Wolfgang Meins / 01.07.2019 / 06:24 / Foto: Sandro Halank / 110 / Seite ausdrucken

Ich bin die Kanzlerin. Holt mich hier raus!

Darauf wäre ich im Traum nicht gekommen, dass ich mir einmal öffentlich Gedanken über den Gesundheitszustand unserer Kanzlerin machen würde. Darf man das überhaupt? Hat nicht auch eine Kanzlerin so etwas wie eine Privatsphäre? Einerseits ja, andererseits nein. Sicherlich sollte man – jedenfalls als Arzt – nicht zu jedem Pillepalle aus der Ferne seinen medizinischen Senf dazugeben. Und außerdem den dafür zuständigen Stellen, in diesem Fall in erster Linie Regierungssprecher Seibert, Gelegenheit geben, die jeweiligen Probleme zu erläutern. Aber sein Mantra „Der Kanzlerin geht es wieder gut“ konnte vielleicht nach dem Ereignis vom 18. Juni überzeugen: Angesichts des erneuten Ereignisses vom 27. Juni wird es zu Makulatur. 

Gleichzeitig mehren sich in den Medien zu recht die besorgten Stimmen, ob Angela Merkel den Belastungen ihres Berufes noch gewachsen sei, und ob andere ihr Schwächeln vielleicht ausnutzen könnten. Spätestens damit besteht ein vitales Interesse für den Bürger, und damit auch für mich, dem hier offensichtlich vorhandenen medizinischen Problem nach bestem Wissen und Gewissen auf den Grund zu gehen – trotz aller Risiken, die mit Ferndiagnosen nun einmal verbunden sind. Zumal die bisherigen, meist sehr allgemein gehaltenen diagnostischen Zuschreibungen nicht überzeugen können. Und die von einem ehemaligen Mitarbeiter der Kanzlerin geäußerte Erkenntnis, dass sie überfordert sei, da sie sich nicht nur mit selbstgesteckten Aufgaben zu beschäftigen habe, sondern auch mit fremdbestimmten, liegt ja wohl irgendwie in der Natur der Sache, jedenfalls bei einer solchen Position. Eher zur Überforderung beitragen dürfte dagegen die Tendenz, langsam aber sicher von den Fern- und Nebenwirkungen ihrer Politik eingeholt zu werden. 

Was ist passiert?

Beim vermeintlich ersten medizinischen Ereignis, anlässlich des Staatsbesuches des neuen ukrainischen Präsidenten am 18. Juni, habe ich mich noch mit der Erklärung „Flüssigkeitsmangel bei Hitze und Sonnenexposition“ halbwegs zufrieden gegeben. Als altgedienter Mediziner hat man oder sollte man sich ja eine gewisse Demut gegenüber den in der Medizin reichlich vorhandenen Fallstricken angeeignet haben. Es gibt eben nicht nur den Lehrbuchfall, sondern auch, wenngleich in aller Regel eher selten, Abweichungen davon. Da kann es dann schon mal sein, dass ein eigentlich für einen fortgeschrittenen oder gar hochgradigen Flüssigkeitsmangel kennzeichnendes Symptom ausnahmsweise mal bei einem leichten Flüssigkeitsmangel vorkommt. Und nur darum kann es sich bei der Kanzlerin gehandelt haben, da sie ja das Programm nach dem (zumal recht kurzen) Ereignis zunächst ohne jede Flüssigkeitszufuhr oder weitere Auffälligkeiten fortsetzen konnte.

Dann erfuhr man aus mehreren Medien allerdings, dass es zwei weitere Ereignisse dieser Art gegeben habe, wenngleich offensichtlich ohne „Videobeweis“: beim Staatsbesuch in Mexiko-City im Juni 2017 und auf einem Parteitag der CDU im Dezember 2014. In meinen weiteren medizinischen Überlegungen gehe ich davon aus, dass es sich bei diesen beiden Ereignissen zumindest ganz überwiegend um die gleiche Symptomatik handelte, wie bei den zwei Vorfällen im Juni 2019. Das ist wichtig. Denn trotz aller diagnostischen Fortschritte ist immer noch die Vorgeschichte, also das, was man in der Medizin als Anamnese bezeichnet, der Wegweiser in Richtung Diagnose. Ein weiterer Baustein ist natürlich auch das Symptom, also das, was bei Angela Merkel recht gut durch die Videoaufzeichnungen der Ereignisse vom Juni 2019 dokumentiert ist. 

Kein Zittern, sondern Myoklonien

Es handelt sich dabei nicht um ein Zittern oder, vornehmer, einen Tremor, sondern um Myoklonien. Darunter versteht man abrupte, sehr kurze Muskelzuckungen, die zu einer sichtbaren Bewegung führen und die ihren Ursprung im Zentralnervensystem haben. Man kann diese Myoklonien noch genauer hinsichtlich ihrer Ausdehnung beschreiben, also als fokal oder generalisiert. Letzteres trifft auf Angela Merkel zu, wobei der Schwerpunkt der Zuckungen im Schulterbereich zu liegen scheint. 

