Junckers Bilanz: das Gute, das Schlechte und das Hässliche

Seit fünf Jahren leitet Jean-Claude Juncker die Europäische Kommission, von 2014 bis 2019. Der ehemalige luxemburgische Premierminister ist dafür bekannt, dass er immer für eine witzige Bemerkung bereit ist. Nun, da seine Amtszeit endet, ein Blick auf die Erfolgsbilanz seiner Kommission.

„Das Gute“ 

Die Juncker-Kommission hat beim Abschluss neuer Handelsabkommen gute Ergebnisse erzielt. Am wichtigsten sind hier die Handelsabkommen mit Kanada und Japan. Letzteres schafft die größte Handelszone aller Zeiten. Wir sprechen hier vielleicht nicht immer von einer sehr orthodoxen Befreiung des Handels, denn es wurden alle möglichen Arten von Standards vereinbart, die protektionistisch wirken könnten, aber das Perfekte ist der Feind des Guten. Juncker und besonders seine schwedische Handelskommissarin Cecilia Malmström verdienen hier Anerkennung. Leider war es nicht möglich, das „TTIP“-Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten abzuschließen, aber der amerikanische Präsident Trump hätte das wahrscheinlich sowieso wieder zunichte gemacht. 

Die EU-Kommission hat sich während der Handelsstreitigkeiten mit Trump nicht perfekt verhalten, da sie sich an Gegen-Zöllen beteiligt hat, die die EU-Verbraucher getroffen haben. Aber am Ende gelang es ihr, die EU-Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, die Bemühungen für ein bescheideneres Handelsabkommen mit den USA wieder aufzunehmen, bei dem die EU auch anbot, einige ihrer eigenen Einfuhrzölle zu senken.

Ein weiterer Politikbereich, in dem die Juncker-Kommission Verbesserungen vorgenommen hat, ist der EU-Haushalt, der sich über sieben Jahre auf satte 1.000 Milliarden Euro beläuft. Im Jahr 2017 kam der EU-Rechnungshof erstmals zu dem Schluss, dass ein erheblicher Teil der EU-Zahlungen weitgehend fehlerfrei war. Er stellte fest, dass sie „rechtmäßig und ordnungsgemäß sind, mit Ausnahme von Kostenerstattungszahlungen“.

Das heißt nicht, dass der EU-Haushalt gut verwaltet wird, um es vorsichtig auszudrücken. Erst einmal bezieht sich dies nur auf Fehler bei den Ausgaben und nicht auf offenkundigen Betrug. Letzterer soll von der EU-Betrugsbekämpfungsagentur OLAF bekämpft werden, einer Institution mit einem umstrittenen Ruf. Im Jahr 2016 war die Europäische Kommission gezwungen, die Immunität von OLAF-Direktor Giovanni Kessler auf Antrag der belgischen Justizbehörden aufzuheben, die mit der Untersuchung von „Dalligate“ begonnen hatten, einem Fall von mutmaßlicher Korruption.

Heute gibt die EU immer noch 340 Milliarden Euro für die Landwirtschaft aus, wobei mehr als 70 Prozent davon einfach an diejenigen ausgezahlt werden, die zufällig landwirtschaftliche Flächen besitzen. Der zweitgrößte Ausgabenbereich, die Regionalausgaben, ist ebenfalls sehr problematisch, da diese Mittel „[nicht] wirksam zur Förderung der Einkommenskonvergenz zwischen den Regionen beitragen“, so eine CEPR-Studie von 2016. Und die EU-Ausgaben für Verwaltung, Personal und Bürokratie haben möglicherweise einen noch schlechteren Ruf.

Trotzdem: Die allererste Reform-Notwendigkeit bestand immer darin, dass der eigene Prüfer der EU erklärt, dass die EU-Ausgaben im Wesentlichen fehlerfrei sind. Wie die Chinesen sagen: „Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit einem einzigen Schritt.“ Darüber hinaus muss gesagt werden, dass die EU-Kommission bereit ist, nach dem Brexit die Ausgaben für Landwirtschaft und Regionalfinanzierung zu reduzieren, auch wenn es dazu kaum eine realistische Alternative gibt und Juncker andererseits möchte, dass die verbliebenen Mitgliedstaaten mehr Mittel beitragen.

„Das Schlechte“  

Der eine große Misserfolg von Jean-Claude Juncker und seiner Kommission ist natürlich der Verlust des Vereinigten Königreichs als Mitgliedsland. In Großbritannien kündigte Premierminister David Cameron bereits am frühen Morgen nach der Bekanntgabe des Ergebnisses des Referendums im Juni 2016 seinen Rücktritt an. Dass Juncker nicht dasselbe getan hat, liegt nicht nur an einer unterschiedlichen politischen Kultur. Es liegt vor allem daran, dass die EU-Institutionen davon überzeugt sind, dass sie in Bezug auf den Brexit für nichts verantwortlich gemacht werden können. Das ist ein bizarrer Gedanke. Der Brexit ist zum Teil das Ergebnis der Tatsache, dass die EU die britische Unzufriedenheit über eine immer stärkere Konzentration von Macht und Geld auf EU-Ebene ignoriert hat. Juncker & Co. behinderten Cameron sogar, als er versuchte, die EU und die Beziehungen Großbritanniens zur EU zu reformieren, auch wenn Cameron selbst nicht ehrgeizig genug war, da er ein wenig zu zuversichtlich war, einen Sieg für die „Remainer“ zu erzielen.

