Vom Standpunkt der Geschlechtergleichbehandlung sind die neuen Flugvorschriften zu begrüßen. Sie betreffen nämlich hauptsächlich die Frauen. Bislang waren ja die Männer das große Sicherheitsproblem. Sie führten immer Scheren, Feilen, Taschenmesser, Schrauben- und Korkenzieher mit sich und bekamen vom Kontrollpersonal ganze Werkzeugläden abgenommen. Kein Wunder, daß die Stahlbranche wieder boomt: schließlich landet die halbe Jahresproduktion in Müllcontainern auf den Flughäfen.
Jetzt aber gilt nicht nur alles, was hart und scharf und spitz ist, als Gefahr, sondern auch das Runde, Weiche oder Flüssige – und damit sind wir ganz ohne Sloterdijk und Theweleit im weiblichen Bezirk. Frauen fliegen bekanntlich nicht mit Teppichmessern im Beauty Case durch die Welt, sondern mit einer Unzahl von Crèmes und Pasten, Tuben und Fläschchen – und in gewissen Sonderfällen, die hier jetzt nicht erörtert werden sollen, sogar mit Babymilch.
Jedenfalls haben sich unter dem Horizont des todbringenden Irrsinns all diese Tuben und Fläschchen in Faktoren des Terrors verwandelt und werden jetzt ebenso behandelt wie Handgranaten, Schnellfeuergewehre und Brieföffner. Wer allerdings schon manches Mal im vollen Flugzeug ein solches Beauty Case voller Crèmes und Pasten in die Seite gerammt oder über den Kopf gezogen bekam, der weiß, daß diese Art Gepäck dem Terror immer nahe war; es handelt sich also nur um eine kategorielle Verschiebung.
Im übrigen hat die Aufnahme des Flüssigen und Halbflüssigen in den großen Gefahrenkatalog der Gegenwart durchaus grundsätzliche Bedeutung. Das Flüssige und Halbflüssige repräsentiert nämlich die Dekadenz unserer den Islamisten so verhaßten Zivilisation: von Coca-Cola bis zu Wein und Schnaps bezieht sich ihre Ablehnung wesentlich auf Getränke. Selbst die köstlichsten unserer festen Nahrungsmittel wie Camembert oder Gänsestopfleber haben einen bemerkenswerten Hang zur Erweichung und Ergießung. Deswegen sind auch sie ab sofort an Bord verboten, obwohl sich Camembert von Semtex am Geruch leicht unterscheiden läßt. Doch Asterix-Leser wissen sehr wohl, daß ein älterer Camembert recht explosiv sein kann.
Dem Passagier von heute bleibt die Schmach, sich mit seinen letzten erlaubten Flüssigkeiten in einer durchsichtigen Plastiktüte lächerlich zu machen. Zeige mir deinen Kulturbeutel, und ich sage dir, wer du bist. Man wird sich künftig manche Flugzeugbekanntschaften ersparen können, weil man schon gesehen hat, was für seltsame Essenzen der andere Mensch mit sich führt. Überhaupt: der Mensch als solcher besteht bekanntlich zu ungefähr siebzig Prozent aus Wasser. Grund genug, die Kleidung abzulegen und in nichts als durchsichtigen Plastiksäcken den Flieger zu besteigen.