Rainer Bonhorst / 18.11.2015 / 20:59 / 4 / Seite ausdrucken

Hardball oder Yoga: ein Wort zum IS

Die Zeit steht nicht still, schon gar nicht wenn islamistische Terroristen an einem sonst schönen Pariser Abend um die 200 Leute umbringen. Auf einmal reden Barack Obama und Wladimir Putin wieder ein Spur ernsthafter miteinander. Und interessanter noch: Die Franzosen tun sich im Krieg gegen den „Islamischen Staat“ auch mit den Russen zusammen, nach dem Prinzip: ein gemeinsamer Feind verbindet.

Ich weiß nicht, was daraus wird. Aber sollte die IS ein Kriegsbündnis dieser drei stolzen Staaten provozieren, dann wäre das nicht das Schlechteste. Der Streit darüber, ob man den Unmenschen Assad bekämpfen, erstmal ignorieren, oder im Krieg gegen die islamistischen Mörder nutzen soll, tritt in die zweite Reihe, wenn es gegen einen solchen Feind wie das „Kalifat“, geht. Auch die Frage, wer dabei welche Hintergedanken hat, gehört auf die hintere Herdplatte.

Sollte das die neue Zielrichtung in Nahost werden, so kann man davon ausgehen, dass die Briten dabei sind. Sie zeigen immer Mumm, wenn es notwendig ist. Was immer man vom Fußball-Dienstag halten mag. Die gemeinsame Marseillaise der britischen und französischen Spieler im Wembley-Stadion hat mich mehr beeindruckt, als die Heimführung der Fans in Hannover, so berechtigt sie wohl war. Wenn es um Mumm geht, sind Briten und Franzosen auf Augenhöhe, auch wenn sie sich sonst vielleicht nicht immer riechen mögen.

Man kann ebenso davon ausgehen, dass Deutschland sich in einem solchen Kampf-Spiel der Franzosen, Amerikaner, Russen und Briten vor allem als Sportkommentator betätigen würde.

Urkomisch fand ich die im Ton tiefsten Schürfens hervorgebrachte Formulierung unseres Außenministers, man könne den IS „nicht allein mit Waffen“ bekämpfen. Donnerwetter. Nicht allein mit Waffen? Ich kann mich nicht entsinnen, dass irgendjemand behauptet hat, es ginge allein mit Waffen. Ich kenne aber auch niemanden, der glaubt, es ginge ohne Waffen und allein mit guten Worten oder allein mit Länderspiel-Absagen.

Unser netter Herr Steinmeier, ein König Silberzunge von chtem Kiesinger-Format, benutzt das Wort „ nicht allein mit Krieg“ als verbale Finte, um zu unseren energischeren Nachbarn nicht sagen zu müssen: „Nun siegt mal schön, aber ohne uns.“

Ich glaube auch gar nicht, dass man in dieser Sache viel von Deutschland erwartet. Um wieder auf den Sport zurückzugreifen. Im Nahen Osten wird American Football gespielt oder Hardball, wie die Amerikaner auch gerne sagen. Von mir aus auch Rugby. Da kann man Leute, die lieber Tischtennis spielen oder Yoga betreiben, nicht gebrauchen. Und schon gar nicht Leute, die an der Außenlinie kluge Bemerkungen machen. Die stören mehr als dass sie helfen.

Prima finde ich die Hacker von „Anonymus“, die dem IS den Kampf angesagt haben. Das ist doch mal ein neuer, frischer Gedanke in dem ewigen Plauderkreislauf, der um die Bedrohung durch die Islamisten geführt wird. Die Hacker-Elite zeigt nicht nur Mumm, sie hat auch Instrumente in der Hand, mit denen man die digital vernetzten Islamisten durchaus empfindlich treffen kann. Bravo. Einige unserer Offline-Politiker, die sich darüber mokieren, haben noch nicht verstanden, wie wichtig das Netz auch im Krieg geworden ist.

Seltsam finde ich, dass wir jetzt bei uns immer öfter etwas von „Gefährdern“ hören. Ich erinnere mich noch an den „Problembären“. Der hat nicht lange überlebt. Auch „Gefahrenbäume“ kenne ich inzwischen, obwohl die damals in meinem Biologie-Unterricht nicht vorkamen. Die sägt man, soviel ich weiß, ab. Dann sind sie nicht mehr gefährlich.

