Noch ein Häppchen? Weißbrot mit dick rohem Fleisch drauf? Serviert von hübschen Frauen mit maliziösem Lächeln? Oder lieber einen kleinen Prosecco-Cocktail in, sagen wir, Rot, weil es die Farbe des Abends ist? In Berlin-Mitte gibt es einen wunderbaren Ort, nicht, weil irgendwelche PR-Agenturen das behaupten, sondern weil er tatsächlich ein Ort des Wunderns ist. Die „Wunderkammer Olbricht“ ist klein, aber fein, sie gehört einem Arzt und Kunstsammler und der weiß natürlich, wie man Menschen zum Gruseln bringt: Ein bisschen Blut, ein bisschen Fleisch und eine Ausstellung namens „Alles Kannibalen“.
Am witzigsten fand ich den gehäuteten Mann, der, wie ein Eisbärfell, devot nach oben schauend (was soll ein Mann in dieser Lebenslage auch anderes tun?) der Zukunft, die keine ist, entgegen dämmert. Das Spiel des Lebens. Eben hat man einander noch zum Fressen gern, wünscht man sich den anderen plötzlich gehäutet und erledigt. Schlimmer kann’s nicht kommen. Aber gleich aufessen? Das verbietet die Kultur, mal mehr, mal weniger, aber in der EU herrscht weitgehend – einige bekennende Kannibalen ausgenommen – Konsens darüber, dass der Mensch seine Artgenossen nicht aufisst.
Auch der riesige Plastik-Fleisch-Fettbrocken hat was. Plastic fantastic. Die Werke tragen so hübsche Namen wie „“Essbare artifizielle Mädchen“, „Die heilsame Milch der Jungfrau“ oder „Witches Sabbath“. Auch alte Postkarten hängen an der Wand, Schwarzweiß-Fotografien aus Hagenbecks Tierpark aus den 1920er-Jahren. Eine Torte ist auch da, künstlich natürlich, aus Fingern und anderen menschlichen Körperteilen. Hübsch.
Was es nicht alles gibt. Demnächst spricht in der Wunderkammer ein Kannibalismus-Experte. Wir haben dann doch kein Fleischbrötchen genommen. Man weiß schließlich nie.
Silvia Meixner ist Journalistin und Herausgeberin von http://www.good-stories.de