Nach der Parlamentswahl in Algerien liegt die in deutschsprachigen Nachrichten meist als „gemäßigt islamistisch“ beschriebene Bewegung der „Gesellschaft für den Frieden“ (MSP) nach eigenen Angaben in Führung, meldet u.a. orf.at. Die Wahl am Samstag war die erste in dem nordafrikanischen Land seit dem erzwungenen Rückzug des langjährigen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika vor gut zwei Jahren.
Medienberichten zufolge habe die Wahlkommission gestern Abend „unbegründete“ Aussagen zum Ausgang der Wahl zurückgewiesen, ohne dabei die MSP zu nennen. Wegen der „komplizierten“ Auszählung gebe es das Ergebnis erst in vier Tagen, habe der Chef der Wahlkommission, Mohamed Chorfi, am Samstag gesagt. Eine für gestern geplante Pressekonferenz sei verschoben worden. Die Wahlbeteiligung habe laut Chorfi bei 30,2 Prozent gelegen, das sei die niedrigste seit mindestens 20 Jahren.
Es gilt allerdings als nicht unwahrscheinlich, dass sich der Sieg der Islamisten letztlich bestätigt. Den etablierten Parteien Nationale Befreiungsfront (FLN) und Demokratische Nationalversammlung (RND) waren von Experten deutliche Stimmenverluste bereits vor der Wahl vorhergesagt worden. Die Protestbewegung Hirak, die die Demonstrationen der letzten Zeit getragen hatte, und ein Teil der Oppositionsparteien hatten ihre Anhänger zum Wahlboykott aufgerufen. Zahlreiche Festnahmen, u.a. von Vertretern der Hirak-Bewegung, im Vorfeld der Wahl, dürften die Boykott-Stimmung noch gestärkt haben.
Dass diese Gemengelage den Islamisten nützt, war absehbar. Wenn die MSP in den Nachrichten als „gemäßigt islamistisch“ beschrieben wird, so soll mit dem „gemäßigt“ wahrscheinlich nur ausgedrückt werden, dass sie ihre Ziele nicht durch bewaffneten Kampf, sondern mit legalen Mitteln erreichen will. Die Bewegung betont zwar offiziell einen gemäßigten politischen Islam, bekennt sich aber andererseits zu den Muslimbrüdern, was nicht gerade einen Hang zur Liberalität vermuten lässt.