Essen für’s Klima

Von Bernd Steinbrink.

Rettungsaufrufe für unseren Planeten verfolgen uns spätestens, seitdem der Club of Rome 1972 seine Schrift „Die Grenzen des Wachstums“ veröffentlichte. Vieles ist nicht eingetroffen, danach wurden aber immer neue Untergangsszenarien entwickelt, immer wieder wurden diese politisch ausgenutzt, und nicht zuletzt dürfte der Aufschwung der Grünen in der so geschürten Zukunftsangst liegen. Vor gut dreißig Jahren berichteten mir zwei Studentinnen in Tübingen, dass sie einen Stand auf dem dortigen Holzmarkt aufgebaut hatten, um Unterschriften gegen den Gebrauch und die Produktion von Streichhölzern zu sammeln. Beim Entzünden der Hölzer, so ihre Argumentation, entstünden durch das Zusammenwirken von Schwefel und rotem Phosphor klimaschädliche Gase. Zudem führe der Gebrauch zur Abholzung der skandinavischen Wälder. Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis die Studentinnen ihre Unterschriftenlisten gefüllt hatten. Fast alle, die angesprochen wurden, hatten unterschrieben, alle sozialen Schichten, auch Professoren, ließen sich nicht lumpen und unterzeichneten den Aufruf. Erst später ließen die beiden Studentinnen die Katze aus dem Sack: Das alles war nicht ernst gemeint, denn die durch Streichhölzer entstehenden Gase fallen nicht ins Gewicht, auch waren die skandinavischen Wälder nicht bedroht. Das Ganze war vielmehr ein Test, inwieweit der Wille, Gutes zu tun, das Reflexionsvermögen hintanstellt.

Klimaschutz ist also nicht erst seit Greta Thunberg ein Mittel, das in Deutschland zu Hysterie und Selbstkasteiung führt. Für den vermeintlich guten Zweck ist jeder zu gewinnen. Vorausgesetzt, es gibt eine für das Zielpublikum plausible Begründung – und die ist oft nicht schwer zu finden, vor allem, wenn sie ans schlechte Gewissen appelliert. Da wird für das Klima die Schule geschwänzt, demonstriert, gehüpft und die Heizung heruntergedreht. Jetzt kommt eine neue Variante dazu. War der Veggieday der Grünen noch ein veritabler Flop, so kommt er jetzt in einem neuen Gewand daher: modern, digital und nichts Geringerem als der Rettung des Planeten verschrieben. Unterstützt wird das Ganze durch Mittel aus dem Umweltministerium und natürlich auch vom Umweltbundesamt.

In der Mensa der Hochschule, an der ich arbeitete, war der Veggieday am Donnerstag. Allerdings gab es in der Mensa eine kleine Essensausgabestelle, an der an jedem Wochentag Currywurst zu haben war, auch am Veggieday. Das führte dazu, dass gerade am Donnerstag sich lange Schlangen vor dieser Ausgabestelle bildeten, während bei den anderen Ausgaben nur ein paar eingefleischte Vegetarier, Veganer und Ökofans anstanden. Das wiederum führte dazu, dass das Projekt Veggieday aufgegeben wurde. Anscheinend war es nicht gelungen, den Freunden der Currywurst ein schlechtes Gewissen einzuimpfen. Das wird sich nun ändern mit der „KlimaTeller App“. Denn, so die Vertreter der „klimafreundlichen Küche“, unser „Ernährungssystem ist mit einem Anteil von etwa 21 Prozent einer der drei größten Emittenten von Treibhausgasemissionen in Deutschland“.

Wie umweltschädlich bin ich eigentlich?

Auf der Seite von NAHhaft e.V., einer gemeinnützigen Organisation, die sich, so ihr eigener Anspruch, für ein nachhaltiges und „enkeltaugliches Ernährungssystem“ (!) engagiert, wird diese App beschrieben: „Die KlimaTeller-App, ein CO2-Rechner von eaternity AG, der die CO2-Emissionen der Speisen errechnet und dabei berücksichtigt, woher die Zutaten stammen, auf welche Weise sie erzeugt und in welchem Maße sie verarbeitet wurden.“ Eaternity ist eine Schweizer Software-Firma, die Apps für eine „nachhaltige Ernährung“ entwickelt und auf ihrer Internet-Seite jedem zuruft: „Rette den Planeten“.

Die KlimaTeller App richtet sich vor allem an Restaurantbetreiber und sogenannte Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung, also Mensen, Kantinen sowie an die Küchen von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Sie enthält eine „Toolbox mit CO2-Rechner, Rezepten und Gästeinformationen“. Nicht nur die Köche sollen damit lernen, „nachhaltig“ zu kochen, sondern auch die Gäste sollen erkennen, wie viel CO2-Ausstoß sie mit jedem Essen verursachen und lieber auf Gerichte zugreifen, die wenig CO2 erzeugen. Das Internet bietet bereits jetzt mehrere Rechner und Fragebögen, mit denen jeder seinen individuellen „ökologischen Fußabdruck“ bestimmen kann, dort darf man dann bekennen, wie oft man duscht, fliegt und Auto fährt, wie viel Quadratmeter Wohnraum man beansprucht, wie warm die Wohnung ist, wie viel Strom man verbraucht, kurzum: Jeder lernt, wie umweltschädlich er ist, und kann seine eigene Abmahnung ans schlechte Gewissen schreiben. Und natürlich ist auch das Essen betroffen. Da momentan die Selbstkontrolle aber offenbar nicht weit genug geht, soll nun die politisch-korrekte „klimafreundliche Küche“ kommen. Die KlimaTeller-App berechnet dabei den CO2-Verbrauch pro Person bis auf das letzte Gramm.

