Walter Krämer / 08.04.2020 / 16:00 / Foto: Walter Kraemer / 75 / Seite ausdrucken

Home Office: Warum nicht auf Deutsch?

Die Corona-Hysterie spielt sich nicht nur in unseren Köpfen ab, sie pflügt auch ganz real die Gesellschaft kräftig um. Ein derartiges Umpflügen kann durchaus wohltätige Wirkungen entfalten; es bringt aber auch ansonsten gern übersehene Teile unseres Gesellschaftshumus ans Tageslicht. Wie zum Beispiel die von der Londoner Times einmal so benannte „typical German linguistic submissiveness“.

So arbeiten immer mehr Bundesbürger heute zu Hause statt an ihrem angestammten Arbeitsplatz. Für den Spanier ist das sein „oficina en casa“, für den Franzosen sein „bureau à domicile“. Und selbst der sprachlich etwas schlampigere Italiener hat dafür ein eigenes Wort gefunden: „telelavoro“ heißt die Arbeit zu Hause in unserem südlichen Urlaubsland.

Und wie nennt man hierzulande das, was wir gerade tun? Natürlich nicht „Heimbüro“, wie das mein Verein Deutsche Sprache und einige andere vorschlagen, Homeoffice ist heute republikweit angesagt. Jeder kennt das Wort, weiß, was es meint, die Chancen stehen gut, dass es eine schwachmatische Germanistenclique zum Anglizismus des Jahres küren wird.

Aber gibt es ein traurigeres Bekenntnis, dass die Sprecher des Deutschen ihre eigene Sprache nicht mehr zum Beschreiben der modernen Welt als ausreichend erachten? Natürlich ist auch Büro einstmals ein Fremdwort gewesen, wie überhaupt ein Großteil des deutschen Wortschatzes aus anderen Ländern eingewandert und hier, um mit Goethe zu sprechen, „verschlungen“ und eingemeindet worden ist. Das hat der Sprache durchaus gutgetan und war mangels eigener Ausdrucksmöglichkeiten oft auch dringend nötig.

Deutsch zu sprechen, ist peinlich

Etwas ganz anderes ist die Sucht vieler Deutscher, das Deutsche, wo immer möglich, zu vermeiden. Ich war lange Jahre Gast der Europäischen Jahreskonferenz der „Econometric Society“, des weltweiten Berufsverbandes meiner Fachkollegen aus der Wirtschaftsstatistik und der sogenannten Ökonometrie. Keine Frage, dass man auf diesen Konferenzen Englisch spricht. Selbst die Franzosen, die laut Statuten in ihrer Muttersprache referieren dürften (die Amtssprachen der Gesellschaft sind Englisch und Französisch) reden Englisch. Sonst stünden sie binnen Minuten am Rednerpult allein.

Aber im Teilnehmerverzeichnis dieser Konferenzen ist das anders, da legen die Kollegen großen Wert darauf, zumindest ihre Adresse in ihrer jeweiligen Landessprache abzugeben: Da gibt es (im Teilnehmerverzeichnis der Tagung in Santiago de Compostela 1997) einen Jan Kakes von der „Nederlandschen Bank“ in Amsterdam, einen Paolo Onofri von der Universitá de Bologna, oder einen Manuel Antelo von der Universidad de Santigao de Compostela, Departimento de Fundamentos del Análisis Económico“.

Wie aber stellen sich die deutschen Kollegen vor? „Björn X, University of Munich, Department of Economics.“ Und ich wette, der Kollege X hätte gerne, hätte man ihn nur gelassen, auch noch die Akademiestraße, wo sein Department residiert, in Academy Street umgetauft.

Diese und andere Beispiele zeigen, wie immer mehr Menschen hierzulande aus ihrer eigenen Sprache sozusagen zu fliehen scheinen. Der moderne Modell-Germane joggt, jumpt, trekkt, walkt, skatet oder biket, hat fun und feelings, moods und moments, sorrows und emotions, und scheint vor nichts auf Erden solche Angst zu haben, als seine eigene Sprache zu benutzen – Deutsch zu sprechen, ist vielen Deutschen heute ganz offensichtlich lästig oder peinlich.

Man könnte es auch „Arschkriecherei“ nennen

So ist denn derzeit „social distancing“ angesagt (für die Englisch-Schwänzer: Abstand halten), damit der „shutdown“ nicht zu lange währt, (also der Stillstand aufhört) und man die Gören nicht weiter mit home schooling bespaßen muss.

Aber unsere linguistic submissiveness allein wäre nicht ausreichend, diese peinlichen Sprachimporte republikweit durchzusetzen. Auch die Gene spielen mit. Unsere Vorfahren im Urwald konnten nur als Mitglied einer Herde überleben. Außenseiter waren sehr schnell tot. So breitete sich das „Anpassen-an-die-Mehrheit-Gen“ rapide aus. Es gibt zahlreiche Experimente der Art, dass man zehn Leute fragt, welcher von zwei Bleistiften der größere sei. Neun sind angewiesen, den mit Abstand kürzeren Bleistift als größer zu benennen. Und was macht Nummer zehn? Er benennt auch den kürzeren Bleistift als den größeren. Und er glaubt auch noch daran. Wenn also die Tageschau von Home Office spricht, dann nennt Max Mustermann seine umgebaute Küche ebenso. Und wird sich hüten, um bei der Herde nicht aufzufallen, von Heimbüro zu sprechen.

