Wolfram Weimer / 27.11.2009 / 15:26 / 0 / Seite ausdrucken

Guttenbergs Feuerprobe

Der Tanklaster-Skandal erschüttert das politische Berlin, der oberste Bundeswehr-General wird gefeuert, Minister Franz Josef Jung tritt in den politischen Ruin und der ganze Afghanistan-Krieg gerät immer tiefer in den Schatten eines moralischen Desasters.

Inmitten der Turbulenzen wächst Karl-Theodor zu Guttenberg in eine völlig neue Rolle. War er bislang ein geschmeidiger Darling der Medien so zeigt er sich nun als knallharter Krisenmanager und Kriegsführer. Binnen weniger Stunden feuert er den Generalinspekteur und seinen Staatssekretär gleich mit. Das Ganze verkündet er nicht über eine Pressekonferenz, sondern staatstragend im Deutschen Bundestag. Zugleich offenbart er mit seinem neuen Stil der Offenheit, die Vertuschungen seines Amtsvorgängers und stößt den damit in den politischen Abgrund. Guttenberg ist plötzlich gar nicht mehr der nette Baron mit der diplomatischen Höflichkeit. Jetzt ist er der beinharte Kehrausminister. Er spricht offen von einem Krieg, wo Jung die heikle Vokabel über Jahre unterdrückt hatte.

Guttenbergs rasche Konsequenz in der Affäre hat Jungs Rücktritt nicht nur beschleunigt, sondern geradezu erzwungen. Die Härte mit der die Ritter-Inkarnation der deutschen Politik plötzlich zupackt, verblüfft das Publikum. Der Parzival des politischen Betriebs bekommt schlagartig eine stählerne Rüstung.

Guttenberg gelingt in der Affäre, was Militärs gerne „Vorne-Verteidigung“ nennen. Er greift selber an, übernimmt die Rolle des Anklägers (eigentlich macht das die Opposition) und des Aufklärers (also die Medien- und Parlamentsarbeit) und des Richters in Personalunion. Das ist außerordentlich geschickt, denn es unterstreicht nicht nur die Tatkraft des bislang vor allem Wortmächtigen, es schützt vor allem ihn selbst in dieser Affäre.

Das unglaubliche Jahres-Epos namens Guttenberg geht also ins nächste Kapitel. Er brachte noch vor Jahresfrist so ziemlich alles mit, was für die medialen Schandmäuler der Republik ein Festmahl gewesen wäre: Ein bayerischer Jungspunt aus dem Adelsgeschlecht, mit gegelten Haaren, liiert mit einem hübschen Blondine und einer Schwäche für AC/DC-Hardrock-Musik versuchte über die CSU aus der Tiefe des provinziellen Raums kommend in Berlin Karriere zu machen. Alle Experten hätten selbst Homer Simpson mehr Chancen gegeben.

Doch nun ist alles spektakulär anders gekommen. Guttenberg ist nicht nur zum politischen Beliebtheitskönig aufgestiegen ist, er punktete nicht bloß als Überraschungs-Generalsekretär sondern stieg gleich zum Gralshüter der Sozialen Marktwirtschaft auf, ja zum gefühlten Enkel Ludwig Erhards, schließlich zum Erststimmenmeister der Republik und dann zum jüngsten Verteidigungsminister aller Zeiten. Manche halten ihn bereits für den besseren Außenminister. Dass alles klingt nach einem Politmärchen, denn das alles ist in nur einem Jahr passiert. Der „Politiker des Jahres“ (so die Auszeichnung, die er vor wenigen Tagen auch noch erhalten hat) wirkt inzwischen wie eine Mischung aus Armani und Konrad Adenauer. Vom bestangezogenen Mann bis zum besten Redner feiert man „den coolen Baron“, und selbst notorisch hämische Medien legen sich ihm kreischend zu Füßen wie Groupies einem Popstar, dass man sich wöchentlich fragt, wann sich diese journalistische Hype denn ins Gegenteil verkehrt. Die Tanklaster-Affäre ist für Guttenberg daher besonders gefährlich. Bislang allerdings scheint er auch diese Krise wie ein Stahlbad zu meistern.