Myoklonien sind gemeinhin Zeichen einer direkten oder vermittelten Hirnschädigung, wie z.B. bei einem relevanten Flüssigkeits- oder Kalziummangel oder anderen Stoffwechselstörungen, wie sie bei schweren Leber- oder Nierenerkrankungen vorkommen können. Allerdings sind die dann zu beobachtenden Myoklonien häufig auf bestimmte, auch wechselnde Körperareale beschränkt und eher länger andauernd. In Bezug auf unser Thema bedeutet das: Erkrankungen dieser Art kommen als Erklärung nicht in Betracht. Denn erstens wäre die Kanzlerin dann bereits 2014 ernsthaft körperlich krank gewesen und man hätte, zweitens, eine solche – ja anhaltende oder gar fortschreitende – Krankheit längst diagnostiziert und wahrscheinlich erfolgreich behandelt. Oder aber, drittens, sie wäre krankheitsbedingt längst aus dem Amt geschieden.

Bei der zweiten Krankheitsgruppe, die hier in Betracht zu ziehen ist, handelt es sich um Erkrankungen des Gehirns selbst, gelegentlich entzündlicher, meist jedoch degenerativer Art, wie etwa die Alzheimer-Demenz oder ähnliche, seltenere und meist rascher verlaufende Erkrankungen. Wären bei der Kanzlerin die Myoklonien im Jahre 2014 Zeichen einer beginnenden Erkrankung dieser Art gewesen, wäre sie jetzt wahrscheinlich bereits im Pflegeheim, zumal es sich bei Myoklonien mitnichten um ein Frühsymptom handelt. Auch wenn man erst das Ereignis von 2017 als Beginn setzt, würde sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit jetzt, zwei Jahre später, bereits deutlich beobachtbare Symptome einer solchen Krankheit aufweisen, also kognitive Störungen und/oder Persönlichkeitsveränderungen und – je nach Krankheit – auch neurologische Symptome wie etwa eine Gangstörung. Krankheiten aus dieser Gruppe kann man folglich ebenfalls sicher ausschließen.

Schlussendlich könnte man sich noch der Frage zuwenden, ob es sich nicht um ein epileptisches Geschehen handele. Nein: Denn im Lebensalter unserer Kanzlerin kommt es nicht mehr zur Erstmanifestation von Epilepsien, die ausschließlich durch Myoklonien gekennzeichnet sind.

„Jetzt müssen wir mal den Psychiater hinzuziehen“

Nun sind wir an einem Punkt der Überlegungen angelangt, wo – wäre Angela Merkel in eine Klinik eingewiesen worden – der Neurologe bei der Visite zu ihr sagen würde: „Jetzt müssen wir mal den Psychiater hinzuziehen. Aber keine Sorge, Frau Merkel, das bedeutet nicht, dass wir Sie für eine Schauspielerin halten. Wir glauben keinesfalls, dass Sie Ihr Muskelzucken bewusst steuern können. Aber alle Untersuchungen haben, zum Glück muss man ja sagen, nichts ergeben. Wir können ihre Symptomatik nicht mit bestimmten neurologischen oder körperlichen Störungen in Einklang bringen.“  

Und was schreibt der hinzugezogene Psychiater dann auf seinen Konsilschein? Da gibt es kein Vertun: „Konversionsstörung mit motorischen Symptomen (Myoklonien) in Verbindung mit psychologischen Stressoren. Reduktion der beruflichen Belastung und ambulante Psychotherapie (falls möglich) empfohlen. Patientin aber nur bedingt krankheitseinsichtig: Mir geht es gut.“ 

Unter einer solchen psychosomatischen Störung versteht man also körperliche Symptome wie etwa Lähmungen, Krämpfe, Zittern oder eben Muskelzuckungen, für die sich keine organisch begründete Ursache findet. Solche Störungen sind durchaus nicht besonders selten. Sie kommen bei etwa 5 Prozent der Patienten vor, die in eine Neurologische Klinik eingewiesen werden. 

Im anschließenden informellen, kollegialen Gespräch wird der Neurologe nicht abwarten können, seinem Kollegen mitzuteilen, dass ihm das nach dem Studium der Videos eigentlich gleich klar gewesen sei. Die Zuckungen seien einfach zu untypisch für echte Myoklonien gewesen. Bevor er ins Detail gehen kann, will auch der Psychiater seine Botschaft loswerden:

„Wissen Sie, Herr Kollege, zunächst war mir nicht klar, warum es in solchen Situationen wie eigentlich ja recht harmlosen Staatsbesuchen oder Verabschiedungen aufgetreten ist. Aber passt das letztlich nicht gut zur Persönlichkeitsstruktur und Berufsauffassung unserer Patientin? Wenn es darauf ankommt, ist sie noch voll da. Nur wenn es um die langweiligen und lästigen Pflichten geht, lässt sie sich mittlerweile etwas hängen. Und prompt meldet sich dann ihr Innerstes mit dem Hilferuf: Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr. Holt mich hier raus!"

