Ulrich Schödlbauer, Gastautor / 24.04.2021 / 14:00 / Foto: Evilboy / 9 / Seite ausdrucken

Heiteres Verfassungsbrechen

Die Theorie des symbolischen Opfers lehrt, dass jeder gemeinschaftlich begangene Mord, soll er nicht umsonst gewesen sein, gemeinschaftsstiftend wirkt: Die Gemeinschaft der Mörder einigt sich auf die Heiligkeit des Opfers. Sichtbarer Ausdruck dieses Bundes ist das kultische Opfer. Wer immer dabei zu Schaden kommt, Mensch oder Tier – der Schaden mag real sein, aber gemeint ist er symbolisch. Der Rest lässt sich als Kollateralschaden (oder auch ‑nutzen, falls es dabei etwas zu essen gibt) abhaken. Schließlich kann man auch Dinge opfern: einen Hosenknopf zum Beispiel oder wertloses Papiergeld. Entsprechend ließe sich ein ungesühnter Verfassungsbruch, der, bei fortdauernder Komplizenschaft der politischen Klasse, das Zeug dazu hat, die Republik auf unabsehbare Zeit in einen undefinierten Zustand zu versetzen, alljährlich als heiteres rituelles Verfassungsbrechen wiederholen, bei dem unter allgemeinem Gelächter die einschlägigen Verfassungsparagrafen verlesen und anschließend öffentlich verbrannt werden. Ein Vorschlag, wie gesagt. Was daraus wird, wissen die Götter.

Die Kanzlerin hat es geschafft, wenige Monate vor ihrem angekündigten Ausscheiden aus der Politik sich ein Alleinstellungsgesetz auf den politischen Leib zu schneidern. Ab jetzt wird ihr Erfolg in Inzidenzen gemessen und jede Inzidenz ist Kanzlerinzidenz. Die Ministerpräsidenten der Länder haben sich aus dem Rennen nach noch mehr Sicherheit ausgeklinkt und können im Rahmen ihrer scharf eingegrenzten Zuständigkeiten der ökonomischen Schadensbegrenzung den einen oder anderen demoskopischen Lichtblick abgewinnen. Was immer an Pleiten und Empörung auf das Land zurollt: Sie werden damit nichts, gar nichts, überhaupt nichts zu schaffen haben. Das ändert zwar nicht viel, aber in der Politik ist der sich öffnende Spalt eine gern genutzte Rennbahn in die Zukunft. Sollte es jetzt noch gelingen, den bevorstehenden Sturz als rauschenden Abgang zu verkleiden, dann ginge "Mutti" gleichsam in einem Aufwasch als Täterin, Sündenbock und Heldin der Geschichte. Was will eine Sterbliche mehr? Vielleicht den Heiligenschein, ausgestellt von der Community der Rechtgläubigen, der Gender-, Klima- und Eurokraten – gut Ding will Weile haben und warum sollte das Mäuslein nicht zum Elefanten kommen, wenn er sich schon die Mühe gemacht hat zu kreißen?

Immerhin wissen wir jetzt, was die Politik in den nächsten vier Jahren verbocken wird: das Klima. Nicht die Klimapolitik, sondern das Klima. Warum? Weil man es für alles verantwortlich machen wird, was schiefläuft – und darüber hinaus für eine ganze Menge dessen, was exakt so laufen wird, wie es laufen soll, auch wenn es der Menge der davon Betroffenen ganz und gar nicht schmecken wird. Das Beste daran wird sein, dass das Klima, in der Glorie seiner Durchschnittswerte und Höllenprognosen, weder zum einen wie zum anderen passen wird, was bedeutet, dass die Schönredner dieses Politikmodells, vom Regierungs-Klimatologen bis zum freischaffenden Wadenbeißer, gut im Futter stehen werden.

Das Kassandra-Problem

In der Politik gibt es kein besseres Erfolgsmodell als das Scheitern. Es darf bloß nicht zu schnell erfolgen, damit sich hinreichend viel Geld hineinschütten lässt. Das Problem, das vom Scheitern aufgeworfen wird, sind die vielen Einsichtigen, die es kommen sehen und es daher in Gedanken bereits vorwegnehmen. Man braucht Heerscharen von Schwätzern, um sie täglich der Lüge zu bezichtigen, wenn ihnen schon das Maul nicht anders zu stopfen ist. Leute, die bereits länger auf dieser Welt weilen, nennen es das Kassandra-Problem, andere, die nicht aus den Windeln herausfinden, glauben, man bräuchte nur die Welt einzuwickeln und wäre sie los.