In den EU-Institutionen gibt es sehr wenig Selbstreflektion darüber, warum der Brexit passiert ist, auch wenn Juncker einmal Zukunftsoptionen für die EU aufgezeigt hat, bei denen es bei zwei von fünf um „weniger EU“ ging. Dies ist auch auf den Erfolg der meist euroskeptischen „Anti-Establishment“-Parteien in ganz Europa zurückzuführen. In Ländern wie Belgien, den Niederlanden und Österreich übernahmen Mainstream-Parteien einige der Anliegen der „Populisten“. In Italien und Griechenland ist das nicht geschehen, und die Populisten selbst haben es geschafft, an die Macht zu kommen. In den letzten fünf Jahren haben die Menschen nur in einem von sechs Referenden zu einem EU-Thema für die von der Europäischen Kommission gewünschte Option gestimmt. Aus Meinungsumfragen geht hervor, dass auch auf dem europäischen Festland viele wollen, dass die EU an Macht verliert. Man würde erwarten, dass dies auch in Brüssel zu einigen Überlegungen führt.

Die Europäische Kommission hat jedoch nicht viel mehr getan, als nur bloße Zusagen zur Unterstützung der „Subsidiarität“ zu machen. In der Praxis hat das Gremium einfach wie gewohnt weitergemacht. Es hat vorgeschlagen, nationale Vetos bei der Außenpolitik und bei Steuern abzuschaffen, während es auf europäische Steuern drängt, angefangen bei seinem endlosen Streben nach Harmonisierung der Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage bis hin zu Vorschlägen für eine EU-Steuer auf Plastik oder eine Digital-Steuer für Internet-Giganten. Die letztgenannte Initiative hat die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten belastet, auch angesichts von Tatsachen wie beispielsweise, dass Google in Frankreich mehr Unternehmenssteuern zahlt als Renault. Grundsätzlich steht eine solche „digitale Steuer“ auch im Widerspruch zum Geist der EU-Strategie „Europa 2020“, die auf einen „digitalen Binnenmarkt“ abzielt, zumal auch europäische Unternehmen von einer solchen Steuer stark betroffen wären. Nicht gerade die richtige Strategie, um der Herausforderung zu begegnen, dass die meisten technologischen Innovationen jetzt in den USA und in Asien stattfinden und nicht mehr in Europa.

„Better Regulation“

Das Scheitern der Subsidiaritäts-Agenda wird am deutlichsten, wenn man sich die „Better Regulation“-Agenda der EU-Kommission ansieht, die in die Zuständigkeit des niederländischen EU-Kommissars Frans Timmermans fällt. Auch wenn es ehrgeizig begonnen hat, sind die Ergebnisse enttäuschend.

Von 2014 bis 2018 hat die Juncker-Kommission 370 Gesetzesvorschläge vorgelegt. Das ist viel weniger als die mehr als 500 Vorschläge der vorangegangenen (zweiten) Barroso-Kommission. Aber es liegt ganz im Rahmen der 431 Vorschläge der ersten Barroso-Kommission zwischen 2004 und 2009. Die Überregulierung der Juncker-Kommission entspricht tatsächlich wieder dem Niveau vor der Reaktion der Europäischen Kommission auf die Finanzkrise im Jahr 2008, die als hysterisch bezeichnet werden kann – auch weil nicht fehlende Regulierung, sondern eine expansive Geldpolitik im Mittelpunkt der Finanzkrise stand.

Abgesehen davon ist es natürlich nicht die schiere Anzahl, sondern die genaue Gesamtauswirkung der Vorschläge, die zählt, zumal es Versuche gab, den Eindruck eines geringeren Ausstoßes zu erwecken, indem man Legislativvorschläge bündelte und sie als ein einziges Paket und nicht als eine zusammenhängende Reihe von Vorschlägen bezeichnete. Darüber hinaus hat sich das Impact Assessment Institute auch darüber beschwert, dass 2017 immer noch viele EU-Gesetzgebungsvorschläge vorgelegt wurden, ohne dass eine ordnungsgemäße Folgenabschätzung durchgeführt wurde.

Dennoch wäre es vereinfachend und falsch, nur Timmermans und Juncker dafür verantwortlich zu machen, dass sie nicht in der Lage sind, den europäischen Regulierungswahn zu stoppen. 

Die umstrittene jüngste Aktualisierung der Urheberrechtsrichtlinie der EU ist ein gutes Beispiel dafür. Die Gesetzgebung droht, Websites mit teuren Copyright-Filtern zu belegen, während Gegner der Richtlinie behauptet haben, dass die Privatsphäre der Nutzer verletzt werden kann – und das ganz unabhängig von der Frage, ob Juncker zu viele enge Verbindungen zu Axel Springer, Europas größtem Verlag und einem wichtigen Konkurrenten von Google, unterhielt. Eine ganze Reihe von Ländern waren gegen diesen speziellen Rechtsakt. Die Niederlande, Luxemburg, Polen, Italien und Finnland gaben eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie darauf hinwiesen, dass er „einen Schritt zurück für den digitalen Binnenmarkt“ darstelle, da er den Inhabern geistiger Eigentumsrechte unverhältnismäßig zugute komme.

