Gastautor / 23.05.2012 / 08:38 / 0 / Seite ausdrucken

Euro-Nord: 10 Thesen

Gunnar Heinsohn

Am 9. Mai bekennt Peer Steinbrück (Bundesfinanzminister 2005-2009) in Brüssel, dass er sich auf einen „Plan B“ für einen Euro mit weniger Mitgliedsstaaten vorbereiten wolle. Einen Tag später stellt Markus Kerber (Europolis) in der Bundespressekonferenz einen längst fertigen „Plan B“ für eine Nord-Parallelwährung „Guldenmark“ mit Luxemburg, Finnland, Deutschland, den Niederlanden und Österreich vor, die einen legalen und zugelcih nicht-nationalistischen Übergang in einen geteilten Euroraum ermöglicht. Diese fünf Länder belegen unter den 17 Euroteilnehmern auch die Plätze eins bis fünf bei Patenten pro Million Einwohner. Am 21. Mai zieht Thomas Mayer von der Deutschen Bank mit einer Mini-Parallelwährung „Geuro“ für Griechenland nach, die im Gegenzug einen Nord-Euro mit sechzehn Mitgliedern bedeuten würde. Alle Ansätze wollen die Fehler des heutigen Euro-Systems vermeiden. Worin bestehen diese Fehler?

1.      Der aktuelle Euro ist eine Währung mit einheitlichem Namen, aber keine Einheitswährung. Er besteht vielmehr aus 17 zwischen Lissabon und Helsinki mit variierender Besicherung in Umlauf gebrachten Währungen, die aber überall 1:1 angenommen werden müssen.

2.      Das Problem des Euro besteht nicht darin, dass er für unterschiedlich starke Wirtschaftsräume gilt. Die gibt es überall und wenn das ein Kriterium sein sollte, dann müssten in Berlin die Stadtteile Neukölln und Charlottenburg oder in den USA die Staaten Missouri und Vermont unterschiedliche Währungen haben, um dem Wohlstandsgefälle Rechnung zu tragen. Dieses wirkt sich dadurch aus, dass es im ärmeren Gebiet weniger, aber keineswegs schlechter besichertes Geld gibt. Auch Arme wollen lieber eine gute als eine luftige Währung. Gerade weil sie nur wenig Eigentum für die Besicherung von Krediten verpfänden können, wirkt dabei empfangenes Ramschgeld umso verheerender.

3.      Man wollte bei der Euro-Einführung 1999/2002 Abschläge auf schlechter besicherte Euronoten vermeiden. Ein Griechen-Euro sollte in Frankfurt nicht mit nur 30 Cent eines Deutsch-Euro angerechnet werden dürfen, weil er mit schlechter bedienbaren Staatstiteln besichert (Zentralbank) oder pfandunterlegt ist (Geschäftsbanken). Deshalb kam es gegen die ursprüngliche Planung nur zu unterschiedlichen Münzen, nicht jedoch zu umgehend national erkennbaren Noten. In der Begeisterung über die Verhinderung von Abschlägen auf die Süd-Euros übersah man allerdings, dass Abschlage auf die sie besichernden Staatspapiere nicht so leicht zu verhindern sind. Man hatte zwar erreicht, dass 10.0000 Griechen-Euro wie 10.000 Deutsch-Euro angenommen werden müssen. Aber das Herunterpreisen griechischer Staatstitel im Nennwert von 10.000 Euro auf 3.000 Euro Kurs konnte selbst durch illegalen Ankauf dieser Ramschtitel durch die EZB nur verlangsamt, aber nicht gestoppt werden. Während also damals das Eurosystem nur durch das bewusste Hintertreiben von Abschlägen auf Süd-Euros ins Leben treten kann, muss es wegen der nicht zu verhindernden Abschläge auf südliche Staatstitel am Ende doch wieder abtreten.

4.      Nördliche Zentralbanken (vor allem die Bundesbank) wollten dann wenigstens gleiche Besicherungs-Qualität der nunmehr einheitlich gestalteten Eurobanknoten auch in den Südzentralbanken durchsetzen. Das hätte man am Mittelmeer durchaus akzeptiert, wenn dort genügend erstklassiges Material - beispielsweise deutsche statt griechische Staatspapiere - für das Eigenkapital von Zentralbanken und die Pfänder von Geschäftsbanken vorhanden gewesen wäre. Da dem nicht so war, hätten sie entsprechend weniger Kapazität für die Schaffung frischer Euro gehabt. Sie hätten eine harte Besicherung dennoch akzeptiert, wenn Deutschland die Bezahlung südlicher Pensionen und Beamtengehälter übernommen, also damals schon ein Transfer-Europa akzeptiert hätte. Am Rhein jedoch ist man ab 1990 mit den Transfermilliarden für die Bürokratien und Pensionen der neuen Bundesländer mehr als ausgelastet. Also akzeptiert man, dass ein 10.000 €-Griechenland-Staatspapier als Pfand für 10.000 frische Euro genauso taugt wie ein deutsches 10.000 €-Staatspapier. Während die einen mit Sicherheiten von Champagnerqualität frische Euro wertvoll zu machen haben, dürfen die anderen diese nobelste Operation der Eigentumsökonomie einfach mal mit Tafelwasser versuchen. Der Gesamtmix, so hofft man damals - werde schon immer wie Champagner schmecken.

