@Hans Glück. “Home Office” eben falsch verstanden. Auch eine Kaffeesorte sollte plötzlich nichtmehr mild heißen sondern “maild”. Selbst Fussballfans haben wenig Glück. Public Viewing bedeutet im UK öffentliche Leichenbeschau. Das passte vielleicht bei den antiken Gladiatorenkämpfen, aber hoffentlich nicht in der Bundesliga!
Leider läuft die Sache sogar andersherum. In der deutschen Sprache machen sich übersetzte englische Redewendungen breit, die semantisch falsch sind, aber deren Unlogik und Widersinn viele offenbar gar nicht (mehr) wahrnehmen: - das plötzlich allgegenwärtige “das macht Sinn”, obwohl Sinn gar nicht machbar ist (nur Unsinn kann man machen). - “Das muss ich erst mal realisieren”, für etwas das objektiv bereits real ist (man hat es nur noch nicht begriffen), - “Das macht einen Unterschied” - obwohl der Unterschied objektiv existiert, und eben nicht gemacht wurde (denn nur wo KEIN Unterschied ist, muss man einen machen). Präzision und Logik des Sprachgebrauchs gehen somit der deutschen Sprache verloren. Ist das nicht auch eine Gefahr der Gewöhnung an oberflächliches, unpräzises Denken?
Drei geradezu klassisch deutsche Eigenschaften lassen sich an diesem Artikel sehr schön herausarbeiten, nämlich Selbstverachtung, Rechthaberei und Hang zum Herumnörgeln an eigentlich ganz kommoden Zuständen - aber der Reihe nach. Zunächst einmal ein kleiner Faktencheck: Frage an Radio Eriwan, war es ‘seinerzeit der US-Präsidentschaftskandidat John McCain, der seine Erfahrungen mit unserem Land mit “„Die Deutschen sind kriecherisch“ zusammengefasst hat’? Antwort: Im Prinzip ja, nur war es nicht John McCain, sondern sein Sprecher Tucker Bounds, und er hat auch nicht die Erfahrungen des Senators damit zusammengefasst, sondern den Präsidentschaftsbewerberkollegen Obama mit den Worten “He prioritizes throngs of fawning Germans over meeting with wounded combat troops in Germany” kritisiert (das kann man mit “unterwürfig” übersetzen, oder auch mit “anhimmelnd”, was der Wahrheit doch sehr viel näher kommt; man kann auch letzteres für deplatziert halten, was ich tue, aber der Kontext ist halt ein völlig anderer) - aber sonst ist alles richtig. Weitere Frage: Ist die “typical German linguistic submissiveness” ein im Angelsächsischen üblicher Topos? Antwort: Im Prinzip nein, beim Nachgoogeln (sic!) erhält man zwar - nicht viele - Treffer, aber sehr überwiegend in Zusammenhang mit dem genannten “Verein Deutsche Sprache”, und die Times verwendete ihn ein einziges Mal - am 16. Juni 1960 in einem völlig anderen Zusammenhang. Da regierte noch Konrad Adenauer, aber sonst ist alles richtig. Zweitens ein paar Anmerkungen zum Unwort Home Office: Im geschäftlichen Kontext in einem internationalen Konzern, beispielsweise, ist dieser Ausdruck nebst anderen so üblich, dass er nach meinen Beobachtungen in allen europäischen Sprachen, auch in den romanischen, benutzt wird. Im eher privaten Umfeld, beispielsweise mit den Kumpanen am Stammtisch, verwende ich ihn dagegen nie, sondern arbeite halt von daheim aus. Fortsetzung folgt.
