Links zu sein ist schwer und leicht zugleich. Schwer daran ist, dass die Weltlage den Glauben ständig untergräbt. Leicht ist, dass mit dem Glauben ein Instrumentarium mitgeliefert wird, mit dem man, vom Hitler-Stalin-Pakt bis zum Antizionismus, buchstäblich alles erklären kann, ohne vom Glauben abfallen zu müssen.
Das Beste aber ist, dass dieses Instrumentarium als Gebrauchsanweisung kinderleicht zu handhaben ist. Wer den linken Gedankengang einmal angenommen hat, der kann die Richtung gar nicht mehr verfehlen. Er wird zwar nie zum Ausgang gelangen, aber was macht das schon! Man könnte schließlich auch sagen, es gehe ja um das Labyrinth und nicht um seinen Ausgang.
Damit aber wäre man beim Problem der klassischen Linken, bei jenem, das sich aus der 11. Feuerbachthese ihres Meisters ergibt. Der Linke meint, es liege an ihm, das Labyrinth zu verändern. Was dabei herauskommt, ist bekannt, nämlich der Ruin des Gartens.
Damit aber haben wir das Labyrinth verlassen. Das weiß der heutige Linke jedoch nicht. Er weiß einfach nicht, dass die Geschichte, während er mit ihrer Veränderung beschäftigt war, komplett an ihm vorbeigezogen ist. Und zwar stillschweigend interpretiert von den anderen. Siehe nochmals die Feuerbachthese. So verteidigt der heutige Linke etwas, dass nicht nur nicht zu verteidigen ist, sondern dass es so, wie er es sich vorstellt, gar nicht gibt.
Weist man ihn darauf hin, antwortet er umgehend, aber ohne auf das Problem einzugehen. Das eine nennt er Strategie, das andere Taktik. Wie man’s auch dreht und wendet, dem Linken ist von Marx nur der Marxismus geblieben. Damit aber verhält es sich wie mit den Kokainspuren, die das NRW-Verbraucherministerium unlängst in einer Colasorte entdeckt hat. Das Bundesinstitut für Risikobewertung sieht zwar keine Gefährdung, aber das Ministerium bleibt trotzdem bei seiner Auffassung. Das, könnte man sagen ist sein Problem. Es entscheidet aber über die Zulassung der betreffenden Cola auf dem Markt.
Und so ist es auch mit der Linken. Wenn ihre Veteranen jetzt erklären, es sei egal, ob der Täter vom 2. Juni 1967 Stasi-Spitzel war oder nicht, so wäre das ihr Problem, wenn sie nicht immer noch die Geschichtsschreibung dominieren wollten. Bisher galt Kurras, der Mörder Benno Ohnesorgs in dieser Geschichtsschreibung als Repräsentant eines repressiven Systems namens Bundesrepublik. Seit seiner Enttarnung als Mann der Stasi in der Westberliner Polizei in der letzten Woche ist er zum Einzeltäter geworden, im besten Fall wurde er noch zum deutschen Untertan erklärt. Zum letzten Reichsbürger. Ist das Dialektik? Ja, möchte man sagen, Vulgärdialektik.