Die EU erschwert mit immer bizarreren Auflagen den internationalen Handel und schießt sich dabei selbst ins Knie. „Klimaschutz“ gäbe es auch viel billiger.
Im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni ist der Trend bereits klar: Mitte-Rechts und rechtspopulistische Kräfte legen in den Umfragen zu, und Mitte-Links, insbesondere die Grünen, scheinen auf eine Abstrafung durch die Wähler zu warten. Natürlich sind in jedem EU-Mitgliedstaat andere Themen im Spiel, aber was nach wie vor eine wichtige Rolle spielt, ist die Klimapolitik und insbesondere die Rolle der Europäischen Union.
Die wirtschaftliche Misere Deutschlands, die sogar mit einer Deindustrialisierung einherzugehen scheint, hängt nicht nur mit der russischen Entscheidung zusammen, 2022 als Gegenmaßnahme zu den europäischen Sanktionen die stabilen Gaslieferungen an Deutschland einzustellen. Auch die verblüffende Entscheidung Deutschlands, inmitten einer Energiekrise mit der Schließung von Kernkraftwerken zu beginnen, spielt eine große Rolle. Die EU-Politik zur Förderung von Elektroautos – die zunehmend aus China kommen – trägt ebenfalls dazu bei. Weniger in den Nachrichten ist das CO2-„Emissionshandelssystem“ (ETS) der EU, das im Grunde auf eine Klimasteuer hinausläuft, da es die Unternehmen zwingt, für den Ausstoß von Treibhausgasen zu zahlen. Und das, obwohl Energie in Europa schon jetzt viel teurer ist als bei den US-Konkurrenten.
Grüne Politik auf Kosten der Armen
Gerade als Europa von einer hohen Inflation geplagt wurde, beschlossen die europäischen Institutionen im Frühjahr 2023, ihre ETS-Klimasteuer auf weitere Sektoren auszuweiten, darunter die Seeschifffahrt, Gebäude und den Straßenverkehr. Dies, obwohl Hilfsorganisationen davor gewarnt hatten, dass dies „verheerende soziale Folgen für Haushalte mit niedrigem Einkommen“ haben könnte, da diese „in hohem Maße auf fossile Brennstoffe für Heizung und Transport angewiesen sind“. Um dem entgegenzuwirken, plant die EU einen neuen „sozialen Klimafonds“, der natürlich wieder von denselben Steuerzahlern bezahlt werden soll, die bereits von der Klimapolitik der EU betroffen sind.
Möglicherweise ist es sogar noch bizarrer, dass die EU erkennt, dass sie ihrer eigenen Industrie einen großen Nachteil aufbürdet, denn zur gleichen Zeit, als die Verlängerung der EU-Klimasteuer entschieden wurde, beschlossen die EU-Mitgliedstaaten die Einführung eines so genannten Klimazolls oder Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM). Mit anderen Worten: Erst schießt sich die EU in den eigenen Fuß, um dann zu beklagen, dass die eigene Industrie einen Wettbewerbsnachteil hat, und dann beschließt sie, ausländischen Konkurrenten zusätzliche Zölle aufzuerlegen. Die Tatsache, dass diese Kosten einfach auf die europäischen Verbraucher abgewälzt werden, entgeht den politischen Entscheidungsträgern offenbar, aber auch Europas Handelspartner sind darüber alles andere als glücklich.
Der indische Handelsminister Piyush Goyal warnte im Dezember, dass Indien „Vergeltungsmaßnahmen“ gegen die seiner Meinung nach unfairen Zölle ergreifen werde, da diese die indischen Metallexporte im Wert von bis zu 8 Milliarden Dollar pro Jahr treffen würden. Zusammen mit Südafrika, Taiwan und mehreren Entwicklungsländern prüft Indien derzeit, diesen Mechanismus zur Anpassung der Zollsätze bei der Welthandelsorganisation (WTO) anzufechten. Darüber hinaus arbeitet Indien an einem eigenen Kohlenstoffsteuer-Mechanismus, der darauf abzielt, Importe aus Industrieländern aufgrund ihrer nach indischer Auffassung historischen Kohlenstoffemissionen zu besteuern. Dies zeigt, wie das Modell der EU-Klimapolitik, das auf Steuern und Regulierung setzt, letztlich in Handelskriegen und Protektionismus enden kann, wobei das Klima als Vorwand dient.