Was verwundert: Dass die bekennenden Klimahysteriker keine Angst davor haben, irgendwann einmal für die Folgen der von ihnen verantworteten Politik zur Rechenschaft gezogen zu werden. In dieser Verwunderung steckt, wie in einer Matroschka, das Erschrecken über die Bedenkenlosigkeit, mit der etwas dem Zugriff der Akteure weitgehend Entzogenes, von Kräften, welche die der zielstrebig handelnden Menschheit um ein extrem Vielfaches übersteigen, kontinuierlich neu Inszeniertes wie das Klima einem Machtkalkül schein-unterworfen wird, das schon an den Interessen des Nachbarlandes zuschanden wird und zuschanden werden muss, will man auch in ein paar Jahren noch im Warmen sitzen, wenn’s draußen stürmt und schneit.

Die Hybris von Regenwürmern, die sich fürs Wetter verantwortlich fühlen, weil ihr Name nun einmal so etwas andeutet, besitzt etwas ungemein Rationales, verglichen mit dem Eifer klimapolitischer Kannegießer, die Hexentänze um jede Thermometerbewegung aufführen, während sie unentwegt versichern, Wetter und Klima hätten definitiv nicht das Geringste miteinander zu schaffen, Wetter sei chaotisch, beherrschbar hingegen das Klima.

Und der Herr der Dienste verfinsterte die Gemüter seiner Diener, so dass sie von Furcht erfüllt waren, aber es war nicht die Furcht des Herrn, die sie erfüllte, sondern der ganz gewöhnliche Schiss von Leuten, die nicht wussten, wie es mit ihren Karrieren weitergehen sollte, wenn die Menge ihnen den Kredit entzöge, denen sie Posten und ihre Pöstchen verdankten. Die Menge aber war erfüllt von der Furcht des Herrn, seit er, in ein mikroskopisch kleines Ding verwandelt, sich plötzlich in aller Munde befand. Und voller Furcht bestiegen die Diener ihres Herrn die Panik der Massen, um sie zu reiten. Doch nach und nach fassten sie Zutrauen zu den Bewegungen des Tieres und beschlossen insgeheim, es zu Tode zu reiten, einesteils, weil ihnen das Absteigen zu gefährlich erschien, andernteils, weil sie die Welt noch nie aus dieser luftigen Höhe gesehen hatten und von dem Anblick nicht mehr lassen wollten.

Da ergrimmte der Herr der Dienste und sprach: "Es ist nicht gut, wenn Schafe auf einem Kamel durchs Land reiten. Dieses Tier ist von schlechten Eltern. Wenn es erst einmal Hunger und Durst verspürt, wird es zusammenbrechen und im Sand verenden." Das hörten die Schafe, sie witterten die Gefahr und sprachen also zum Kamel: "Du musst jetzt stark sein, denn der Herr hat beschlossen, uns alle zu prüfen. Im Grunde würde es uns nichts ausmachen zu Fuß zu gehen, ganz so wie du. Da du aber blind und taub bist – erwäge unsere Worte wohl! –, würdest du uns nicht folgen können und elendiglich in der Wüste verenden, wie der Herr es dir prophezeit. Du siehst also, du hast keine andere Wahl als die, uns weiter zu tragen, komme, was da wolle. Dafür wirst du uns alle in eine Welt bringen, wie sie noch keiner von uns erblicken durfte. In dieser Welt unbeschreiblicher Genüsse wirst auch du Schaf sein, Schaf unter Schafen. Das wird dir sehr gefallen." Da erbebte das Kamel vor Freude. Fast hätte es seine Flügel ausgefahren und wäre davongeflogen, hätte es nur gewusst wohin.

