was für ein mitreißender Politiker, welche Vision der da für das ‘United Kingdom nach dem Brexit vorgetragen hat!! Und hier: nix, Leere, absolute Führungslosigkeit, “Eliten”-Desinteresse, mit und ohne Herrn Merz. Armes Deutschland.

Christa Born / 03.10.2019

Erst wenn Greta und Konsorten bei uns das Licht ausgemacht haben, die Arbeitlosenquote bei 12% ist und wir in einem grünen Kalifat aufwachen, werden die Deutschen anfangen zu denken und sich die berühmte Bahnsteigkarte kaufen. Vielleicht kommt der Impuls sogar von Seiten der Zuwanderer, die sich ihr neues Leben etwas anders vorgestellt haben. Meine Meinung.

K.Rasch / 03.10.2019

Man wird die CDU neu gründen müssen und zwar außerhalb der CDU.

S. Salochin / 03.10.2019

Merz ist schon so oft als Säbelzahntiger gesprungen und als Wischlappen gelandet, dass ich mich jetzt schon auf das strahlend saubere Parkett für Frau Annegret, die Kapitänin Smith der CDU-Titanic freue, weil man weiß, mit wem gewischt wurde. Btw: Ich warte immer noch auf den Bierdeckel für meine Steuererklärung. Bekomme ich den noch rechtzeitig geschickt, Herr Weimer? Oder soll mein Steuerberater doch die üblichen Formulare verwenden? Die Sache eilt ein wenig.

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