Nach dem Tohuwabohu der letzten Tage kann man sich durchaus fragen, worin der Unterschied zwischen der Bundesrepublik und der DDR besteht. Spontane Antwort: In der Bundesrepublik ist auch die Opposition gegen die Meinungsfreiheit und für Berufsverbote.
Wir leben schließlich in einem Land, in dem ein Finanzexperte wegen Äußerung einer politischen Meinung aus dem Vorstand der Bundesbank abberufen werden soll. Am Tag davor noch hat Bundespräsident Wulff auf den Vorstand der Bank Druck ausgeübt, indem er erklärte, er glaube, dass jetzt der Vorstand schon einiges tun könne, damit die Diskussion Deutschland nicht schade - vor allem auch international. Will er uns weismachen, dass etliche notorische Schurkenstaaten demnächst die Hannoveraner Messe meiden werden, weil ein Bankfachmann sich zur Qualität der Immigration in Deutschland geäußert hat?
Fast schon höhnisch klingt die Erklärung der Kanzlerin, sie begrüße die unabhängige Entscheidung des Bundesbankvorstands. Es ist zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass jemand in diesem Amt sich politisch gegen ein Buch ausspricht. An dieser Stelle erinnern wir uns an eine kleine Meldung aus der Rubrik „Bunte Welt“, aus der hervorging, dass Angela Merkel als Urlaubslektüre in diesem Sommer eine Stalin- Biografie im Gepäck gehabt habe. Damals haben wir uns beim Lesen der Meldung keine weiteren Gedanken gemacht.
Inzwischen hat der Kreisverband Charlottenburg- Wilmersdorf der SPD ein Ausschlussverfahren gegen ihr langjähriges Mitglied Sarrazin beschlossen, wegen parteischädigendem Verhalten, was immer das sein mag. Das Verfahren ist bekanntlich kompliziert. So will es die Demokratie. Wir möchten hier einen Vorschlag zur Vereinfachung der Angelegenheit machen: Die SPD könnte sich, wie einst die Grotewohl-Partei der Linkspartei anschließen, daraufhin würde Sarrazin mit ziemlicher Sicherheit die Partei freiwillig verlassen. Die Sache wäre erledigt, und auch die Einheit der Linken wieder hergestellt, und die Sozialdemokraten wären deutlicher von der CDU zu unterscheiden.
Der wohlmeinende Bundespräsident hat sich nicht nur zu Sarrazin sondern auch zu dessen Thematik geäußert. Die Mehrzahl neu angekommener Bürger nehme erfolgreich an Integrationskursen teil, ließ er uns wissen. Schön und gut, nur, eine erfolgreiche Immigration gab es noch in keinem der klassischen Einwanderungsländer auf grund von Integrationskursen, sondern durch den Einfallsreichtum und den Arbeitswillen der Eingewanderten. Man wurde im Glücksfall vom Tellerwäscher zum Millionär, vom Integrationskursteilnehmer aber wird man häufig genug zum Hartz- IV-Empfänger.
Es gibt zwar kein größeres Problem, wie man uns zu versichern nicht müde wird, aber, so hören wir aus der Politik, eine Besorgnis in der Bevölkerung, die ernst zu nehmen sei. Wir wollen jetzt nicht fragen, wieso es eine Besorgnis gibt ohne ein Problem. Wir möchten etwas anderes fragen: Wieso eigentlich brauchen wir eine Einwanderung, wenn wir vier Millionen Arbeitslose haben, und wieso brauchen wir diese Einwanderung, wenn unter den Eingewanderten die Zahl der Arbeitslosen prozentuell höher ist als die unter den Einheimischen?
Der Gipfel der Unverfrorenheit aber ist die Erklärung, die Integration werde zum Mega- Thema der nächsten Jahre. Zum Megathema für wen? Für die Politik und ihre Machtspiele, für die Manipulation der Wähler und die Verarschung des Bürgers?
In unserem Land ist zunächst einmal die Meinungsfreiheit wiederherzustellen. Um sie zu garantieren, muss die Machtausübung durch die politische Klasse wieder besser von der Öffentlichkeit kontrolliert werden können. Das erfordert eine Diskussion über das Berufsethos in den Medien und eine zumindest vorübergehende Beschneidung der Privilegien der politischen Klasse.
Es sollte, nach Möglichkeit, und zumindest für eine Übergangszeit, die politische Arbeit nur noch ehrenamtlich ausgeübt werden, wobei eine streng abzurechnende Aufwandsentschädigung zu zahlen wäre, und der Lebensunterhalt des Politikers, wenn es nötig sein sollte, durch seine Wähler bestritten wird, indem diese das Recht bekommen, Steuergelder, die sie selbst zahlen, in begrenztem Umfang dem sie vertretenden Politiker zur Verfügung zu stellen.
Die notwendige Wiederherstellung der Demokratie in Deutschland, damit der mehrheitlich beschlossene Volkswillen wieder zum Tragen kommt, sollte von einer Diskussion über die moralischen Prinzipien des Zusammenlebens und den Respekt vor dem Rechtsstaat und seinen Institutionen getragen werden.
Die Meinungsfreiheit stellt das Zentrum unserer Demokratie dar. So lange das den führenden Politikern und den Chefredakteuren der öffentlich-rechtlichen Medien nicht klar ist, befindet sich Deutschland tatsächlich in einer Krise. Der Provokateur dieser Umstände ist aber nicht ein Sarrazin, es ist vielmehr die politische Klasse und ihr medialer Schulterschluss.