Ulrich Schödlbauers Blog, auf dem dieser Beitrag zuerst erschien: hier

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Esther Burke / 24.04.2021

Losung, heute : “Ich, der HERR, habe dich gerufen, dass du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus dem Gefängnis führen und, die da sitzen in der Finsternis, aus dem Kerker.” Jesaja 2, 6.7 -“Jesus blieb stehen und sprach : Ruft ihn her ! ...sie riefen den Blinden und sprachen zu ihm : Sei getrost, steh auf ! Er ruft dich !”  Markus 10, 49

Bernhard Maxara / 24.04.2021

Bravo, Herr Schödlbauer, Sie haben das genau richtige Gleichnis gefunden. Genau dieses Schafsspiel hat sich bei der Gründung und dann gewaltsamer Ausbreitung des Christentums abgespielt. Entblöden sich doch die christlichen Kirchen bis auf den heutigen Tag nicht, von ihren Gläubigen als Schafsherde und sich selbst als Hirten zu reden; wobei sie an beiden - Schaf und Hirten - der Geruch nicht besonders stört…

Thomas Taterka / 24.04.2021

Karlsruhe ist ein Ort unergründlicher deutscher Weisheit : 14 Monate wird der Ausnahmezustand beobachtet und dann springt - zuerst - der Mietendeckel auf . Das nenne ich : perfektes Timing im Namen des Volkes, in schlimmen Zeiten.

Marcel Seiler / 24.04.2021

Um von den erhabenen Tönen des Artikels wieder auf den Boden zu kommen: Ich will Frau Merkel vor Gericht sehen. Und dann im Knast, lange. Einige Helfer, von denen es viele gibt, mit ihr. Sie bricht täglich die Verfassung – das muss auch mal Konsequenzen haben. Vielleicht ist das Land ja so weit, wenn sie 90 ist.

Andreas Rochow / 24.04.2021

Hinter abgefeimten und globalistisch synchronisierten Attacken gegen den Nationalstaat, die Geschlechter, die weiße Rasse, insbesondere den “alten weißen Mann”, der ja zum Inbegriff von dysfunktionaler Wissenschaft, von Kolonialismus und Nationalsozialismus werden soll, nun das linksgrüne Nagen an den Fundamenten des Verfassungs- und Rechtsstaates. In dieser Dramaturgie kommen der zur Katastrophe erklärte ewige Klimawandel und ein Killervirus aus einem Labor gerade recht. Will denn niemand wahrhaben, dass ein globalistischer,  ja ein Weltkrieg voll im Gang ist? Im digitalen Zeitalter brauchen wir keine Bomben mehr, keine Fronten, keine Grenzen! Wir lassen uns von den Globalisten der Neuen Weltordnung mit Propaganda verblöden und jubelnd in das Chaos und den kollektiven Selbstmord treiben. Die Vorreiterin sieht sich kurz vor ihrem Ziel. Was ist das Grundgesetz, was sind die Gesetze noch wert, wenn es uns nicht gelingt, Führerinnen dieser Sorte abzusetzen und in die Wüste zu schicken? Es wird keine Sieger geben, auch wenn Linksgrüne und Linksextreme sich dafür halten. Der wohlstandsverwahrloste linksgrüne Salon “Modell Berlin” bringt keine Helden hervor. Vor der “Regierungserfahrung” wird der Realitätsschock stehen. Merkels Zerstörungswerk ist epochal.

B. Ollo / 24.04.2021

Sehr treffend formuliert! Während die Muslime in dieser Zeit ungestört durch Infektions- und Ermächtigungsgesetze jede Nacht auch zwischen 22 und 5 Uhr ihr Fastenbrechen im großen Kreis zelebrieren dürfen und dafür auch gegen die Ausgangssperre verstoßen dürfen, zelebrieren regierungstreue Deutsche in Einsamkeit jede Nacht zu Hause das quasi-religiöse merkelsche Verfassungsbrechen. Immer wieder unfassbar, was einem neuerdings geboten wird.

Bernd Meyer / 24.04.2021

Vergessen Sie nicht, Merkel hat Kohl gemordet. Genüsslich, wie ich meine. War das Volk der Auftraggeber? Wohl eher nicht. Sie ist und bleibt Maschendrahtzaun. MfG

Dr. med Jesko Matthes / 24.04.2021

Und sie wird sagen: “Ich übernehme die Verantwortung.” Und danach: “Ich bin dann mal weg.”

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