5.      Diese Besicherungs-Unterschiede liefern ungebrochen die entscheidende Schwäche im Euro-Raum. Zusammen mit Otto Steiger (1939-2008)  hat der Autor zwischen 1997 und 2003 in mehr als 30 Publikationen deshalb darum gefleht, eine solche Verwässerung nicht zuzulassen. Das blieb vergeblich. Wir haben dann ersatzweise das Recht auf Umtausch einer Euro hereinnehmenden Zentralbank gegen Gold oder global handelbare Sicherheiten der diese Euro emittierenden Zentralbank vorgeschlagen. Dieses Prinzip gilt zwischen den 12 Zentralbanken des US-Federal Reserve System. Kommen in der New Yorker Zentralbank plötzlich verdächtig viele Dollar aus der Zentralbank von San Francisco an, dann wird die kalifornische Zentralbank aufgefordert, ihre Dollar-Noten von der New Yorker Zentralbank gegen Gold oder erstklassige Vermögenstitel zurückzukaufen. Allein das Vorhandensein dieser Regel wirkt als Bremse gegen das Annehmen von Ramschsicherheiten durch irgendeine der beteiligten Zentralbanken.

6.      Nachdem schlechte und gute Sicherheiten nebeneinander für frische Euro zugelassen sind, Süd-Staaten also niederländisches oder deutsches Geld emittieren können wie zuvor ihre Drachmen oder Peseten, bleibt die schlecht besicherte Verschuldung am Mittelmeer die ersten Jahre unbemerkt. Ende 2009 aber wird der verflüchtigte Champagnergeschmack doch noch vermisst und das Runterpreisen der südlichen Staatspapiere erfolgt umgehend im Galopp, um das peinliche Trödeln ab Euronoteneinführung wieder aufzuholen. Es ist gleichwohl die explizite Zulassung von Ramschpfändern durch das Eurosystem, die weltweit die Geschäftsbanken zu ihrem Ankauf treibt. Athens Papiere - so dekretierte das Eurosystem - seien so liquide wie deutsche. Am Markt würde man schon schlucken, was die Politik angerührt hatte. Viele Bankeigentümer werden bald massive Verluste einfahren, wenn das zentralbankliche Hochpuschen der Preise der bei ihnen gelandeten Staatstitel aufhört, freier Markt also wieder erlaubt wird.  Da man sie zu ihrem Fiasko ein Stück weit aber auch verführt hat, soll man es mit der Häme nicht übertreiben und mit dem Sündenbockjagen gar nicht erst beginnen. Schuldige gibt es seinerzeit jede Menge. Aber sie gehören ausschließlich zu Europas Politklassen und den Zentralbankbürokratien. Alle hatte man ersucht, das Außerkraftsetzen der Zentralbankregeln zu unterlassen. 

7.      Als 2009/2010 der Schwindel offenbar wird, die globale Handelbarkeit südlicher Titel also einbricht, drückt man sich ein weiteres Mal um das Durchsetzen gleich harter Besicherungen in allen 17 Zentralbanken. Im Gegenteil, man gibt den südlichen Zentralbankdirektoren noch mehr freie Hand bei der Definition von Sicherheiten, gegen die sie auch im Norden anzunehmende Euros emittieren können. Dazu beginnt man mit zehnjähriger Verspätung über „Hilfspakete“ doch noch mit dem Bezahlen südlicher Pensionen und Gehälter, dem man damals durch das Zulassen von Tafelwasser als Basis der Euroemission entkommen wollte. Das schlaue Umgehen einer Transferunion von Norden nach Süden ab 2002 durch Erlaubnis von südlichen Ramschsicherheiten wird deshalb seit 2010 mit einer Mega-Transferunion bestraft.

8.      Nun müssen immer mehr solche Pakete geschnürt werden, wenn man die Einheitsbesicherung für den gesamten Euroraum oder auch für ein stabileres Teilnehmerfeld eines kleineren Euro noch einmal auf die lange Bank schiebt. Die für sie eingesetzten Hypermilliarden sind die Inflation. Ein Kunde, der mit seiner privatbürgerlichen Seite heute so gut wie gestern die Dose Bier für einen Euro bekommt, sieht Preisstabilität, spürt aber Unruhe. Doch die Gelehrten versichern im treuherzig, dass es Inflation in der Tat nicht gebe. Gleichwohl zahlt die staatsbürgerliche Seite unseres Bierkenners noch während des Dosenerwerbs für einen Euro einen weiteren Euro in die Rettungsfonds. Diese Ausgabe sieht er nicht, weil die Regierung in seinem Namen zahlt. Unterm Strich kostet das Bier längst zwei Euro. Der zweite soll nachfüttern, was bei der Emission des ersten an besicherndem Eigentum fehlt.
9.      Auch eine neue Währung in einem reduzierten Euroraum, die etwas taugen soll, darf deshalb nur solche Zentralbanken zulassen, die einheitliche Besicherungen eisern durchhalten und das auch können, weil in ihrem Einsatzbereich erstklassiges Vermögensmaterial im erforderlichen Volumen vorhanden ist.

10.      Da die Überwachung solcher Regeln über Grenzen hinweg immer Ressentiments erzeugt, sollte eine neue Währung aber nun wirklich als Einheitswährung angelegt werden. Es reicht also nicht, auf eine Gruppe von erst einmal nur 5 statt bisher 17 unterschiedlichen Währungen gleichen Namens zurückzugehen. Schutz gegen Pfusch gibt es nur mit einer Zentralbank als eigentumsstarker Mutter, bei der sich die angeschlossen nationalen Zentralbanken über die von ihr gesetzten Bedingungen das Geld für das Weiterverleihen an Geschäftsbanken besorgen müssen. Diese Hyper-Zentralbank müsste ihren Sitz nicht in Deutschland haben. Die Ansiedlung der jetzigen EZB am deutschen Main hat ja auch vor nichts bewahrt. Es geht nicht um Boden oder gar Blut, sondern um das Einhalten der Zentralbankregeln.

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