Unabhängig davon, wer Recht und wer Unrecht hat, ist dies ein gutes Beispiel dafür, dass nur die Wiederherstellung nationaler Vetos eine wirksame Garantie gegen eine Überregulierung der EU sein kann. Märkte können innerhalb der EU durchaus ohne eine Harmonisierung der Vorschriften auf EU-Ebene geöffnet werden. Die Abschaffung protektionistischer Elemente in der nationalen Regulierung oder das Prinzip der „gegenseitigen Anerkennung“ sind der Weg, um dies zu erreichen. Eine Harmonisierung würde dann nur in Betracht gezogen, wenn alle EU-Mitgliedstaaten zustimmen würden.

Ein sehr problematischer Aspekt der Juncker-Kommission war, wie sie sich bei der Aktualisierung der Entsenderichtlinie bemüht hat, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der EU zu begrenzen. Die neuen Vorschriften sehen vor, dass Unternehmen, die Arbeitnehmer in andere EU-Mitgliedstaaten entsenden, dies nur bis zu 12 bis 18 Monate tun können, was kürzer ist als bisher. Die Regierungen Mittel- und Osteuropas versuchten, dies zu verhindern. Das ist ironisch, da sie oft als „antieuropäisch“ dargestellt wurden, aufgrund ihrer umstrittenen Justizreformen, die die Gegner – oft zu recht – als Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit bezeichnet haben. Hier setzten sie sich jedoch für den Binnenmarkt der EU und offene Grenzen ein.

Da Sozialbeiträge, die auf das Gehalt aufgeschlagen werden müssen, weiterhin im Herkunftsland der Arbeitnehmer gezahlt werden müssen, wird die aktualisierte Entsenderichtlinie das Problem nicht wirklich lösen. Polnische Arbeitnehmer werden in Belgien immer noch billiger zu beschäftigen sein als belgische Arbeitnehmer, auch wenn ihr Gehalt gleich wäre. Die belgische Regierung hat sich ebenso wie die französische Regierung geweigert, das Problem der hohen Sozialbeiträge anzugehen. Stattdessen haben sie es vorgezogen, die Maßnahmen der EU-Kommission zur Einschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu unterstützen.

Jean-Claude Juncker hat zwar mehr „Koalitionen der Willigen“ als ein mögliches Zukunftsszenario für die EU vorgeschlagen. Aber diese Idee wurde von seiner Kommission nicht umgesetzt, um beispielsweise den europäischen Dienstleistungsmarkt weiter zu öffnen. Das würde zwar zu viel Wachstum führen, wurde aber von Ländern wie Deutschland und Frankreich oft heftig abgelehnt.

In den Jahren 2018 und 2019 hat die Juncker-Kommission Schreiben, die von bis zu 17 Mitgliedsstaaten unterstützt wurden und forderten, die „verbleibenden Hindernisse für Arbeit und Ausbildung“ zu beseitigen, auch wenn es um „Dienstleistungen“ und „gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen“ ging, einfach ignoriert.

Stattdessen zog sie es vor, die Freiheiten für Tätigkeiten auf dem Binnenmarkt einzuschränken, während sie gleichzeitig den freien Binnenmarkt als Ausrede benutzte, um während der Brexit-Gespräche gegenüber dem Vereinigten Königreich keine Flexibilität zeigen zu müssen.

Die Krise der Eurozone

Auch während der nächsten Episode der Eurozonen-Krise hat es die Juncker-Kommission vermasselt. Als das hochverschuldete Griechenland 2015 erneut in Schwierigkeiten geriet, drängte die Kommission darauf, das Land in der Eurozone zu halten, obwohl Griechenland bereits in den Vorjahren zwei Rettungspakete zur Verfügung gestellt worden waren. Dies auch trotz der Tatsache, dass man nun einen Punkt gekommen war, an dem man einmal etwas anderes hätte versuchen können als den weiteren Transfer von Steuerzahler-Geld, auch weil die Europäische Zentralbank den griechischen Banken, die praktisch bankrott waren und sich teilweise im Besitz des griechischen Staates befanden, Finanzierungsbeschränkungen auferlegt hatte.