Gerade weil Guttenberg die Lage so offensiv meistert, dürfte er auch in der Afghanistanpolitik insgesamt noch für Überraschungen gut sein. Er will diesen Krieg ganz offensichtlich möglichst rasch beenden. Er mahnt als erster Bundesminister offen einen Rückzug an und organisiert erste Schritte zur „Übergabe in Verantwortung“ an die Afghanen. Damit hat der neue Verteidigungsminister eine Zäsur in der Kriegsstrategie eingeleitet. Die Tanklaster-Affäre dürfte diesen Prozess beschleunigen.

Denn Gutenberg zeichnet aus, dass er eine Haltung hat und diese unbeirrt verfolgt. In der Opel-Krise hat er mitten im aufziehenden Wahlkampf die krass unpopuläre Position vertreten, dass ein geordnetes Insolvenzverfahren die bessere Alternative sei. Das hat imponiert, nicht nur weil er in der Sache richtig lag, sondern weil er ein Spektakel der Mediendemokratie gebrochen hat: Das Spiel nämlich, sich auf einem Quadratmillimeter politisch korrekter Meinungsmitte zu treffen, anstatt offen die Meinung zu sagen.

Mit der Magie des Autonomen findet Guttenberg zum Afghanistankrieg nicht nur eine neue, offene Sprache, sondern auch einen unverstellten Blick. Mit dem Komplettaustausch der militärpolitischen Führung findet er nun vielleicht auch einen neuen Ausweg aus dem Schlamassel am Hindukusch. Dann hätte die Tanklaster-Affäre einen großen Nutzen für die Republik.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Wolfram Weimer / 26.06.2020 / 06:00 / 80

Corona als Kanzlermacher

In der CDU knistert es. Die Kanzlerkandidatur-Frage legt sich wie eine Krimispannung über die Partei. Im Dreikampf und die Merkelnachfolge zwischen Markus Söder, Armin Laschet…/ mehr

Wolfram Weimer / 12.06.2020 / 10:00 / 47

Nichts ist unmöglich: AKK als Bundespräsidentin?

„Das ist die größte Wunderheilung seit Lazarus“, frohlocken CDU-Bundestagsabgeordnete über das Comeback ihrer Partei. Die Union wankte zu Jahresbeginn dem Abgrund entgegen, immer tiefer sackten…/ mehr

Wolfram Weimer / 21.05.2020 / 12:00 / 23

Warren Buffet traut dem Braten nicht

Warren Buffetts Barreserven liegen jetzt bei sagenhaften 137 Milliarden Dollar. Das ist so viel wie das Bruttosozialprodukt der 50 ärmsten Staaten der Welt zusammengenommen –…/ mehr

Wolfram Weimer / 07.05.2020 / 06:29 / 105

Anders Tegnell: Der Stachel im Fleisch der Corona-Politik

Schwedens Staatsepidemiologe Anders Tegnell spaltet die Gemüter. Er trägt weder Anzüge noch Medizinerkittel. Er vermeidet jedes Pathos und Wissenschaftlergehabe. Im Strickpullover erklärt er mit lässiger…/ mehr

Wolfram Weimer / 23.04.2020 / 06:10 / 183

Robert Habeck: Die grüne Sonne geht unter

Am 7. März erreichten die Grünen im RTL/n-tv-Trendbarometer noch Zustimmungswerte von 24 Prozent. Monatelang waren sie konstant die zweitstärkste Partei in Deutschland, satte 8 Prozentpunkte betrug der…/ mehr

Wolfram Weimer / 17.04.2020 / 06:17 / 90

China blockiert Recherchen zur Virus-Herkunft

Wie kam das Coronavirus von der Fledermaus auf die Menschen? Der Tiermarkt in Wuhan war es wohl doch nicht. Ein Virus-Forschungslabor nebenan spielt offenbar eine…/ mehr

Wolfram Weimer / 03.04.2020 / 06:25 / 100

Die liberale Corona-Bekämpfung

Die Bewältigung der Corona-Krise ist nicht alternativlos. Während viele Länder Europas – auch Deutschland – auf radikale Massen-Quarantänen mit wochenlangen Ausgangssperren und Kontaktverboten setzen, vertrauen…/ mehr

Wolfram Weimer / 06.03.2020 / 16:00 / 16

Joe Biden ist der Olaf Scholz Amerikas

Den Linken ist er mit seinen moderaten Positionen zu mittig. Den Jungen ist er mit seinen 76 Jahren zu alt. Den Reformern ist er zu…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com