In der Kiewer Reproduktionsklinik BioTexCom können sich Paare und unter Umständen sogar alleinstehende, ältere Frauen ihren unerfüllten Kinderwunsch gegen Bezahlung erfüllen. Ein Bericht über das Konzept „Kind auf Bestellung".
Vor kurzem bin ich rein zufällig bei Facebook auf die Werbeanzeige der größten ukrainischen „Klinik der Reproduktionsmedizin" namens BioTexCom gestoßen, welche sich auf Leihmutterschaft und Eizellspende spezialisiert hat. In dieser Anzeige wird mitgeteilt, dass „trotz der Herausforderungen im Zusammenhang mit der militärischen Situation in der Ukraine" BioTexCom „ein zuverlässiger Partner für Patienten, die den Wunsch haben, Eltern zu werden" bleibe.
Neue Verträge würden kontinuierlich abgeschlossen, Programme gestartet und geeignete Leihmütter sowie Spender ausgewählt. Seit Kriegsbeginn seien mithilfe der Reproduktionsagentur über 1.000 Kinder zur Welt gekommen. Zudem habe man das Angebot erweitert, denn während einst Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch direkt zur Klinik nach Kiew haben reisen müssen, um ihr biologisches Material zu übermitteln, kann man dies nun ganz bequem von zu Hause aus erledigen – „die Boten von BioTexCom transportieren es sicher nach Kiew". Lediglich zur Abholung des Babys nach dessen Geburt ist noch eine Reise in die Ukraine erforderlich. Zwar herrsche noch immer Krieg, doch in Kiew sei es „relativ sicher", so dass man die Abholung des Nachwuchses auch mit einem Abstecher in „Restaurants, Cafés, Geschäfte und Kinos" verknüpfen könne. Nur nachts gebe es noch eine Ausgangssperre.
Wer stets geglaubt hatte, nur Stars wie Nicole Kidman, Kim Kardashian oder Paris Hilton würden auf eine Leihmutter zurückgreifen und Normalsterbliche könnten sich diese fragwürdige Methode der Familienplanung ohnehin nicht leisten, hat weit gefehlt. Zwar sprengt das Engagement einer Leihmutter oder der Kauf einer Eizellspende bei BioTexCom, welche entweder der „Wunschmutter" selbst oder der Leihmutter eingeführt wird, das Budget der durchschnittlichen Bürgergeldempfänger, doch bei diesen handelt es sich ohnehin größtenteils um Menschen aus Kulturkreisen, wo die natürliche Produktion von Nachwuchs gang und gäbe ist, und das sehr erfolgreich.
„Economy-Paket für 4.900 Euro“
Nichtsdestotrotz können sich auch einige Normalsterbliche die angebotenen Dienstleistungen von BioTexCom leisten, so dass diese Klinik weltweit für viele Paare mit unerfülltem Kinderwunsch die Anlaufstelle Nr. 1 ist. Laut eigenen Angaben verhalf die Reproduktionsklinik in den letzten sechs Monaten 434 Familien aus aller Welt zum Babyglück.
Anders als etwa in den USA, wo die Beauftragung einer Leihmutter mindestens 100.000 Euro kostet, erhält man in der Ukraine ein vergleichbares Angebot bereits ab 40.000 Euro. Die exakten Preise für die verschiedenen „Leihmutterschaftspakete" bei BioTexCom gibt es hier.
Der teuerste Tarif beläuft sich auf knapp 65.000 Euro; das Besondere ist hierbei eine geringe Wartezeit von maximal 4 Monaten und sogar die Auswahl des Geschlechts. Ob man hier nur zwischen männlich und weiblich wählen oder sich auch für ein nichtbinäres, diverses oder ein ganz anderes Geschlecht entscheiden kann, ist allerdings nicht übermittelt.
Die zur Auswahl stehenden „Eizellspenden-Pakete" sind hier noch wesentlich erschwinglicher, allerdings ist auch keine zweite Frau (oder neuerdings auch „Trans-Mann") erforderlich, da die sogenannte Wunschmutter selbst Empfängerin der Eizelle ist. So gibt es etwa ein „Economy-Paket für 4.900 Euro, das lediglich einen Embryotransfer, bei dem ein Embryo künstlich in die Gebärmutter eingeführt wird, anbietet, aber auch Pakete mit zwei, drei oder fünf Embryotransfers („Winner-, Triple- und Success-Paket") und zu guter Letzt noch das „Ideal-Paket", welches, wenn alle Stricke reißen und es einfach nicht zu einer Schwangerschaft kommt, mit einer Leihmutterschaft enden kann.
Frauen im (Ur-)Oma-Alter können noch Mutter werden
Während Leihmütter meist von Paaren – diese müssen bei BioTexCom heterosexuell und verheiratet sein – die auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen können, engagiert werden, die befruchtete Eizelle jedoch meist tatsächlich von der Wunschmutter stammt (die Leihmutter darf nicht mit eigenen Eizellen schwanger werden), ist dies bei der Eizellspende natürlich anders. Auf dieses Angebot greifen meist ältere Frauen über 40, deren eigene Eizellen für eine Schwangerschaft nicht mehr geeignet sind, zurück. Die Frauen können allerdings auch über 50 oder sogar deutlich über 60 sein, wie etwa die zum damaligen Zeitpunkt 66-jährige Hildegard S., welche 2014 mithilfe von BioTexCom via Eizellspende schwanger wurde.