Gemeinsam mit Frankreich lehnte die EU-Kommission einen temporären Euro-Ausstieg Griechenlands, wie von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vorgeschlagen, entschieden ab. Am Ende hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Schäuble jedoch übergangen und stattdessen beschlossen, ein weiteres Rettungspaket in Höhe von 86 Milliarden Euro bereitzustellen, auch wegen der großen Zugeständnisse der griechischen Regierung. Die Angst, dass ein griechischer Ausstieg zu einer Auflösung der ganzen Eurozone führen könnte, überwog die Befürchtungen, dass eine Transferunion zu noch unverantwortlicheren Haushaltspolitiken und internen Streitigkeiten innerhalb der Eurozone führen könnte. Juncker selbst erklärte 2019, dass die Beibehaltung Griechenlands in der Eurozone eine der größten Errungenschaften seiner Kommission sei. Das dritte Rettungspaket hat vor allem dazu beigetragen, dass Griechenland seine ohnehin nicht nachhaltige hohe Schuldenlast an seine Gläubiger zurückzahlen konnte, zu denen 2015 auch europäische Notfallfonds gehörten, die im Jahr 2011 einen Großteil der Risiken von Großbanken übernommen hatten, als Gegenleistung dafür, dass diese Banken einen Teil der griechischen Schulden „freiwillig“ abschrieben. Merkel hätte nicht sehr gut ausgesehen, wenn sie hätte zugeben müssen, dass das Geld der Steuerzahler nie zurückgezahlt werden würde.

Die Antwort der EU auf die Eurokrise war ein kurzfristiger Vorteil im Austausch für langfristige Leiden. Die Frage ist, ob die gemeinsame Währung überleben kann, indem man immer noch mehr Geld an bereits hoch verschuldete Mitgliedsstaaten leiht. Griechenland hat seit 2015 ein gewisses Wirtschaftswachstum verzeichnet, aber seine Schuldenlast von 181 Prozent des BIP hängt immer noch über der Zukunft des Landes, und das ganze Kartenhaus wird inzwischen von der Europäischen Zentralbank unterstützt – auf Kosten der Sparer und der Produktivität Europas, da die außerordentlich lockere Geldpolitik der EZB immer weniger Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum hat.

„Das Hässliche“

Weniger aus wirtschaftlicher Sicht, aber hinsichtlich der Unterstützung der EU durch die Bevölkerung wichtig war war die Ernennung des Juncker-Kabinettchefs Martin Selmayr zum Generalsekretär der Europäischen Kommission, einem der mächtigsten Positionen innerhalb der Institution. Nach Ansicht des Europäischen Parlaments kann diese Ernennung „als eine Art Coup angesehen werden“. Der Europäische Ombudsmann bezeichnete sie als „eine Verletzung des europäischen Rechts und der eigenen Geschäftsordnung der Kommission“. Das nährt natürlich die Gerüchte, dass Juncker stark von Selmayr abhängig sei, auch wegen seines angeblichen Alkoholmissbrauchs. Was auch immer die Wahrheit ist, Selmayr spielt eine wichtige Rolle in den Brexit-Verhandlungen, nimmt eine harte Linie ein und erschwert so bereits schwierige Gespräche. Die Europäer werden sich sicherlich fragen, ob das alles normal ist für ein supranationales Organ, das angeblich den nationalen Demokratien Europas gegenüber rechenschaftspflichtig ist.

Jean-Claude Juncker erklärte 2014, dass seine Europäische Kommission „sehr politisch“ sein werde, auch wenn er selbst nicht als Kandidat für die Wahlen zum Europäischen Parlament in seinem Heimatland Luxemburg kandidiert hatte. In der Praxis bedeutete das nicht viel Gutes. Juncker äußerte weiterhin alle möglichen wilden Meinungen, zum Beispiel zur Unterstützung einer „europäischen Armee“, die die Spannungen mit Großbritannien verschärften. Die britischen Beziehungen zu Juncker hatten einen schlechten Start gehabt, nachdem die britische Regierung zusammen mit Ungarn in der Ratsentscheidung zur Ernennung von Juncker überstimmt worden war, was nur zehn Jahre zuvor undenkbar gewesen wäre.

War der Brexit-Entscheid der britischen Öffentlichkeit im Jahr 2016 im Rückblick dann wirklich so überraschend? Ist es von vornherein normal, dass ein supranationaler Bürokrat alle möglichen politischen Vorschläge macht, die direkt gegen die Ansichten vieler EU-Regierungen verstoßen? Der niederländische Außenminister Stef Blok ist anderer Meinung. Er schrieb kürzlich in der FT: „Eine weniger politische Europäische Kommission ist notwendig. (...) Als Hüterin der Verträge muss sie die Einhaltung der Regeln sicherstellen. Eine Kommission, die stolz darauf ist, politisch zu sein, untergräbt ihre eigene Objektivität.“

Weniger bekannt ist, wie auch die europäische Wettbewerbspolitik immer mehr politisiert wird. Margrethe Vestager, die hier die zuständige EU-Kommissarin ist, erklärte bei ihrem Amtsantritt: „Ich finde es nur natürlich, dass die Wettbewerbspolitik politisch ist“.

Auch wenn sie hinzufügte, dass es bei der „Durchsetzung“ einfach „keinen Raum für politische Einmischung“ gäbe, hat die Kommission tatsächlich klar politisch motivierte Entscheidungen getroffen, wenn es darum ging, ob sie Maßnahmen ergreift oder nicht.