Was man mit den „Gefährdern“ macht, weiß ich nicht. Schaut man denen fasziniert zu, wie sie uns gefährden? Oder was tut man? Kann man die Gefährder nicht entgefährden? Einsperren? Rausschmeißen? Bart abschneiden? Bei Samson soll das ja etwas gebracht haben. Bei den Gefahrenbäumen gibt es immer wieder Probleme mit Baumfreunden („Mein Freund der Baum“, einst gesungen von Alexandra) und von Baum-Umarmern (tree huggers). Gibt es auch Gefährderfreunde? (Mein Freund der Gefährder?) Oder Gefährderumarmer?

Manchmal fragt man sich, in welchem Wald man eigentlich steht. Immerhin gibt es Francois Hollande, eigentlich ein vermutetes Weichei, der nach dem Attentat dem asymmetrisch Krieg führenden „Islamischen Staat“ den Krieg erklärt hat. Richtig so. Bei uns denkt man, glaube ich, darüber nach, die Franzosen dann in Mali, wo die ja auch schon kämpfen, ein bisschen zu entlasten. Ich finde das süß.

Ich bin eigentlich auch ein notorischer Friedensapostel. Aber ich glaube, es hat mindestens einen gerechten Krieg gegeben: den Krieg gegen Nazi-Deutschland. Für mich sind die Islamisten des IS oder der Alkaida die neuen Nazis. Wer gegen sie Krieg führt, führt einen gerechten Krieg. Und wer gegen sie keinen Krieg führt, sollte sich hüten, sich im Besitz einer höheren, weil friedfertigen Moral zu wähnen.

Tut das überhaupt jemand? Und ob. Das ist es ja.

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Leserpost

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Claudia Hoff / 19.11.2015

Geehrte Redaktion, ich möchte mich Rainer Bonhorst anschliessen, besonders, was “Anonymous” angeht. Die Gruppe hat spontan, wie es scheint, und kraftvoll reagiert, ohne abwägende Floskeln, das ist in so einem Moment auch überflüssig. Man kann da nur unterstützen und andere Gruppen auffordern, sich anzuschliessen. Dagegen fällt mir heute, 19.11., in den Medien ein Trend auf, der so unisono daherkommt, als hätten wir schon wieder ein Propaganda-Ministerium: hier in Deutschland jedenfalls wird die Polizei, die in Frankreich im Januar 2015 so hervorragende Arbeit geleistet hat, dass in zwei Tagen (!) die Täter gefasst waren, geradezu lächerlich gemacht. Das können wir nicht gebrauchen. Zur Solidarität und dem Zusammenhalt gehört eben auch, von Presseseite her diejenigen zu unterstützen, die an der Front stehen und für uns alle gegen ISIS stehen. Freundliche Grüsse Claudia Hoff

Paul H. Ertl / 19.11.2015

Schöner Artikel, allerdings ist Hardball seit dem späten 19. Jahrhundert ein Synonym für Baseball. Über diesen Sinn hinaus kann “playing hardball” allerdings auch etwas bedeuten, was im Umgang mit dem IS durchaus angemessen sein könnte.

Ralf Schmode / 19.11.2015

Dass Deuschland im Falle des Kriegs einer internationalen Koalition gegen den IS als “Kommentator” auftreten würde, ist noch zurückhaltend formuliert. Vielmehr würden deutsche Medienorgane bei jedem getöteten Zivilisten lautstark und überheblich die Verbündeten zur “Zurückhaltung” und “Wahrung der Verhältnismäßigkeit” mahnen. Frau Käßmann würde einen Stuhlkreis mit Offizieren des IS vorschlagen und Herrn Todenhöfer dazu einladen (was ist eigentlich aus ihrem Date mit den “moderaten Taliban” geworden?), die “Süddeutsche” würde auf die zeitlos gültige Erkenntnis hinweisen, dass Israel im Hintergrund die Fäden zieht. Außerdem wären sich Frau Wagenknecht und der Aluhutträger-Flügel der AfD vermutlich schnell darin einig, dass dem Krieg gegen den IS ausschließlich die Gier der USA nach dem nahöstlichen Öl zugrunde liegt. Damit bekäme man geschickt die Kurve zu Buzzwords wie “Rothschild” und wäre damit wieder bei dem, was ganz Linke und ganz Rechte gleichermaßen als Kernthema des Nahostkonflikts betrachten.

Mike van Dyke / 18.11.2015

Ich kenne zumindest eine, die ernsthaft glaubt, den IS ohne Waffen besiegen zu können. Sie hat Sitzblockaden vorgeschlagen. Nein, sie ist wahrscheinlich nicht verrückt. Sie heißt Käßmann. Und sie hatte eins der höchsten Kirchenämter inne.

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