An die Stelle der Veggiedays sollen Nachhaltigkeitstage treten, neudeutsch: Sustainability Days. Wie ein solch klimafreundliches Essen aussieht, belegt NAHhaft auf der Internet-Seite. Zwei Beispiele: Sauerkraut-Kartoffelpuffer und Apfellauchgemüse mit Thymian. Das ergibt eine CO2-Belastung von 253 Gramm pro Person. Etwas mehr, aber immer noch politisch-korrekt, nämlich mit 273 Gramm CO2 pro Person belastet danach jemand die Umwelt, der sich für eine Portion Rosmarin-Polenta mit gebratenem Spargel entscheidet. Da ist es dann aber doch sicherlich noch wichtig, ob der Spargel von einem der oft beheizten Beete geerntet wurde. Besser wäre dann wohl vegetarischer Steckrübeneintopf, wie in Notzeiten, denn wir leben ja, wie uns vorgemacht wird, in Klimanotzeiten. 

Schluss mit Schlemmen

Die durch die KlimaTeller-App als klimafreundlich berechneten Gerichte können von Gastronomen oder Privatpersonen angeboten werden, die damit wohl weniger ihre Kochkunst als vielmehr ihre Gesinnung zeigen können, ganz im Sinne grüner Erziehung: „Damit zeigen Sie Ihren Gästen Ihr Umweltengagement und geben ihnen wertvolle Orientierung“. (Weiter: „Klimafreundliche Gerichte werden als KlimaTeller ausgezeichnet, wenn sie mindestens 50 Prozent weniger CO2, als der Durchschnitt aller Gerichte verursachen.“) Den Gastronomen ist es erlaubt, mit einem KlimaTeller-Logo für diese Gerichte zu werben. Da wohl nicht damit zu rechnen ist, dass Restaurants mit der KlimaTeller-Auszeichnung in naher Zukunft Sterne vom Guide-Michelin bekommen, ist es wohl überaus fraglich, ob dieses Angebot tatsächlich in breiter Front werbewirksam ist. Nun sollte jeder essen können, was ihm schmeckt, aber schon Ernst Bloch stellte fest, dass eine feine Zunge oft einen feinen Verstand verrate. Was aber ist mit der Zunge, der es eher auf politische Korrektheit ankommt? Ist also Schluss mit Schlemmen, Nouvelle Cuisine, Molekularküche und Haute Cuisine, ist die politisch-korrekte Küche angesagt? Wird nach dem Veggieday-Flop die „klimaneutrale Küche“ Einzug in Mensen und Großküchen halten (wenn, dann hoffentlich zuerst in die Kantinen der Ministerien)? Mit einem „hohen Anteil pflanzenbasierter, biologischer, saisonaler und regionaler Lebensmittel, welche unter fairen Arbeits-­ und Marktbedingungen hergestellt und zudem gesund und schmackhaft zusammengestellt und zubereitet werden.“

Pflanzenbasierte Lebensmittel haben häufig einen hohen Anteil von Ballaststoffen, die wiederum Darmgase verursachen, die, so Wikipedia, „StickstoffWasserstoffMethanKohlenstoffdioxid sowie Schwefelverbindungen“ enthalten. Um diese mit der Klimateller-Ernährung vermehrt freiwerdenden „Klimagase“ genau zu berechnen, sollten NAHhaft, KlimaTeller und eaternity unbedingt noch eine Flatulenz-App entwickeln.

Bernd Steinbrink, geb. 1951, arbeitete als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Rhetorik-Institut der Universität Tübingen, als Professor für Mediensystemtechnik an der HTWK Leipzig, anschließend hatte er eine Professur an der FH-Kiel, ist seit 2017 im Ruhestand. Er schrieb im Literaturteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unter Reich-Ranicki und zahlreiche Artikel in technischen Zeitschriften (u. a. c’t, Byte, European Computer Sources, Mémoires Optiques). Er schrieb Artikel und Bücher zur Literaturgeschichte, digitalen Medien und Rhetorik.