Foto: Sandro Halank CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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M. Haumann / 01.07.2019

Die letzten Jahren von Frau Merkels Wirkungszeit haben bei nicht wenigen von uns auch psychosomatische Beschwerden erzeugt. Der Psychoanalytiker würde hinter manchen seit 2015 neu aufgetretenen Blutdruckkrisen, Magenbeschwerden, Verkrampfungen, Zähneknirschen und unklaren Schmerzen sicher eine Menge aufgestaute Wut, Angst und Ablehnung finden. Verstärkt durch das öffentliche Sprechverbot, von dem sich nach der Umfrage 80% geknebelt fühlen. Ich glaube, zum Thema Effekt der Massenmigration auf die Einheimischen und warum danach niemand fragt, hat Herr Meins schon einmal geschrieben. Vielleicht mal eine Umfrage machen, was der Körper der Bürger so sagt, der auch oft genug “hier raus will” und nicht kann? Anonym natürlich, soll ja keiner Ärger kriegen…

B. Ollo / 01.07.2019

@Klaus Beck? Sie meinen, die Kanzlerin hat Entzugserscheinungen? Es kann auch umgekehrt sein. Sie hat entweder neue Medikamente verordnet bekommen (oder sie wird umgestellt) oder es treten Nebenwirkungen auf.

B. Ollo / 01.07.2019

Herr Doktor, Herr Doktor! Eine Frage noch: Wirkt sich das auch auf das Sprachzentrum aus? Die Patientin redet nämlich schon seit Jahren in wirren Sätzen. ... Ich meine ja nur ... vielleicht wollte sie alle die Jahre immer was ganz anderes sagen, dann kamen aber diese sprachlichen Zuckungen…

Rolf Lindner / 01.07.2019

Es ist bemerkenswert und ich würde sogar sagen symptomatisch für dieses Land, dass man, um eine fachlich nachvollziehbare Beurteilung der bei Merkel auftretenden Symptome zu erhalten, die Achse lesen muss. Natürlich ist die Dame jetzt mit der Ausübung des Kanzleramts überlastet; überfordert war sie damit schon immer.

Magdalena Hofmeister / 01.07.2019

Ich habe natürlich keinen blassen Schimmer von Medizin, aber auch wenn man das vielleicht manchmal vergisst, aber schließlich ist Frau Merkel eben auch nur eine Frau. Könnten das nicht einfach ganz banale Wechseljahres- oder postmenstruelle Beschwerden sein? Zittern, Schweißausbruch, wacklige Beine, die man aber mit aller Macht kontrollieren muss, weil man sich nicht einfach mal hinsetzen kann (die Etikette verlangt’s). Beschwerden, die so schnell und unkontrollierbar kommen wie sie vergehen.  Das soll es ja sogar bei Frauen bis 67 geben, A.M. ist 64 . Und dass sie das den lechzenden Journalisten nicht gerne aufs Butterbrot schmiert, kann man sich ja auch denken.

Helmut Driesel / 01.07.2019

Wenn auch unverschämt, diese Analyse, aber fabelhaft und faszinierend. Was ist mit Vergiftung, sehr geehrter Herr Professor? Gegebenenfalls Medikamentenvergiftung, denn das Reise und Arbeitspensum, das die Kanzlerin so scheinbar mit links abspult, ist doch unglaublich. Da muss man doch topfit sein, oder wenigstens ein paar kleine Helferlein parat haben, wenn es mal nicht weiter geht. Daran kann man sich auch gewöhnen, ohne gleich massive Charakterschwächen heraus hängen zu lassen. Man stelle sich mal vor, Frau Merkel stürbe im Dienst, irgendwo auf einer Gangway in fernen Gestaden, das würde sie zur Staatsräson-Heiligen der CDU machen. Und wenn ein erfahrener Psychiater solche unverfrorene Sachen schreiben darf hier, mich täte die neurologisch-psychiatrische Fernbeurteilung von Herrn Merz interessieren. Der hat doch auch etwas, das einen optisch sofort anspringt, das ihn als Fall für den Neurologen ausweist und ihn, nach Meinung eines erfahrenen Patienten, als Bundeskanzler ungeeignet macht. Nun ja, zum Glück gibt es da noch den Herrn Weber, die CDU ist wie eine große Familie, da findet sich für jeden Job einer, der es notgedrungen machen und seinen Ärger runter schlucken muss.

Gertraude Wenz / 01.07.2019

Wenn ich so viel Schaden angerichtet hätte wie sie, könnte ich gar nicht mehr aufhören zu zittern!

Claudius Pappe / 01.07.2019

Wenn es darauf ankommt ist sie voll da. Ja wenn es um den Kommunismus geht und um die Umsetzung dessen , ist A.D. Kasner voll da. Was ich von dieser Frau halte darf ich nicht schreiben, auch was ich ihr wünsche……………...

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