Vestager ging gegen die Beneluxländer und Irland vor, kleine Länder, die mit großen Unternehmen – die oft amerikanisch waren – „Steuerabkommen“ getroffen hatten. Die italienische Regierung durfte die Banken retten – trotz der neuen Vorschriften –, während der „proeuropäische“ französische Präsident Macron eine Werft verstaatlichte, um zu verhindern, dass sie von einem italienischen Unternehmen übernommen wurde. US-Präsident Trump hat Vestager als „Dame der Steuern“ (tax lady) tituliert, und der Vorstandsvorsitzende von Apple, dem eine Rechnung in Milliardenhöhe aufgebürdet wurde, nannte ihre Politik „totaler politischer Mist“. Das ist vielleicht etwas übertrieben, aber zumindest sollte man Vestagers Begeisterung, kleinere Länder zu verfolgen, die sich in gutem Glauben mit Unternehmen auf Steuerregelungen geeinigt haben und  rückwirkende Besteuerung auf der Grundlage von nicht ganz klaren Bereichen des Wettbewerbsrechts einzusetzen, infrage stellen. Einmal wurde sie bereits vom Europäischen Gerichtshof bei einem ihrer Verfahren gegen Belgien zurückgewiesen.

Intern sind die Beamten der EU-Kommission in dieser Hinsicht recht offen. Politico erhielt Dokumente, die zeigen, wie Kommissions-Beamte die Genehmigung staatlicher Beihilfen für ein Kernkraftwerk in Ungarn als „globale politische Entscheidung“ bezeichneten.

So enthusiastisch Vestager bei der Durchsetzung von Grauzonen des Wettbewerbsrechts auch war: Sie war nirgendwo zu sehen, wenn es um klare Verstöße gegen die Regeln ging.

Es geht nicht nur darum, große Länder davonkommen zu lassen im Geiste von Junckers Aussage, dass Frankreich Haushaltsspielraum bekommt, „weil es Frankreich ist“. Aus irgendeinem Grund darf Belgien als einziger der 28 EU-Mitgliedstaaten weiterhin eine Mehrheitsbeteiligung an einem Telekommunikationsanbieter halten, ohne dass die EU-Kommission Druck ausübt, ihn zu verkaufen. Es sieht alles sehr nach einer Kommissarin aus, der nur Fälle im Einklang mit einer politischen Philosophie der „höheren Steuern“ verfolgt, während sie sich scheut, größere Mitgliedstaaten aufzufordern, die Regeln des fairen Wettbewerbs einzuhalten. Für die EU ist die Wettbewerbspolitik keine obskure Nebensache. Sie ist das Herzstück, der Grund, warum vor allem kleinere Länder Mitglied der EU sind. Eine Untergrabung durch Politisierung wird jede Legitimität für das bereits angeschlagene Projekt zerstören.

Die Wettbewerbspolitik der EU-Kommission war in der Vergangenheit bereits heftig kritisiert worden, aber auch die letzten fünf Jahre sehen nicht aus wie ein Schritt in die richtige Richtung.

Nachbarschaft

Auch die Beziehungen der EU zu ihren Nachbarn haben sich unter der „politischen“ Kommission von Juncker nicht verbessert. Das lag oft am Verhalten der Nachbarn, aber auch die EU trägt eine gewisse Verantwortung. Während des Handelskonflikts mit den USA war es der amerikanische Präsident, der den Konflikt auslöste, aber die EU-Gegenzölle, die den Verbrauchern in der EU schaden, und die Weigerung der EU, die Landwirtschaft in erneuerte Handelsgespräche einzubeziehen, könnten eine Lösung der komplizierten Situation immer noch erschweren. Auch die Sanktionen gegen Russland haben nicht viel mehr gebracht, als die europäische Agrarindustrie zu schädigen, so schlimm die Aktionen von Putin auch gewesen sein mögen. Selbst die Beziehung zur Schweiz sind nicht sehr herzlich. Auch wenn die Handelsbeziehungen stabil sind und die Regelungen gut funktionieren, besteht die EU weiterhin darauf, sie zu ändern und ihr eigenes oberstes Gericht – den EuGH – als Schiedsrichter zur Entscheidung über gerichtliche Streitigkeiten einzusetzen. Ende 2018 hat die EU sogar mit einem „Ultimatum“ gegen die Schweiz gedroht, womit das Problem bis heute nicht gelöst wurde.

Ob ein Land leidet und auf dem Weg in eine Diktatur ist oder ob es eine boomende Wirtschaft hat, ist kein Maßstab für gute Beziehungen zur EU: Sowohl die Beziehungen zur Türkei als auch die zum wirtschaftlich florierenden Israel, dessen Ministerpräsident die EU als „feindlich“ bezeichnet hat, haben sich erheblich verschlechtert. Das liegt vielleicht nicht nur an der EU, sondern vor allem daran, dass einzelne EU-Länder Resolutionen gegen Israel überproportional auf UN-Ebene unterstützt haben, während sie gleichzeitig die vielen Diktaturen in dieser Welt gewähren ließen. Interessanterweise scheint das Vereinigte Königreich in den letzten zwei Jahren hier seinen Kurs geändert zu haben, abweichend vom Rest der EU. Hoffen wir auf jeden Fall, dass die Beziehungen zu Großbritannien nach dem Brexit in einer positiven Atmosphäre sein werden, wenn es dann offenbar möglich ist, dass die EU den umstrittenen Martin Selmayr zum ersten EU-Botschafter in Großbritannien ernennt.

