Oliver Marc Hartwich, Gastautor / 08.04.2013 / 02:07 / 0 / Seite ausdrucken

Geschwächt durch ihre Gespaltenheit: warum die Anti-Euro-Bewegungen nicht gewinnen können

Wenn nach mehr als drei Jahren Agonie noch ein einziger überraschender Aspekt der Eurokrise verblieben ist, so ist dies das Fehlen einer europaweiten Anti-Euro-Bewegung. Vom fernen Südpazifik aus betrachtet, erscheint das merkwürdig. Es ist offensichtlich, dass der Euro nicht funktioniert. Noch deutlicher ist, dass die politischen Maßnahmen zu seiner Rettung ein völliger Fehlschlag sind.

Warum nehmen die Europäer also eine Dauerkrise immer noch einfach hin, statt ihre politische Führung geschlossen in den Vorruhestand zu schicken?

In Australien wurden Regierungen und Premierminister schon aus geringeren Gründen ausgewechselt, als weil sie die Wirtschaft eines ganzen Kontinents ruiniert und ganze Generationen zur Arbeitslosigkeit verdammt haben. In Europa hingegen mögen zwar einzelne Regierungen die nationalen Wahlen wegen der Eurokrise verloren haben, das allgemeine politische Rezept der Bailouts in Verbindung mit Sparprogrammen durfte sich jedoch nie ändern. Warum nicht?

Ein wesentlicher Teil der Antwort ist darin zu suchen, dass es keine allgemein anerkannte Analyse der Probleme Europas gibt. In allen Ländern der Eurozone lassen Meinungsumfragen darauf schließen, dass ein weit verbreitetes Unbehagen am Euro und dem Krisenmanagement der Europäischen Union besteht. Unterschiedlich sind nur die Beweggründe für die Unzufriedenheit der Europäer.

In den Ländern, die Bürgschaften für die Eurorettungsmaßnahmen leisten, ist die Hauptsorge die, dass sie für die Fehler anderer aufkommen müssen. Die Finnen, Niederländer, Österreicher und Deutschen wollen verständlicherweise weder für russische Oligarchen und ihre Einlagen in Zypern noch für griechische Frührentner oder italienische Steuerhinterzieher zahlen. Das sind natürlich stark vereinfachte und stereotype Übertreibungen – aber sie bilden in den Euro-Kernländern den Hauptinhalt der Vorbehalte im Volk gegen den Euro.

Die Stimmung in der krisengeplagten Euro-Peripherie ist natürlich eine andere. Für die Euro-Gegner in Griechenland, Zypern oder Italien sind der Euro und die mit ihm verbundene Politik unerwünschte Diktate aus Brüssel, Frankfurt und Berlin – eine Politik mit dem Ziel, Wirtschaftsreformen zu erzwingen, die von sich aus niemals in Angriff genommen worden wären.

Und aus dem Blickwinkel von jenseits des Ärmelkanals ist – zumindest für alle Stammleser von Boulevardzeitungen – der Euro nur die Methode, mit der Deutschland nachträglich den Krieg gewonnen hat. Was Hitlers Panzern nicht gelang, schaffen die Deutschen von heute mit ihrer Wirtschaftskraft: die Herren Europas zu werden.

Die Opposition gegen die Europolitik der Europäischen Union ist nicht nur auf dem Kontinent gespalten, nicht einmal die eurokritischen Argumente in den einzelnen Staaten sind miteinander vereinbar.

Es besteht keinerlei Chance, dass sich etwa ein Deutscher mit seiner Sorge um Inflation, Wettbewerbsfähigkeit und die eigene Steuerlast mit einem Griechen zusammentun würde, der gegen die Sparpakete protestiert. Beide mögen davon überzeugt sein, dass der Euro die Wurzel allen Übels ist – nur aus vollkommen unterschiedlichen Gründen. Aus Sicht des Deutschen ist der Euro für die griechische Verschwendung vor der Krise verantwortlich, für den Griechen ist er schuld an den durch Deutschland aufgezwungenen Sparmaßnahmen in der Krise. Eurokritiker im reichen Kern der EU wollen das genaue Gegenteil dessen, was Eurokritiker an der europäischen Peripherie fordern.

