Tippen ist das neue Reden, da man in vielen Lebenssituationen den Mund halten muß, aber die Finger frei hat. - Die Begründung stimmt nicht. Der Trend geht zum Schreiben unabhängig davon, ob man gerade telefonieren könnte oder nicht. Wie hoch ist der Anteil der Bildtelefonie? In den 80ern habe ich drauf gewartet, seit ISDN Anfang der 90er funktioniert es tadellos, doch bis heute skypet höchstens der Student mit seinen Eltern in Indien. Man möchte nicht gesehen und neuerdings auch nicht gehört werden. Die Reduktion auf einfache Zeichen scheint angenehmer zu sein. Geht mir ja auch so. Lässt sich eine Stimme schwerer dekodieren? Beim Telefonieren braucht es immer etwas Blabla bis die Verbindung überhaupt steht. Oder sind die ganzen Informationen, die Bilder und Töne so nebenbei noch transportieren, einfach Ballast?
Seit Einführung des Smartphones sehe ich Kinderwagen schiebende Mütter, die mit dem Smartphone sprechen, nicht mit dem Kind. Und Schülergruppen, die, nebeneinander gehend, sich über das Smartphone unterhalten. Wenn es sich jemand zum Ziel gesetzt hätte, die Menschen von frühester Jugend an, aus der Wirklichkeit zu entfernen und sie außerstande zu setzen, miteinander zu sprechen, von Angesicht zu Angesicht, das Smartphone wäre seine erste Wahl geworden.
Ein ganz wichtiger Aspekt fehlt noch, die “Netzgläubigkeit”, eine neue Religion, die angeeigneten Wissen ersetzt. Warum lernen, hinterfragen, lesen? Das Ding in der Hand hat jede Antwort parat, egal wie richtig oder falsch die sein mag!
Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.