Last but not least gab es die Reaktion der Juncker-Kommission auf die größte Migrationskrise auf dem europäischen Kontinent seit dem Zweiten Weltkrieg. In den Jahren 2015, 2016 und 2017 sind 2,5 Millionen Migranten irregulär in die EU eingedrungen. Natürlich hatte die Europäische Kommission nur eine begrenzte Kontrolle darüber, denn der Grenzschutz liegt – zu recht – in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Dennoch hat die Kommission versucht, die Krise zu missbrauchen, um wieder mehr Macht zu erlangen.

Trotz französischer Warnungen haben die Kommission und die deutsche Regierung gemeinsam dafür gesorgt, dass die mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten bei etwas so Sensiblem wie der Entscheidung über verbindliche Quoten für die Aufnahme von Asylbewerbern überstimmt wurden. In der Praxis hat sich diese Politik natürlich als nicht umsetzbar erwiesen. Im Schengen-Raum gibt es keine Passkontrollen, so dass man niemanden zwingen kann, sich in einem bestimmten Mitgliedstaat aufzuhalten. Diese Politik führte jedoch zu mehr Euroskepsis in Mittel- und Osteuropa und untergräbt damit die jahrzehntelangen Bemühungen, diese Länder in den Westen zu integrieren. Sie untergrub auch die Politik der EU-Kommission zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit in Ländern wie Ungarn, in denen die Regierung in dieser Hinsicht einige umstrittene Maßnahmen ergriffen hat, da der ungarische Premierminister Orbán die Gelegenheit dankbar nutzte, die Glaubwürdigkeit der EU zu beeinträchtigen, indem er die Idee der Migrationsquote einem Referendum unterzog.

Grundsätzlich hat der griechische EU-Kommissar für Migration Dimitris Avramopoulos es versäumt, sogenannte „Anlande-Plattformen“ für Asylbewerber außerhalb der EU auszuhandeln, wie es die EU-Staats- und Regierungschefs 2018 beschlossen hatten. Auch Bemühungen der EU zur Koordinierung der Verhandlungen über Rückübernahmeabkommen mit den Herkunftsländern, einem Bereich, in dem die EU-Länder und die EU selbst aufgrund der Milliarden Euro an Entwicklungshilfe und der Möglichkeit, die Visumpolitik einzuschränken, einen großen Einfluss hätten, waren nicht zu erkennen.

Wenn Asylsuchende nur gebeten würden, ihren Asylantrag in einem sicheren Bereich an der EU-Grenze abzuwarten, bevor sie in die EU einreisen können, würde das Geschäftsmodell der Menschenschmuggler zerstört und Tausende wären nicht auf See gestorben, um nach Europa zu gelangen. Terroristen hätten das Migrationschaos nicht ausnutzen können.

Das ist natürlich eine gewaltige Herausforderung, aber der Fokus der EU-Kommission auf nicht effektive und spaltende Zwangsquoten für Asylbewerber und mehr Geld für Grenzpatrouillenpersonal – idealerweise unter EU-Souveränität – verfehlt komplett das Thema. Inzwischen sollte für alle klar sein, dass der chaotische Zustrom nicht auf den Mangel an Grenzschutzbeamten zurückzuführen war, sondern darauf, dass die beim Grenzübertritt erwischten Eindringlinge ihre Reise einfach fortsetzen durften. Im März 2016 schloss Mazedonien seine Grenze zu Griechenland, was dazu führte, dass Griechenland Migranten die Einreise auf das Festland nicht mehr erlaubte, was zu einem Rückgang von 95% der Migranten führte, die versuchten, von der Türkei nach Griechenland zu gelangen.

Juncker hat in seiner Analyse die mangelnde finanzielle Unterstützung für Afrika mit der Migrationskrise verknüpft, als er in einer Rede mehr davon forderte und sagte: „Wir kennen die Risiken eines Finanzierungsengpasses: 2015 wollten viele Migranten nach Europa, als – und weil – die Mittel des UN-Welternährungsprogramms erschöpft waren“. Auch hier verfehlt er das Thema. Abgesehen von den offensichtlichen Misserfolgen der Entwicklungshilfe ist es eine Realität, dass die Menschen, je reicher sie werden, desto besser in der Lage sind, irreguläre Migration zu riskieren.

Fazit: 

Die Juncker-Kommission hat sich hinsichtlich des internationalen Handels gut geschlagen, aber ansonsten waren es fünf verlorene Jahre, wobei die größte Niederlage der Verlust des Vereinigten Königreichs als Mitgliedsland war.

