Vera Lengsfeld / 01.02.2009 / 13:45 / 0 / Seite ausdrucken

Erster Februar 1989/2009

Der Chef der Staatssicherheit Erich Mielke erklärt auf einer internen Besprechung in seinem Ministerium, die DDR hätte den KSZE-Vertrag nur unterzeichnet, weil sie Angst vor der politischen Isolation gehabt hätte. Er machte sogleich klar, dass die von der Vereinbarung für „Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ geforderten Helsinki-Gruppen, zur Durchsetzung dieser Ziele nicht in der DDR zugelassen werden würden.
Mielke illustrierte mit dieser Bemerkung das Dilemma der sozialistischen Staaten. Einerseits sollte die Beteiligung am Helsinki-Prozess die entstandene Nachkriegsordnung in Europa zementieren und das sozialistische System dauerhaft legitimieren. Was sicher gelungen wäre, wenn es nur von den Politikern abgehangen hätte In den meisten sozialistischen Staaten bildeten sich aber ab 1976 zahlreiche Gruppen, die begannen, die in der Schlussakte von Helsinki garantierten Menschenrechte für sich einzufordern. Die hartnäckige Thematisierung der Menschenrechtsfrage trug in der Folge erheblich zur Entlegitimierung der kommunistischen Ideologie bei. In der Sowjetunion wurde ab 1976 die „Chronik der laufenden Ereignisse“ herausgegeben, die alle bekannt gewordenen Menschenrechtsverletzungen des Regimes publizierte.
In der CSSR übernahm das die„Charta 77“, in Polen das „Komitee für soziale Verteidigung“ In der DDR hatte sich im Gefolge des ersten Menschenrechtsseminars der Opposition 1985 die „Initiative für Frieden und Menschenrechte“ gegründet, die sich verstärkt um die Menschenrechtsverletzungen des SED-Regimes kümmerte. Mielkes Furcht vor neuen Gruppen war unbegründet, denn als er sie äußerte, gab es bereits etwa 3000 Bürgerrechtler in der DDR, die in mehr als hundert Gruppen aktiv waren. Offenbar durfte ihre Existenz nicht mal stasiintern zugegeben werden.

In der „Welt am Sonntag“ verteidigt Franz Müntefering die Marktwirtschaft gegen die Verstaatlichungspläne der Union, die er für „Unsinn“ hält. Ein zu schwaches Wort für eine klare Fehlentscheidung. Es beruhigt nicht gerade, dass auch demokratische Politiker der Versuchung nicht widerstehen können, sich zu alles entscheidenden Lenkern der Gesellschaft aufzuschwingen, sobald sich eine günstige Gelegenheit zu ergeben scheint. In Kommentaren zur Wirtschaftskrise liest man immer wieder, wie froh die Politiker über ihre neue Bedeutung sind. Nach dem Zusammenbruch des Kommunistischen Regimes waren sie auf Normalmaß zurückgestutzt worden. Aus ehemaligen Entscheidern über Leben und Tod, Krieg oder Frieden waren Volksvertreter geworden, die erfahren mussten, dass alle wichtigen Entwicklungen ohne ihr Zutun abliefen. Wer aber in einem „Weltwirtschaftsrat“ innerhalb einer „globalen Finanzarchitektur“, die streng von der Politik kontrolliert wird, die Fäden zieht, kann sich wieder allmächtig wähnen. Was uns blüht, wenn der Verstaatlichungswahn volle Fahrt aufgenommen hat, kann man den heute veröffentlichten Forderungen der linken SPDler entnehmen. Sie wollen, wie ihr Sprecher Björn Böhning mitteilt, „eine stärkere Eingriffsmöglichkeit des Staates in die Energiepolitik und eine neue Qualität von Mitbestimmung in der Wirtschaft“. Im Einzelnen nennen sie die Verstaatlichung des Stromnetzes (ade billiger Yellow-Strom), eine Vermögenssteuer und Mitspracherecht im Finanzsektor. Mit welchen Argumenten will die CDU eigentlich dagegen halten? Dass man mit Merkel auf dem „Dritten Weg“ nur ein bisschen schwanger wird und rechtzeitig abtreibt, sollte sich das Verstaatlichungs-Baby als Missgeburt erweisen?
In diesem Falle wäre Verhütung,oder besser noch Enthaltsamkeit entschieden klüger gewesen. Mit dem „Dritten Weg“ kann man den Jubel opportunistischer, steuergeldgeiler Manager, nicht aber Wahlen gewinnen.
Das Volk ist nicht so blöd.

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