All denen, die diese weltweit einzigartige Illoyalität der eigenen Sprache gegenüber gerne als Weltoffenheit verkaufen, die meinen, damit im Ausland Pluspunkte zu sammeln, denen muss ich eine dicke Warnung ins Stammbuch schreiben: Diese Illoyalität kommt im Ausland genau als das an, was sie ist: als eine peinliche Missachtung der eigenen Heimat und Kultur. „Die Deutschen sind kriecherisch“, hatte seinerzeit auch der US-Präsidentschaftskandidat John McCain seine Erfahrungen mit unserem Land zusammengefasst. „Man hat sie entweder an der Kehle oder zu Füßen“, wusste auch Winston Churchill.

Im Moment hat man sie zu Füßen, zumindest sprachlich, siehe die von der Times beschriebene „typical German linguistic submissiveness“. Es sei den Lesern anheimgestellt, wie sie das übersetzen wollen. Wenn man bösartig wäre, könnte man auch „Arschkriecherei“ dazu sagen. So und nicht anderes kommt das im Ausland rüber, was wir im Inland mit unserer Sprache treiben. Anders, als die vielen weltoffenen Sprachdeserteure mit ihrem Verhalten zu erzeugen meinen, wirkt das keinesfalls als Willkommensgruß, es schreckt unsere Nachbarn eher ab. Denn wer ist schon gerne bei Arschkriechern zu Gast? 

Foto: Walter Krämer CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Bernd Neumann / 08.04.2020

Lieber Herr Krämer, Sie übersehen das eigentlich Bedenkliche. Ich lebe in Frankfurt am Main. Hier wo ich wohne, Altbaubezirk mit 45 % für die Grünen bei Wahlen, hohe Lastenraddichte, Männer seit Tagen wieder nur alle in Flipflops oder Birkenstock und kurze Hosen (genannt Shorts) sprechen, wie es so schön euphemisierend heißt, 70 % der Grundschüler “Deutsch nicht als Muttersprache”. Sie können immer und klar hören, ob ein Kind deutsche Eltern hat, oder nicht - und das bleibt das ganze Leben so. Daher meine Prognose: In ca. 20, spätestens 30 Jahren wird Englisch in Deutschland zuerst als “neutrale zweite Amtssprache” eingeführt werden, kurz danach Deutsch ganz fallengelassen. Eine Situation wie in Indien oder den ehemals zum Britischen Reich gehörenden afrikanischen Staaten wird sich einstellen: Alle sprechen in einem typischen Pidgin-Englisch mit scheinenglischen Neuwortschöpfung, die es in der angelsächsischen Welt nicht gibt (schon jetzt: Handy, Beamer, Public Viewing, Shutdown, Service Point u.a.) ein Englisch, das für Briten oder Amerikaner grausam und nahezu unverständlich klingt - und zu Hause sprechen alle ihre “Muttersprache”, die aufhören wird, kodifiziert zu sein, oder gelehrt wird. Ähnlich, wie es für Türken oder Araber schon heute hierzulande gilt. Und wen wird es stören? Niemanden.

Nathalie Nev / 08.04.2020

@Dirk Jungnickel. Im backshop wird doch nichts zurueckverkauft, das ist falsch gedeutet. Ein backshop kann aber ein hinteres Lager mit Verkauf oder Hinterhofshop usw. sein.

Stefan Riedel / 08.04.2020

Ein wunderschöner Beitrag. Nur leider Nostalgie pur. Vergebliche Liebesmüh!  Um Thilo Sarrazin zu widersprechen, nein D schafft sich nicht ab, D h a t sich bereits abgeschafft und damit natürlich auch die deutsche Sprache! Das, was Sie hier schildern, ist eine schöne ( phantasievolle)  Erinnerung an die deutsche Sprache, wirklich gesprochen wird sie als ( auch nur angenäherte) Umgangssprache von wem (< 50 )? Eh, Alter, du ...

Thomas Roth c/o Praxis Dr. Sabine Roth / 08.04.2020

Wie wär’s mit Heimkontor?

Andreas Vauh / 08.04.2020

Sorry, aber das ist jetzt etwas an den Haaren herbeigezogen, „Büro“ ist auch nur ein eingedeutschtes Wort und wenn man schon so pingelig daherkommt, müsste man eher das deutsche Wort „Schreibstube“ verwenden. Man wäre also in der Heimschreibstube, dann doch lieber Homeoffice

Klaus Demota / 08.04.2020

Naja, in vielen Unternehmen heisst das “mobile Arbeiten” oder “Telearbeit” oder “Heimarbeitsplatz”. Völlig unkompliziert. Ich finde auch eher so Sachen wie “Backshop” bedenklich, erinnert eher an “Backoffice” oder “Backroom Boys”.

JStatz / 08.04.2020

... und das “Heimbüro” ist ein furchtbarer Gallizismus. So etwas braucht das deutsche Volk nicht! Wenn schon germanisch, dann “Heimgeschäftsraum”.

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