Foto: Factio popularis Europaea Flickr CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

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Anders Dairie / 21.05.2019

Herrn HERTZER Folgendes :  Die Schiedsgerichte gibt es in der Wirtschaft seit Jahrzehnten.  Die widerstreitenden Firmen können nicht jahrelang warten, bis ordentliche Gerichte im Handelsrecht durchblicken—und bis zur letzten Instanz entscheiden.  Im Bauwesen der BRD gibts seit über 10 Jahren die Schiedsge- richtsordnung !  Hier werden Mediatoren (Anwälte) aller Parteien tätig.  Das ist vertraglich festgelegt.  Gibts eine Schiedsvertrags-Vereinbarung . nehmen die Gerichte eine Klage gar nicht vorher an.  Die Parteien müssen die alte Vereinbarung erst zum Wegfall bringen.  Die Hasser der Vereinbarung des TTIP haben ent- weder null Kenntnisse.  Oder sie haben die Demonstranten in ihrem Sinnen (TTIP zu versenken) bei der Schiedsgerichtsbarkeit verdummt. Am Ende war TRUMP der Vorteilsnehmer. Der konnte von Null an seine Vorstellungen vom Handel ohne Rücksichten auf den TTIP durchsetzen.  Prima, Herr Hertzer ?  Und wenn man den Markt aller Märkte,  in einem Rechtsstaat, und das sind die USA, sichern will,  wischt man die Verdummer lieber zurseite.  Der zahlende Kunde bestimmt die Regeln,  nicht ein um Absatz bettelnder Anbieter.  Immer wieder diese grün-rot-roten Fehlansichten von Ökonomie !

Walter Neumann / 21.05.2019

Juncker als EU-Chef war von Anfang an ein Witz, da sein Geschäftsmodell als früherer MP seines Landes ja darin bestand, seine Nachbarländer steuerlich abzuzocken (was er auch zugab). So jemandem zum Chef einer Organisation zu machen, sagt alles - über die Organisation und ihre Strippenzieher/innen. P.S. Eben lese ich im Relotius-Magazin, dass eine Oxford-Studie herausgefunden hat, dass das ganze Gequatsche von den Wahlen beeinflussenden Fake-News völlig überzogen sei. Der messbare Einfluss sei marginal, auch explizit hinsichtlich Russland. Junckers EU hat m.W. doch auch irgend ein Gesetz oder Strafmaßnahmen gegen die Betreiber der angeblichen Fake-News beschlossen, sogar die mächtigste Frau der Welt hatte explizit darauf hingewiesen.

B. Jacob / 21.05.2019

Mag ja sein das Juncker am Anfang gute Ansätze hatte, aber er hat sehr schnell sein Fähnchen nach dem Wind gedreht und zynisch gesagt den Schulz mit gemacht und den rotgrünlinken Genossen bei der Machtübernahme zur Formung einer Diktatur geholfen. Darum geht es, nicht umsonst werden in Deutschland und Frankreich die Kampfgruppen mobil gemacht und Giffey SPD (getarnt als Kampf gegen rechts) bessert für ANTIFA und Co. das Millionenbudget auf, wenn die Vermutung stimmt das damit die Demokratiegruppen gemeint sind. Ob nun Juncker oder sein Vorgänger haben es zugelassen der EZB Narrenfreiheit zu geben, die Rechenschaftspflicht aus zu hebeln und damit das Schleusen in dunkle Kanäle ermöglicht, so dass über Umweg der EZB Millionen an die grüne Heinrich Böll Denunzianten Stiftung weiter geleitet werden. Der Umbau Europas hat unter Juncker zum totalitären Diktaturstaat die schlimmsten Züge angenommen, wo der ethische Sozialgedanke für den Größenwahn ausgehebelt wurde und die europäischen Völker immer mehr in Richtung Armut und sozialistische Zuteilung, wie Misswirtschaft driften. Solche radikalen die Bevölkerung bekämpfenden Strukturen entstehen nicht aus dem Nichts und auch keine Schleppermafia. Als einstiger EU Befürworter bin ich längst nach dieser Umgestaltung der EU zum Nachteil der europäischen Bevölkerung zum EU Gegner geworden, wenn es nicht gelingt die EU vernünftig durch Marine Le Pen, Salvini, AFD und andere wieder zur Wirtschaftsunion mit Rechenschaftspflicht um zu bauen, mit dem Respekt der Nationalstaaten voreinander. Die überbezahlten Eurokraten, die jedes Wirtschaftswachstum vergiften, jedes gesunde Wirtschaftswachstum vernichten und auch den sozialen Wohlstand durch Transformation zum Einheitsmenschen, ist für mich unwählbar. Trotzdem ist es wichtig wählen zu gehen, damit die derzeitigen Eurokraten nicht noch mehr Schaden an Europa anrichten können.

Donald Adolf Murmelstein / 21.05.2019

Bezüglich eines vereinten Europas sagte der Kulturhistoriker Friedrich Heer: „Eine rasche Einigung Europas halte ich für unhistorisch und letztlich auch für gefährlich, denn „Europa lebt nur in seinen Gegensätzen“. Seitdem sind natürlich einige Jährchen vergangen und siehe da – urteilen Sie selbst was richtig ist und was falsch! „Er war zwar ein überzeugter Europäer, jedoch blieb er notgedrungenerweise den üblichen Denkkategorien der damaligen Zeit verhaftet, wo eine Entwicklung, wie sie nach 1989 stattfand, außerhalb der realen Vorstellungswelt verblieb. Seine Analysen der geistigen Dimension Europas können daher nur als Anregung für den gegenwärtigen Diskurs in der EU herhalten, nicht jedoch als Vorschläge für politische Lösungen. Er analysierte wie kein anderer Historiker die Politische Kultur sowie die historische und gesellschaftspolitische Befindlichkeit Österreichs und der Zweiten Republik.“ (Wikipedia)

Johannes Steudter / 21.05.2019

Der guten Ordnung halber sei einfach mal darauf hingewiesen, dass ein großer Teil der Gelder für “Landwirtschaft” gar nicht in die Landwirtschaft gehen. Die Geldern gehen auch in Natur- und Küstenschutz und vieles andere mehr. Weiterhin sichern die Gelder die Versorgung mit preiswerten Lebensmitteln. Nicht nur der “Landwirt” profitiert also von den Geldern auch wenn es leider immer wieder so dargestellt wird.