Wir sagen heute nicht mehr Neger, oder Zigeuner. Leute anderer Meinung nennt man heute Nazi. Nach der ersten Rechtschreibe-Reform wurde aus Doppel-s das Es-zet - oder war es umgekehrt? Heute schreibt jeder nicht nur, was er will, sondern auch wie er will. Das ist wahrscheinlich der Kern der Demokratie. Eine DDR wird mittlerweile als Rechtsstaat anerkannt, weil wir Nachfolger sind. Ein Wunder, daß hier hinzugezogene Anatolier Schwierigkeiten haben, sich zu integrieren? Das werden die eigentlichen Verlierer sein, weil die erst nach uns aufwachen werden, bevor auch die sich aus dem Ev ofisi melden. Deren BMW-fahrende Jugend wird Testosteron auf e-Mobil umschulen müssen, während wir schon Fahrrad fahren. Wir nennen es home-office, weil wir geistig alle bereits in der Fremde weilen,
Ich habe im Innenministerium vom 01.10.1996 bis 27.03.1997 ein Testprojekt Telearbeitsplätze geleitet und dazu am 28. April 1997 den Abschlussbericht vorgelegt. Aufgrund dessen wurden im Innenministerium nach und nach Telearbeitsplätze eingerichtet. In den letzten drei Jahren vor meiner Pensionierung ab 1. Juni 2006 habe ich ein Referat geleitet, in dem eine Mitarbeiterin zweimal in der Woche Telearbeit machte. Heute wird im Innenministerium generell “alternierende Telearbeit” angeboten (https://im.baden-wuerttemberg.de/de/service/karriere/personalmanagement/telearbeit/). Ich habe den Begriff seinerzeit gewählt, weil der Wortteil “Tele” durch eingeführte Begriffe wie Telefon, Telefax und Telegraph u. a. bekannt und der Begriff “Heimarbeit” bereits seit langem anderweitig belegt war (vgl. Heimarbeitsgesetz vom 21. März 1951). Das Phänomen, dass eine fremde Sprache der eigenen vorgezogen wird, ist nicht neu. So sprach und schrieb Friedrich der Große bekanntlich häufig Französisch und soll diese Sprache besser beherrscht haben als die deutsche. Auch in Russland sprach die Oberschicht Französisch. Jahrhunderte zuvor hatte sich Latein als Wissenschaftssprache etabliert und nimmt diese Rolle heute noch in der Medizin ein. Das “Latein des Orients” war das Arabische. Der berühmte persische Arzt Ibn Sina (Avicenna) hat seinen fünfbändigen “Kanon der Medizin” auf Arabisch abgefasst (Qānūn fī aṭ-ṭibb). Daneben gibt es natürlich die Erscheinung, sich durch den Gebrauch möglichst vieler Fremdworte den Anschein besonderer Bildung und Fachkunde zu geben. Dabei steht heute eben Englisch im Vordergrund. Es scheint so, als ob wir Deutschen in diesem Punkt zur Übertreibung neigen. Frankreich hatte 1994 ein Gesetz, dass den Gebrauch von Anglizismen in bestimmten Bereichen verbot und zeitweise sogar unter Strafe (Bußgeld) stellte. Trotzdem stimmte Jacques Chirac nach dem Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 1998 durch “les Bleus” “We are the champions” an.
Home Office statt Heimbüro. Wieder ein sprachliches Beispiel mehr, wie der Deutsche nicht zum Deutschsein stehen will oder kann. Irgendetwas scheint in unserer Volksseele zu liegen, was einen unbewussten Widerwille gegen unsere Sprache, unsere Kultur und letztlich gegen uns selbst beherbergt. Gleichzeitig wollen wir, dass uns die ganze Welt liebt. Aber das können wir nur, wenn wir uns selbst akzeptieren und lieben. Aber das liegt einfach nicht oder nicht mehr in unserer Natur.
Lieber Herr Krämer, Sie übersehen das eigentlich Bedenkliche. Ich lebe in Frankfurt am Main. Hier wo ich wohne, Altbaubezirk mit 45 % für die Grünen bei Wahlen, hohe Lastenraddichte, Männer seit Tagen wieder nur alle in Flipflops oder Birkenstock und kurze Hosen (genannt Shorts) sprechen, wie es so schön euphemisierend heißt, 70 % der Grundschüler “Deutsch nicht als Muttersprache”. Sie können immer und klar hören, ob ein Kind deutsche Eltern hat, oder nicht - und das bleibt das ganze Leben so. Daher meine Prognose: In ca. 20, spätestens 30 Jahren wird Englisch in Deutschland zuerst als “neutrale zweite Amtssprache” eingeführt werden, kurz danach Deutsch ganz fallengelassen. Eine Situation wie in Indien oder den ehemals zum Britischen Reich gehörenden afrikanischen Staaten wird sich einstellen: Alle sprechen in einem typischen Pidgin-Englisch mit scheinenglischen Neuwortschöpfung, die es in der angelsächsischen Welt nicht gibt (schon jetzt: Handy, Beamer, Public Viewing, Shutdown, Service Point u.a.) ein Englisch, das für Briten oder Amerikaner grausam und nahezu unverständlich klingt - und zu Hause sprechen alle ihre “Muttersprache”, die aufhören wird, kodifiziert zu sein, oder gelehrt wird. Ähnlich, wie es für Türken oder Araber schon heute hierzulande gilt. Und wen wird es stören? Niemanden.
@Dirk Jungnickel. Im backshop wird doch nichts zurueckverkauft, das ist falsch gedeutet. Ein backshop kann aber ein hinteres Lager mit Verkauf oder Hinterhofshop usw. sein.
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