Die Wirtschaftskrise bringt den Klimakonsens ins Wanken. Die Alarmisten geraten in die Defensive.
Einspruch in Sachen Klimakatastrophe wagen gemeinhin nur Leute, die sich nichts mehr beweisen müssen - oder nichts mehr zu verlieren haben. Etwa der deutsche Altkanzler Helmut Schmidt, der die Klimahysterie „ein bisschen übertrieben“ findet. Zwischen zwei Menthol-Zigaretten tritt er schon mal Al Gore auf die Füße: „Zu glauben, der Mensch könne das Klima insgesamt verändern, dazu muss man Amerikaner sein.“ Vom gleichen Kaliber ist der tschechische Präsident Václav Klaus. Nach dessen Ansicht dürften kommende Generationen sich fragen: „Wie war das damals möglich, dass die Leute im Jahr 2007 so kuriose Dinge dachten?“ Klaus hat sogar ein kritisches Buch zum Thema geschrieben. Soeben wurde die spanische Ausgabe vorgestellt. Selbstverständlich von jemandem, der seine Karriere hinter sich hat: Jose Maria Aznar. Der ehemalige spanische Ministerpräsident sprach dabei von einer „neuen Religion“, die jeden Zweifler „auf den Scheiterhaufen“ befördere.
Doch das könnte sich ändern. Die öffentliche Meinung in Sachen Klima ist ins Rutschen geraten. Und das ging sogar schon vor der Finanzkrise los. So schickten die Londoner Bürger den bekennenden Klimaschützer Ken Livingstone in die Wüste und wählten statt dessen den bekennenden Klimaskeptiker Borris Johnson zum Bürgermeister. Auch in Kanada verloren die oppositionellen Liberalen mit dem Klimathema die Wahl. Vaclav Klaus wurde hingegen wiedergewählt, obwohl von den Medien als „Ignorant“ und „Klimaleugner“ gegeißelt. Klimapolitischer Beifall von Umweltverbänden und Journalisten wird plötzlich zum Risiko: Die weitgehende Abwesenheit des Themas im US-Wahlkampf spricht Bände. Und John McCaine ist es nicht aus Versehen unterlaufen, dass er mit Sarah Palin eine Frau an seine Seite stellte, die Zweifel am vom Menschen verursachten Klimawandel hegt. In Irland hat sich derweil das erste amtierende Regierungsmitglied Europas aus dem Treibhaus gelehnt: Umweltminister Sammy Wilson spricht von einer „hysterischen Pseudo-Religion.“ Immer öfter testen Politiker - einstweilen meist aus der zweiten Reihe - das bislang verbotene Terrain. Klimaskepsis könnte künftig der Karriere durchaus förderlich sein.
In Australien meldete sogar der katholische Erzbischof von Sydney, George Pell, Zweifel an der kommenden Klimahölle an und geißelte die „Uniformität des Denkens.“ In Deutschland kam es bei einer öffentlichen Präsentation der EU-Pläne zum Emissionshandel zu einem regelrechten Aufstand von Managern und Unternehmern im Saal. Die verdutzten Beamten des Umweltministeriums hatten so etwas noch nicht erlebt. Lautstark wurde vor „wirtschaftlichem Selbstmord“ und einer „Deindustrialisierung“ gewarnt: Die Emissionen würden schlichtweg woanders hin exportiert und mit ihnen die Arbeitsplätze. Leiser, aber immer hörbarer wird in diesen Kreisen auch die Frage gestellt: Stimmen die Prämissen der Klimapolitik überhaupt? Steht es wirklich so schlimm wie behauptet?
Und da wächst den Skeptikern zumindest im Augenblick ein bedrohliches Argument zu: Es wird seit nun fast zehn Jahren nicht mehr wärmer auf der Erde. Das zeigen die Temperaturkurven aller Institutionen, die eine globale Durchschnittstemperatur ermitteln. Die Weltmeere haben seit 2004 sogar an Wärme verloren. In den vergangenen beiden Jahren konnte sich nicht einmal der Meeresspiegel dazu aufraffen, weiter zu steigen. „Es wird nicht wärmer“ - der Satz ist äußerst Talkshow-kompatibel und bestens geeignet für Soundbites in Radio und Fernsehen. Und die derzeitige Nibelungentreue der Medien dürfte erfahrungsgemäß nicht grenzenlos sein. Die Entwicklung der Globaltemperatur in der laufenden Dekade widerspricht allem, was vorhergesagt wurde. Und keiner weiß, wie es weitergeht. Anstatt dies zuzugestehen, übt sich die Riege der Klimawarner in immer komplizierteren Erklärungsversuchen: Die Erwärmung werde lediglich von natürlichen Einflüssen „maskiert“ heißt es, sie lege nur eine Pause ein. Merke: Es wird wärmer, obwohl es nicht wärmer wird. Das führt einstweilen zu einem interessanten rhetorischen Effekt: Die Leugner sind plötzlich die anderen.
Die Gurus der Klimaforschung müssen zu allem Überfluss mit ansehen, wie die Politik sich einem anderen Weltrettungs-Projekt zuwendet. Sie werfen deshalb umso heftiger die Menetekel-Maschine an. Auf dem ersten Höhepunkt der Finanzkrise legte der Klimaberater der deutschen Bundeskanzlerin einen bizarren Auftritt hin, während dem er die verdutzten Medienvertreter darauf hinwies, dass bei der Finanzkrise ja nur virtuelle Werte vernichtet würden, während das Abschmelzen des Grönlandeises real und unumkehrbar sei. Angela Merkel mied die Pressekonferenz und schickte lieber ihren Umweltminister Sigmar Gabriel, der durch die Adoption des Eisbären Knut auffällig geworden ist.
Die Kanzlerin, die sich ein Jahr zuvor noch als heilige Johanna der kalbenden Gletscher profiliert hatte, macht sich inzwischen eher um die wachsenden Halden der Autoindustrie sorgen: „Ich bin für Klimaschutz… aber was ich nicht unterstütze, ist, dass wir uns durch eine unkluge Klimapolitik Arbeitsplätze in Deutschland zerstören.“ So etwas nennt man eine Exit-Strategie. Altgediente Klimaforscher geben jüngeren Kollegen ganz gerne folgenden väterlichen Rat: „Kaum glaubst Du einen Trend entdeckt zu haben, kehrt er sich um.“ Es sieht danach aus, als könne sich diese Erfahrung erneut bewahrheiten. Wissenschaftlich und politisch.
Erschienen in DIE WELTWOCHE vom 30.10.2008