“Frau Merkel, ich wiederhole meine Frage. Antworten Sie nicht mir, antworten Sie Ihrem Volk: Wie sieht Ihre Strategie aus?” Frau Zeh hat eine Frage, aber sie scheint zu glauben, daß es auch die Frage des Volks ist. Wie kommt sie eigentlich auf diese Idee? Ist das nicht - milde gesagt - etwas überheblich, das ohne weiteres so zu meinen? Der Grundton des Briefs ist der einer Überheblichkeit, einer Besserwisserei, gekoppelt mit einer völlig einseitigen Darstellung, die die Dramatisierung anstrebt, und bei nahezu jedem Satz ist die Realität so verzerrt oder unvollständig oder gefärbt dargestellt, daß sich mir die Frage stellt: Weiß Frau Zeh eigentlich, was sie daherredet, oder haben ihr bloß andere etwas vorgeplappert, was sie einfach nur nachplappert, weil es ihr “irgendwie” einleuchtete? Auch die “Rezepte” sind nicht durchdacht. Zeh macht z.B. im Brief großes Aufhebens um die europäische Datenschutz-Grundverordnung, und erwähnt das dort vorgesehene Recht des Bürgers auf Löschung personenbezogener Daten. Das mag ja alles schön und gut sein für den Fall öffentlich zugänglicher Daten. Die von Zeh angeklagten Firmen wie Google sammeln aber ja Daten (der Nutzung ihrer Dienste durch den Bürger) firmenintern. Diese Datensammelei ist von außerhalb der Firmen nicht zu erkennen. Wenn man sie ernsthaft unterbinden will, müsste man ein staatliches Überwachungssystem aufbauen, daß jederzeit Zugang staatlicher Stellen zu all jenen Rechnersystemen privater Unternehmen erlaubt, die von Bürgern über Internet nutzbare Dienst anbieten. Besteht diese Kontrollmöglichkeit nicht, hat man ein Gesetz, dessen Einhaltung unmöglich zu kontrollieren ist. Das wäre ziemlich genau dasselbe, wie dieses Gesetz nicht zu haben. Aber Zeh wird wohl den Aufbau dieses staatlichen Überwachungssystems nicht problematisch sehen… richtet es sich ja “nur” gegen private Unternehmen! Er fällt also wohl nicht in die Kategorie: “Sämtliche Regierungsprojekte, welche die Lage weiter verschlimmern, gehören vom Tisch”. Richtig lustig wird es dann, wenn Zeh behauptet, daß dieses europäische Gesetz dazu führen könnte, daß europäische Stellen die Rechner in außereuropäischen Territorien auf Einhaltung der europäischen Gesetze überwachen können werden: “Und sagen Sie jetzt nicht, so etwas sei nicht durchsetzbar. Sie wissen, dass das nicht stimmt.” Ach ja, das ist schnell mal so dahergesagt. Ob andere Länder die Strafverfolgungsbehörden fremder Länder auf ihrem Territorium operieren lassen, um die Gesetze fremder Länder durchzusetzen… ja sicher, ohne Weiteres “durchsetzbar”? :D Ich kann leider nicht alles von Zeh Formulierte und Behauptete in der gebotenen Weise kommentieren, wie ich das bei diesem einen Punkt gemacht habe, dazu fehlt hier der Platz.
Dachte mir fast, ich hätte das schon mal gelesen: eigentümlich frei online - “Juli Zeh: Ich liebe Dich!” von von Akif Pirinçci
Herr Wendt, ich finde es wirklich zuviel der Ehre, dass ein kluger Kopf wie Sie diesem linksdrehenden Phrasendreschmaschinchen derart viele Zeilen widmet. Die alten Preußen hätten gesagt: “So etwas ignoriert man noch nicht einmal…”.
Ich hatte mal eine der “Petitionen” von Juli Zeh bzw. “change.org” unterzeichnet, und ich hatte verhängnisvollerweise das Feld angeklickt, dass ich über “weitere Petitionen” informiert werden will. Was danach in hektischem Rhythmus eintrudelte, war ein so unglaubliches Durcheinander von “Forderungen”, dass ich mich an Juli Zehs Roman “Adler und Engel” erinnert fühlte. Den hatte ich aufgrund von Presse-Lobeshymnen leider gelesen, und es war das chaotischste, quälendste, überflüssigste Buch, das mir je untergekommen ist. Inzwischen habe ich gesehen, dass Juli Zeh ihre realitätsabgehobenen Literaturwelten mit der (politischen) Wirklichkeit zu verbinden beabsichtigt, als wäre das ein und dasselbe. Vielleicht eine Folge ihrer vielen Literaturpreise, die heute bevorzugt für sog. “unbequeme” Werke vergeben werden. Da kann’s dann schon mal zu Verwechslungen kommen zwischen literarischer und realpolitischer “Unbequemlichkeit”, und die Folge ist groteske Überschätzung der eigenen Bedeutung, Zurschaustellung von “Engagement”, kurz: wild wuchernder Narzissmus. Für mich jedenfalls liegt Juli Zehs “Unbequemlichkeit” vor allem darin, dass sie so ungeniert mit Unfug nervt. Aber vielleicht hat sie es ja eingesehen – man hat schon lange nichts mehr von ihr gehört, wie Alexander Wendt zutreffend schreibt. Warten wir ab, was als nächstes von ihr kommt.
In ein paar Jahren werden dieselben (älter und bequemer geworden) ganz anders klagen. “Warum fährt mich mein Auto immer noch zu einem Sushi-Restaurant?! Seit Wochen schon könnte dem Netz bekannt sein, dass ich keine Sushis mehr mag!”
Lieber Herr Wendt, danke für die Erheiterung! Beste Grüße Gabriele Schulze
Gut gemacht, Alexander Wendt. Und schönen Schmunzelgruß von einem Science Fiction-Autor. ;-)
Meinen Sie “Thriller” ?
Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.