Gastautor / 28.05.2011 / 21:57 / 0 / Seite ausdrucken

In kommunistischer Tradition

Von Alex Reichmuth

Die neun Professoren des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung «Globale Umweltveränderungen» wollen, dass sich die Welt rasch von fossilen Energiequellen abwendet und klimaverträglich wird. Das «kohlenstoffbasierte Wirtschaftsmodell» unserer Zeit sei ein «normativ unhaltbarer Zustand», ­schreiben sie. Die Transformation zur Klimaverträglichkeit sei daher «moralisch ebenso geboten wie die Abschaffung der Sklaverei und die Ächtung der Kinderarbeit». Mit Nu­klearenergie solle ebenfalls Schluss sein.

Bisher hat der Umweltrat eine 34-seitige Zusammenfassung publiziert, die seinen «Gesellschaftsvertrag für eine Grosse Transformation» umreisst. (Die Vollversion soll demnächst folgen.) Man könnte das Dokument als Verirrung abgehobener Professoren zur Seite legen, wenn es nicht von einflussreichen Personen geschrieben worden wäre. Der Umweltrat wird von Hans Joachim Schellnhuber geführt, der als «Klimaberater» einen direkten Draht zu Kanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissions-Präsident José Manuel Barroso hat. Ratsmitglied Stefan Rahmstorf ist einer der führenden Köpfe des Weltklimarats und weist in den deutschen Medien jeden zurecht, der Zweifel an dessen Allwissenheit hegt.

Zuerst fällt auf, dass das Papier vor Worthülsen strotzt. Da ist von «planetarischen Leitplanken» und einer neuen «Geschäftsgrundlage» der Gesellschaft die Rede. Man liest von «durchsetzungsstarken Klimapionierallianzen», die ein «schnelles, transformatives Gegensteuern» ermöglichen sollen. Es gelte, ­einen «umfassenden Umbau aus Einsicht, Umsicht und Voraussicht» voranzutreiben. Der Umweltrat entwickelt «polyzentrische Transformationsansätze mit unterschiedlichen Ambitionsniveaus», die durch «Häufigkeitsverdichtungen» eine «unumkehrbare Gesamtdynamik» erzeugen sollen.
Tiefer Glaube an den Internationalismus

Der Umweltrat lässt dem Staat eine zentrale Rolle zukommen. Er spricht von einem «gestaltenden Staat», der «für die Transformation aktiv Prioritäten setzt» und gleichzeitig «erwei­terte Partizipationsmöglichkeiten für ­seine Bürger bietet». Wer aber an ergebnis­offene demokratische Entscheidungsrechte denkt, wird enttäuscht: Die «Stärkung der Bürgerschaft» soll selbstverständlich «unter dem Dach nachhaltiger Politikziele» erfolgen. Damit der Einzelne die «transformative Kraft seiner Handlungen» begreift und ein «grundlegendes Problembewusstsein» entwickelt, beginnt schon in der Schule eine entsprechende Gehirnwäsche. Der Umweltrat stellt sich dabei in die Tradition der DDR. Dort war die «Erziehung zur sozialistischen Persönlichkeit» oberstes Bildungsziel, hier ist es dieje­nige zur klimaverträglichen Persönlichkeit.

Die Vorschläge, wie die Gesellschaft künftig organisiert sein soll, erinnern an den totalitären Überwachungsstaat in George Orwells ­Roman «1984». Bei Orwell gab es ein «Ministe­rium für Wahrheit», eine «Jugendliga gegen Sexualität» und eine «Gedankenpolizei». Ähnlich will der Umweltrat der Zivilgesellschaft eine «wissenschaftliche Expertengemeinschaft» zur Seite stellen, die sicherstellt, dass die Gesellschaft den Nachhaltigkeitsprozess einhält. Alle Gesetze sollen eine «um­fassende, obligatorische Klimaverträglichkeitsprüfung» durchlaufen. Auch wird das Parlament um eine «Zukunftskammer» erweitert, die «die Interessen künftiger Generationen» wahrnimmt. Diese soll nicht demokratisch, sondern «beispielsweise durch das Losverfahren» besetzt werden.

Unübersehbar ist ein tiefer Glaube an den ­Internationalismus. So meinen die neun Professoren mit dem «gestaltenden Staat» nicht etwa den traditionellen Nationalstaat, sondern «globale Kooperationsmechanismen», die sich explizit am «Institutionengeflecht» der EU orientieren. Um eine «geleitete politische Führerschaft» durchzusetzen, sollen künftig zum Beispiel ein «UN-Rat für nachhaltige Entwicklung», eine «Internationale Organisation für nachhaltige Energie», eine «Globale Kommission für nachhaltige Landnutzung» und eine weltweite Organisation «für nachhaltige Urbanisierung» dafür sorgen, dass die Nationalstaaten ihre «international überprüfbaren ­Dekarbonisierungsfahrpläne» einhalten. Diese sollen immens viel Geld kosten: Bis 2030 sollen es jährlich zwischen 200 Milliarden und einer Billion US-Dollar sein, «im Zeitraum 2030 bis 2050 noch deutlich darüber».

Die «Grosse Transformation» des deutschen Umweltrats gleicht nicht nur dem Namen nach dem «Grossen Sprung nach vorn». Ende der 1950er Jahre wollte die kommunistische Führung Chinas unter diesem Titel das Land mit einer gewaltigen Kraftanstrengung ­modernisieren und industrialisieren. Um das zu erreichen, sollte der «revolutionäre Enthusiasmus der Massen» mobilisiert werden. Die chinesische Führung fasste die Landbevölkerung in Kommunen zusammen. Das führte ­direkt in die Katastrophe. Etwa dreissig Millionen Menschen starben in den folgenden ­Jahren an Hunger.

Erschienen in der Weltwoche Ausgabe 21/11

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