Wie sie im Interview mit einer Mitarbeiterin der ukrainischen Klinik verrät, war es bereits ihr zweites Kind. Bereits im zarten Alter von 55 Jahren war sie durch eine Eizellspende in einer Reproduktionsklinik in England schwanger und schließlich Mutter geworden. Da sie für diese in England mit 66 aber mittlerweile zu alt war, musste sie sich an BioTexCom wenden, wo ihr Alter laut Sergey Ivankevich, der im Jahr 2015 Manager der Klinik war, „eindeutig akzeptabel" für eine Schwangerschaft ist, wie er damals im Gespräch mit dem MDR verriet (ab Minute 8:50).
Zu alt für eine Schwangerschaft ist man laut ihm erst ab 70, denn erst dann hätte eine Frau ein Alter erreicht, ab dem es möglich wäre, dass das Kind vor Erreichen des Erwachsenenalters bereits ohne Mutter sei. Aber wenn eine Frau bis einschließlich 69 schwanger wird bzw. ein Kind bekommt und dann zum Zeitpunkt des 18. Geburtstags fast 90 ist, dann ist das wohl das Normalste der Welt. Hildegard S. selbst sieht ihre Mutterschaft auch völlig gelassen. Schließlich könne keiner wissen, was die Zukunft bringt, denn „es zählt das Jetzt, ich kann doch nicht zehn, zwanzig Jahre vorplanen" (ab Minute 12:50). Zum Zeitpunkt des Interviews äußerte sie den Wunsch, „in einem Jahr" noch ein Kind zur Welt zu bringen. Wie es der mittlerweile 75-Jährigen und vor allem ihren Kindern heute geht, ist leider nicht übermittelt.
Besonders extrem ist auch der Fall Annegret Raunigk, welche bereits 13 Kinder von fünf verschiedenen Vätern hatte, im Alter von 65 Jahren allerdings dennoch den Wunsch nach weiterem Nachwuchs verspürte, deshalb 2015 nach Kiew reiste und dort schwanger mit Vierlingen wurde.
Eizellspende auch via Leihmutter möglich
Doch nicht alle Frauen im Menopausen- bzw. (Ur-)Oma-Alter mit Kinderwunsch möchten „ihren" Nachwuchs selbst austragen. Freilich kann man bei BioTexCom auch auf eine Leihmutter zurückgreifen, der eine Eizelle einer dritten Frau – die Kiewer Klinik hat eine eigene Datenbank mit Eizellspenderinnen – eingepflanzt wird. Von diesem Angebot machte eine 55-Jährige Gebrauch, welche mit ihrem Mann 17 Jahre erfolglos versucht hatte, Kinder zu bekommen. Anfang 2015 wurden die Eltern im Best-Ager-Alter stolze Eltern von Zwillingen.
Insofern ist es kein Wunder, dass es laut BioTexCom „keine absolute Unfruchtbarkeit" gibt, denn schließlich behandele man „sogar die hoffnungslosesten Fälle", „indem wir die effektivsten Methoden der Reproduktionsmedizin verwenden".
Ein Kind kann auch drei biologische Eltern haben
Eine weitere Form der künstlichen Befruchtung, die die Kiewer Klinik anbietet, ist die noch relativ unbekannte Mitochondrien-Spende, bei der ein Kind drei biologische Eltern hat. Frauen mit einer Mitochondrien-Störung können diesen Defekt und somit möglicherweise gefährliche Erbkrankheiten an ihren Nachwuchs weitergeben, da der Mitochondriendefekt auch in den Eizellen vorhanden ist.
Mithilfe der Mitochondrien-Spende wird dies jedoch verhindert, da der Zellkern mit der geschädigten mitochondrialen DNA aus der Eizelle entfernt und in eine Spender-Eizelle einer Frau mit gesunden Mitochondrien eingeführt wird. Diese Eizelle wird daraufhin künstlich befruchtet und der Frau mit den geschädigten Mitochondrien eingepflanzt. Letzten Endes weist der entstehende Embryo genetisches Material zweier Frauen und einem Mann auf. Diese Form der künstlichen Befruchtung kostet bei BioTexCom zwischen 6.500 und 14.900 €.
Was verdient eine Leihmutter oder Eizellspenderin?
Doch nicht nur für die Agentur, auch für die Leihmütter sowie Eizellspenderinnen selbst ist das Ganze ein äußerst lukratives Geschäft. So berichtete die Bundeszentrale für politische Bildung Anfang 2019, dass die durchschnittliche ukrainische Leihmutter für ihre Dienste rund 10.000 Euro erhält, wogegen sie sonst in der Regel nicht mehr als 250 Euro pro Monat verdient.