In den meisten europäischen Ländern gibt es inzwischen euroskeptische Bewegungen. Ihre politischen Philosophien könnten jedoch nicht weiter auseinanderliegen.

Die britische ‘United Kingdom Independence Party’, die ‘Alternative für Deutschland’ und Österreichs ‘Team Stronach’ können alle im weitesten Sinne als EU-kritisch und wirtschaftsliberal bezeichnet werden – und dennoch unterscheiden sie sich in zahlreichen Fragen der Inhalte und des Stils. Demgegenüber liegen bei Beppe Grillos ’Fünf-Sterne-Bewegung’ in Italien oder die Koalition der radikalen Linken (Syriza) unter ihrem Anführer Alexis Tsipras in Griechenland die Gründe für ihre Anti-Euro-Haltung in der Ablehnung der von der EU verfügten Politik der Wirtschaftsreformen und Budgetkürzungen.

Die Europäische Union litt von jeher unter ihrer Unfähigkeit, den Kontinent jenseits der gemeinsamen Interessen seiner Länder zu einen. Ironischerweise ist auch bei ihren Kritikern genau die gleiche Schwierigkeit erkennbar. Ihr Erscheinungsbild und ihre Einstellungen sind zu unterschiedlich, als dass sie die bestehende EU-Orthodoxie wirksam herausfordern könnten.

Die politische Opposition gegen den Euro wurde dadurch weiter erschwert, dass sie in einigen Ländern als extremistisch oder reaktionär etikettiert wird. In Deutschland beispielsweise gilt die Befürwortung einer noch weiter gehenden europäischen Integration seit langem als Voraussetzung für politische Seriosität. Keine politische Partei, die wählbar bleiben wollte, hätte es gewagt, von diesem nach dem Krieg entstandenen demokratischen Konsens abzuweichen.

Die neu gegründete ‘Alternative für Deutschland’ unter der Führung eines angesehenen Wirtschaftsprofessors aus Hamburg musste sich von Anfang an gegen die Unterstellung des politischen Extremismus wehren. Wenn jedoch irgendetwas an dieser Partei extrem ist, dann ihre Bereitschaft, sich an die Regeln der europäischen Demokratie zu halten.

Deutschlands neue euroskeptische Partei beschreibt sich selbst als pro-europäisch und sogar als EU-Befürworter, obwohl sie nachdrücklich betont, dass die Einführung des Euro ein Fehler war, der korrigiert werden sollte. Ginge es nach der ‘Alternative‘, sollte das Ende der Eurozone allerdings durch Neuverhandlungen unter den Mitgliedern der Eurozone herbeigeführt werden.

Wie die Partei auf ihrer Website erläutert, sollte „eine geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebiets“ erfolgen. Was wahrscheinlich so etwas wie ein strukturiertes Ende eines totalen Chaos oder die Überwindung von Anarchie in gegenseitigem Einvernehmen bedeutet.

Die Positionen der ‘Alternative‘ sind kaum radikal zu nennen, da sie immer noch eine neue Form des Konsens zwischen den Ländern der Eurozone zu finden versucht. Das erinnert alles ein wenig an Lenins berühmten Spruch, deutsche Revolutionäre würden einen Bahnhof nicht stürmen, ohne zuvor eine Bahnsteigkarte zu lösen.

Wenn einige deutsche Kommentatoren sich wegen des angeblichen Extremismus der ‘Alternative‘ besorgt zeigen, so sagt das mehr über die konsensbesessene Kultur des Landes aus als über den politischen Standort der neuen Partei.

Solange allerdings Europas verschiedene Anti-Euro-Bewegungen hoffnungslos gespalten sind, sind die Chancen, dass sie eine aussagekräftige Opposition gegen die Europolitik der EU bilden werden - geschweige denn gegen die Währungsunion selbst - gleich null.

Letztlich wird der Euro an all seinen inneren Widersprüchen und Konstruktionsfehlern scheitern. Die politische Opposition wird jedoch nicht viel zu seinem Niedergang beigetragen haben.

Dr. Oliver Marc Hartwich ist Executive Director der The New Zealand Initiative.

‘Defanged by division: why the anti-euros can’t win’ erschien zuerst in Business Spectator (Melbourne), 4. April 2013. Aus dem Englischen von Cornelia Kähler (Fachübersetzungen - Wirtschaft, Recht, Finanzen).

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