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A. Franke / 15.02.2019

Ich kann garnicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte - Max Liebermann. Diese Zitat passt wieder auf die heutige Zeit. Es sollen mit aller Macht die Säulen unseres Wohlstandes, unseres guten und sichern, freiheitlichen Lebens in Deutschland zerstört werden. Es werden m.E. nordkoreanische Zustände hier angestrebt. Die (Auto)-Industrie wird zerstört. Die sichere und ehemals preiswerte Energieversorgung wird zerstört. Der soziale Frieden und unsere Identität wird zerstört durch illegalen Massenzuwanderung. Die gute und preiswerte Nahrungsversorgung wird zerstört durch dubiose Träume von “biologischer” Landwirtschaft ( nach dem Motto ” Wenn das Brot zu teuer ist, dann sollen sie doch Kuchen fressen). Das Recht auf individuelle Mobilität wird zerstört, durch “Verkehrswenden”  . Zensurgesetze werden eingeführt. Alles natürlich nur um die Welt zu retten. Unsere Regierung, die Medien, und diverse NGO’s verraten und verkaufen Deutschland und seine Bewohner. So ähnlich hatten wir das alles schon einmal. Bevormundung, Verbote, Überwachung….. wann kommen die ersten Umerziehungslager wieder? Natürlich nur alles, um die Menschheit und den Planeten zu “retten”. Vor diesen “Wohlgesinnten” muss man große Angst haben. Alles hat mittlerweile so eine Dynamik bekommen…. Jetzt weiß ich, wie das 3. Reich und wie Stalin möglich wurde. Die DDR habe ich selber erlebt.

Jo Berger / 15.02.2019

Was für ein Gas ist ein Pups? Dieses besteht aus etwa 65 Prozent Stickstoff, 20 Prozent Wasserstoff, zehn Prozent Kohlendioxid, drei Prozent Methan sowie zwei Prozent Sauerstoff. Für den üblen Geruch sorgen Schwefelwasserstoff, Mercaptane und Indole. Bei normaler Verdauung produzieren die Bakterien etwa einen Liter Pups pro Tag

Herwig Mankovsky / 15.02.2019

Als Kochlehter gebe ich meinen Schülern folgenden sehr leicht zu merkenden Ernährungstipp: Alles was schmeckt ist ungesund. So können sie sich das ewige Leben erfressen….

M. Schneider / 15.02.2019

Der Wahnsinn nimmt immer noch weiter Fahrt auf, man hält es nicht für möglich! Wie wäre es denn, wenn staatlicherseits eine Atemsteuer beschlossen würde, wer am längsten im Laufe von 24 Stunden die Luft anhält, erhält einen Bonus und darf dafür ab und zu wieder mehr Luft holen und ausatmen. Es könnte einen neue Industrie geben, die Kontrollgeräte herstellt und jede Menge Stellen einrichten, die den richtigen Einsatz dieser Geräte kontrollieren.  Lebensfreude und Genuss müssen verschwinden, “Klimateller-Ernährung” ist angesagt. Es muss doch zu schaffen sein, das Leben der Menschen noch weiter mit Angst, Panik und vielen Wenns und Abers negativ zu beeinflussen, und das in Zeiten, die sich ohnehin nicht allzu freundlich (milde ausgedrückt) für uns alle entwickeln werden.

Burkhart Berthold / 15.02.2019

Höllenqualen sind den Gläubigen vorbehalten (Gabriel Laub). Mögen sie es bleiben!

Petra Meinhardt / 15.02.2019

Ganz klasse: Mit der stromverbrauchenden KlimaTeller-App den CO2 Fußabdruck messen und dies womöglich noch mit einem Selfie beweisen. Und vorher bin ich vielleicht noch extra mit dem SUV zu einem Restaurant gefahren der diesen KlimaTeller anbietet, aber wahrscheinlich wäre man sowieso dorthin gefahren weil es dort das beste Essen gibt und außerdem gönnt man sich ja sonst nichts.

Jürgen Probst / 15.02.2019

Kennen Sie das Lied (1965): My Baby Baby balla balla…

Anders Dairie / 15.02.2019

Lieber Herr Prof.em. STEINBRINK, leider kann ich Ihnen nicht Recht geben.  Die Gelegenheiten zum Schlemmen nehme ich wahr.  Zwei bis dreimal im Jahr geht die Familie in ein richtig gutes Restaurant. Zum Bsp. in Baiersbronn.  In einigen Dingen muss man kritisch bleiben.  Wenn fast 50% der Jungen vom Wehrdienst ausgemustert werden müssen,  weil sie kaum eine längere Strecken rennen oder Klimmzüge nicht mehr schaffen,  ist ” Abspeckung” geboten und “Bewegung”.  Wenn im Stadtbild die Dicken überwiegen, egal unter welchen der 60 Geschlechter und Altersgruppen, muss die Alarmklingel läuten. Wenn Fußamputationen auf die 65.000 pro Jahr gehen und Herzinfarkte weit über 100.000, soll der Patient in die Finanzierung seines selbst verschuldeten Risikos einbezogen werden. Es wird einfach zuviel “durcheinander gefressen”.  Der “Veggie-Day” ist das falsche Mittel.  Zur Vernuft muss sich der starke Anreiz gesellen. Haben Sie schon mal im gesehen, welche Mengen Obst und Gemüse Leute aus der Levante, zumeist nach Preissenkungen, einkaufen?  Unser Industrie-Fraß ist einfach das Falsche.

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