Viele von ihnen verlassen extra für die Zeit der Schwangerschaft ihren Heimatort, um Anonymität zu genießen, da die Tätigkeit als Leihmutter trotz ihrer Legalität in der Ukraine stark stigmatisiert wird. Eine Eizellspenderin in der Ukraine bekommt bis zu 800 Euro, wie eine Spenderin vor versteckter Kamera dem MDR-Team im Jahr 2015 verriet. Laut ihr darf man alle drei Monate einmal spenden (ab Minute 10:30).
Die Rechtslage
Wichtig ist jedoch, dass sie sich zumindest zum Zeitpunkt der Geburt im Land aufhalten, denn in allen Ländern, in denen Leihmutterschaft illegal ist, und das sind die allermeisten, gilt stets die Frau, die ein Kind geboren hat, rechtlich auch als Mutter, auch wenn es genetisch das Kind einer anderen Frau ist. Zu Hochzeiten des Krieges war dies teilweise ein Problem, da nicht wenige Leihmütter unter anderem nach Polen geflohen sind. Diese hatten BioTexCom jedoch versichert, vor der Geburt wieder in die Ukraine zu kommen.
Auch für die Ehepaare, welche für ihren Kinderwunsch eine Leihmutter in Anspruch nehmen, gibt es einige bürokratische Hürden zu meistern. Da Leihmutterschaft in der Ukraine wie gesagt legal ist, gelten dort auch die werdenden Wunscheltern als rechtmäßige Eltern.
Da dies in Deutschland jedoch nicht der Fall ist, hier gilt die Leihmutter auch als Mutter, muss diese förmlich sämtliche Elternrechte abtreten, so dass die Wunschmutter ihr Kind adoptieren kann. Ein Adoptionsverfahren ist selbst dann vonnöten, wenn das Kind biologisch das eigene ist.
Wo ist Leihmutterschaft noch erlaubt?
Abgesehen von der Ukraine und den USA ist die Leihmutterschaft für Ausländer in Russland, Griechenland, Georgien, Portugal und Kanada erlaubt, allerdings größtenteils nur für heterosexuelle Paare.
Homosexuelle Paare und alleinstehende Männer können lediglich in Kanada und den USA eine Leihmutter engagieren. Bis zum Jahr 2015 war auch Thailand ein sehr beliebtes Ziel für diese Art der Familienplanung, allerdings wurde es im Februar desselben Jahres verboten, nachdem ein Baby von seinen einstigen Wunscheltern abgelehnt worden war, da es mit dem Down-Syndrom zur Welt gekommen war. Letzten Endes wuchs der Junge bei seiner Leihmutter, die jedoch biologisch nicht mit ihm verwandt ist, auf.
Eine große Katalogmentalität
Im Großen und Ganzen betrachte ich die Familienplanung via Leihmutterschaft oder Eizellspende mit großer Skepsis, da es sich hier um ein sehr unnatürliches und unromantisches Verfahren handelt. Bei Paaren, die auf normalem Weg wirklich keine Kinder bekommen können, finde ich es noch vertretbar, allerdings nur, wenn sich die Frau noch in einem Alter befindet, in dem man auf natürlichem Weg noch Kinder bekommen kann. Keinesfalls sollte eine Frau von Mitte 60 noch Mutter werden und schon gar nicht von Vierlingen. Zudem ist eine Frau, die lediglich via Eizellspende schwanger wird, biologisch gar nicht mit dem Kind verwandt, womit ich ebenfalls ein großes Problem hätte.
Darüber hinaus finde ich großen Anstoß an der Tatsache, dass man gegen Bezahlung des nötigen Kleingelds vorab das Geschlecht bestimmen kann, da dies eine große Katalogmentalität aufweist. Moralisch höchst fragwürdig ist es ferner, ein Baby erst zu bestellen und es dann wieder abzulehnen, wenn sich herausgestellt, dass es eine Behinderung hat.
Ganz abgesehen davon wird sowohl auf das Empfinden der Leihmütter als auch der Kinder selbst – insbesondere wenn sie via Eizellspende entstanden – keinerlei Rücksicht genommen. Zwar entscheiden sich die Frauen in der Regel freiwillig für die Austragungung eines fremden Kindes, doch sollte man nicht die Tatsache außer acht lassen, dass sich die meisten von ihnen in Geldnöten befinden. Problematisch ist zudem die oftmals durch die Schwangerschaft entstehende Bindung zwischen Leihmutter und Baby. Einigen Frauen fällt die Trennung vom Baby nach der Entbindung schwer, auch wenn keine genetische Verwandtschaft besteht.
Das Kind selbst könnte, wenn es älter wird, ein großes Problem mit seiner Entstehungsgeschichte haben, insbesondere dann, wenn seine Eltern nicht die biologischen Eltern sind und es keinerlei Möglichkeit hat, diese kennenzulernen. Diese Option besteht nämlich nicht; für die Eizell- und Samenspender ist das Ganze ein reines Geschäft.
Beate Steinmetz, geb. 1989 in Frankfurt am Main und heute wohnhaft in Rheinhessen, ist studierte Politikwissenschaftlerin und Amerikanistin.