Die ärmsten Länder sind von CBAM besonders stark betroffen. Laut einer Studie der African Climate Foundation und der London School of Economics würde der protektionistische CBAM-Klimazoll der EU Afrika 25 Milliarden Dollar kosten, was fast dem Vierfachen der Entwicklungshilfe entspricht, die die EU im Jahr 2021 für Afrika bereitstellte. Die afrikanischen Länder haben sich auf WTO-Ebene beschwert, dass diese „einseitige Umweltmaßnahme“ das Risiko birgt, das afrikanische BIP um mehr als 1 Prozent zu senken, während sie wenig für das Klima tut.
Steuersenkungen als Anreize
Es sollte daher klar sein, dass ein anderer Ansatz dringend erforderlich ist. Die „Climate & Freedom International Coalition“, eine Gruppe von Akademikern und politischen Entscheidungsträgern, hat eine Alternative zur derzeitigen zentralen Planungspolitik und dem kollektivistischen „Pariser Abkommen“ erarbeitet. Dabei hat die Gruppe einen Vorschlag für ein internationales Abkommen ausgearbeitet, das auf der Prämisse beruht, dass freie Märkte kohlenstoffneutrale Lösungen hervorbringen.
Kurz gesagt, läuft dieses alternative Modell auf die Idee hinaus, die umfangreichen staatlichen Eingriffe in den Energiesektor einfach zu beenden und damit auch alle herkömmlichen Energiesubventionen abzuschaffen. Die Idee ist, Investitionen in neuere, sauberere Technologien zu fördern.
Staaten, die diesen Vertrag ratifizieren, kämen dann in den Genuss von Handelsvorteilen, sofern sie eine klimafreundliche, marktwirtschaftliche Politik betreiben. Vorgeschlagen werden unter anderem gezielte Steuersenkungen („Clean Tax Cuts“), insbesondere in den vier Sektoren, die für 80 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind – Verkehr, Energie und Strom, Industrie und Immobilien – sowie Steuersenkungen, die auf die Entmonopolisierung abzielen. Letzteres bedeutet die Abschaffung der Gewinnsteuern für Investoren, die Unternehmen mit einer Monopolstellung und staatliche Unternehmen aufkaufen, mit dem Ziel, die Liberalisierung der Energiemärkte zwischen den Vertragsparteien zu fördern.
Darüber hinaus wird vorgeschlagen, Unternehmer und Finanziers in den Staaten, die das Abkommen unterzeichnet haben, durch steuerfreie „CoVictory-Anleihen“ zu ermutigen, Investitionen in „Sachanlagen“ zu tätigen – Vermögenswerte, die für Unternehmen langfristig wichtig sind. Dadurch sollen die Kreditkosten um mindestens 30 Prozent gesenkt werden, um Anreize für mehr Innovation zu schaffen.
Spannungen mit Handelspartnern
Nicht nur die EU-Klimapolitik, sondern auch andere Aspekte der EU-Umweltpolitik führen zunehmend zu Spannungen mit Handelspartnern. Rebeca Grynspan, Generalsekretärin der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung, warnt jetzt sogar davor, dass die westliche Umweltpolitik der Entwicklung der Schwellenländer schadet. Zum US-amerikanischen Inflation Reduction Act, der die Produktion von Elektroautos in den USA stark subventioniert, und zu ähnlichen europäischen Maßnahmen zur Förderung grüner Technologien stellt sie zu Recht fest: „Die Entwicklungsländer sehen viele dieser Maßnahmen als protektionistisch an“, obwohl „Handel und Investitionen ... für ein dynamisches, nachhaltiges Wachstum“ in diesen Ländern wichtig sind.