Donald Adolf Murmelstein / 21.05.2019

Ohne Junker gäbe es längst keine EU mehr.  Deshalb die frohe Botschaft. Weber wird mit seinem „HEIL DURCH VERNICHTUNG PROTOKOL“ die EU vollkommen an die Wand fahren. Beten wir das Weber neuer K.-Präsi wird.  Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Schauen Sie wo Niederhatzkofen (Webers Geburtstag) liegt. Das liegt noch im Dunstkreis Passaus und nur einen geistigen Steinwurf von Braunau entfernt. Der österreichische Kulturhistoriker Friedrich Heer hat in seinem Buch „Der Glaube des Adolf Hitlers“ über diese Gegend und den Menschen sehr erhellende Dinge geschrieben. Sehr lesenwert (immer wieder lesenswert)

Andreas Rühl / 21.05.2019

Danke für die gute Analyse. Insgesamt überwiegt das Negative, gerade auch was die Innenpolitik der EU angeht. Hier offenbart sich eine strukturelle Schwäche. Mit dieser Kommission wird der Brexit verbunden bleiben und die Folgen für die EU - etwa weil der wichtigste Gegenspieler merkantilistischer Bestrebungen wegfällt - kann man noch gar nicht absehen, geschweige denn die Folgen für die Verbraucher. Die Versuche der EU, im Konzert der Großen mitzuspielen, kommen wir bisweilen ein wenig stümperhaft vor. Der Weg mit einzelnen Handelsabkommen mit Spielern aus der 2. Reihe die eigenen Interessen zu wahren, ist aber nicht grundsätzlich falsch. Das Grundproblem der EU bleibt jedoch bestehen: Es ist in den wichtigsten Bereichen auf das Konsensprinzip angewiesen, was sie erpressbar macht und mitunter dazu führt, dass der kleinste Nenner gefunden werden muss. In den Bereichen, wo Mehrheitsentscheidungen möglich sind, öffnet die EU-Verfassung den Regierungen alle Tore, die EU als Sündenbock darzustellen. Eine Verlagerung von noch mehr Kompetenzen auf die EU-Ebene erscheint mir daher nicht der richtige Weg, das gefährdet das Projekt eines gemeinschaftlichen Wirtschaftsraums. Statt die EU als einzige Möglichkeit, Frieden und Wohlstand zu bewahren, “alternativlos” dem Wähler zu präsentieren, wäre es möglicherweise besser, jetzt einen deutlichen Schnitt zu machen. Was ist seit Maastricht geschehen, welche Entwicklungen laufen in die richtige, welche in die falsche Richtung? Der Brexit war dafür als Gelegenheit wie gemacht und wurde versäumt. Reform an Haupt und Gliedern also und mindestens 2 Geschwindigkeiten bei der Integretation. Besser mehr.

Achim Kaussen / 21.05.2019

Hallo zusammen, in meinen Augen ist das Konstrukt EU nicht zukunftsfaehig, da es einige schwere Konstruktionsfehler hat, die dermasse tief im System stecken, das man sie nicht mehr beheben kann. Ich wuerde die EU mit der Boing 737 MAX-8 vergleichen, die ist ausentwickelt, da hilft kein Softwarepatch, sondern nur noch eine Neukonstruktion. Die EU hat als EWG angefangen, war also von Anfang an ein Elitenprojekt und wurde dann, basierend auf dem alten Fundament, Schrit fuer Schritt zur politischen EU aufgeblasen. Das Parlament, eigentlich die Legislative (Schulwissen aus dem Politikunterricht), darf keine eigenen Gesetze einbringen, mehr muss man ueber die EU nicht sagen. Bei der Konstruktion eines Staates sollte man, basierend auf den Erfahrungen der Geschichte, davon ausgehen, das der Mensch an sich und der Politiker im speziellen von Haus aus schlecht ist. Es muessen Mechanismen und Prozeduren implementiert werden, die sich gegenseitig kontrollieren und den Machtmissbrauch einzelner Personen wirkunsvoll verhindern. Ein Feedback der Bevoelkerung auf die Institutionen muss ebenfalls implementiert sein. Das ist extrem schwierig, selbst in D, wo theoretisch alles vorhanden ist, Gewaltenteilung, freie Presse, Wahlen etc., funktioniert das seit ein paar Jahren nicht mehr. Der EU Staat wurde quasi am Reissbrett entworfen, ideale Voraussetzungen also, man hat es schlicht und einfach vergeigt. Mein Vorschlag waere: zurueck auf EWG, dann “insert Coin, try again”

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EU-Gipfel: Zwickmühlen zwischen schlecht und noch schlechter

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