Sie kritisiert insbesondere auch die neue EU-Abholzungsrichtlinie, die sie für zu restriktiv hält: „Wenn man die Bevölkerung nur bestraft und ihr nicht hilft, ein nachhaltiges Einkommen aus einem nachhaltigen Wald zu erzielen ... was ist dann der Weg nach vorne?“
Genau darüber kam es im vergangenen Jahr zu einem Handelsstreit zwischen der EU und Malaysia und Indonesien, beides wichtige Exporteure von Palmöl, die sich aufgrund der neuen EU-Vorschriften neuen bürokratischen Anforderungen gegenüber sahen. Die ITC, eine gemeinsame Einrichtung der UN und der Welthandelsorganisation, warnte, dass diese EU-Politik „katastrophale“ Auswirkungen auf den Welthandel haben könnte, da vor allem kleinere Erzeuger vom Marktzugang „abgeschnitten“ zu werden drohen.
Der Kern des Problems besteht darin, dass die EU sich kategorisch weigert, den Standards der Handelspartner zu vertrauen. Im Falle Malaysias ist dies beispielsweise das Zertifizierungsprogramm für nachhaltiges Palmöl (Malaysian Sustainable Palm Oil (MSPO)). Kürzlich wurde das Land von der Nichtregierungsorganisation Global Forest Watch für die Verringerung der Entwaldung gelobt. Im Gegensatz zum Ansatz der EU hat die britische Handels- und Landwirtschaftskommission (TAC) nun auch offiziell bestätigt, dass sie die Standards Malaysias für gleichwertig erklärt. Sie hat erklärt, dass „das Risiko, dass CPTPP zu einem Anstieg der Einfuhren von Palmöl aus abgeholzten Flächen führen würde, als gering eingestuft wurde“. Die Zusage des Vereinigten Königreichs, die Standards seiner südostasiatischen Handelspartner anzuerkennen, war ein wichtiger Grund dafür, dass das Vereinigte Königreich Zugang zum transpazifischen Handelsabkommen CPTPP erhielt, dem größten Handelsabkommen für die Briten seit dem Brexit.
Untergrabung des Freihandels
Auch in anderen Politikbereichen versucht die EU zunehmend, ihren Handelspartnern bestimmte politische Entscheidungen und Bedingungen aufzuerlegen, was zu Spannungen führt, wie zum Beispiel bei der neuen Richtlinie über die „Sorgfaltspflicht“. Diese verlangt von importierenden Unternehmen, nicht nur zu untersuchen, ob ihre Zulieferer die Menschenrechte verletzen, sondern auch, ob sie alle möglichen spezifischen sozialen und ökologischen Standards einhalten. Ein deutscher Industrieverband kritisierte dies scharf und warnte, dass „die EU damit den nächsten Nagel in den Sarg für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie schlägt“.
Einer der Gründe, warum es der EU bisher nicht gelungen ist, das Mercosur-Handelsabkommen mit den lateinamerikanischen Volkswirtschaften zum Abschluss zu bringen, liegt darin, dass sie immer wieder versucht, die Handelsverhandlungen zu nutzen, um ihren Handelspartnern alle möglichen spezifischen politischen Entscheidungen aufzuzwingen. Das sagen zumindest Experten wie Marcela Cristini, leitende Ökonomin bei der argentinischen Stiftung für Wirtschaftsforschung in Lateinamerika (FIEL). Ihrer Meinung nach sind die Umweltauflagen der EU „übertrieben“ im Vergleich zu den wirtschaftlichen Vorteilen, die das Abkommen für Argentinien hätte.
Trotz all ihrer Schwächen konnte die Europäische Union in den letzten zwei Jahrzehnten bei der Öffnung des Handels mit dem Rest der Welt einige anständige Ergebnisse vorweisen. Aber auch das gerät jetzt zunehmend unter Druck, und zwar aufgrund einer fast zwanghaften grünen Politik. Vielleicht werden die bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament dies ändern.
Pieter Cleppe war Leiter des Brüsseler Büros des Think Tanks „Open Europe“. Er schreibt regelmäßig für Rundfunk- und Printmedien in ganz Europa und diskutiert häufig über die EU-Reform, die Flüchtlingskrise und die Eurokrise. Der gelernte Jurist war zuvor in Belgien als Rechtsanwalt tätig und arbeitete als Kabinettberater und Redner des belgischen Staatssekretärs für Verwaltungsreform.